Wer hilft mir, was zu werden?. Annamarie Ryter
der Berufsberatung
Die Unterstützungsfunktionen werden im Praxisfeld meist nicht klar unterschieden. Viele Funktionsträger/innen decken mehrere Aufgaben ab – dies ist ihnen und auch den anderen Beteiligten oft nicht bewusst. Das kann zu Ziel- und Rollenkonflikten führen. Wenn die Aufgaben auf verschiedene Fachpersonen verteilt sind, ist die gegenseitige Information und Koordination zentral für den Erfolg. Dies gilt sowohl für Funktionsträger/innen in der gleichen Institution als auch für solche in unterschiedlichen Institutionen.
Auch konzeptionell sind die Unterstützungsfunktionen aufeinander abzustimmen: Bei Jugendlichen, die ein Brückenangebot oder eine andere Zwischenlösung nutzen, soll die individuelle Begleitung der ersten fünf Funktionen (Beratungs- oder Coachingkonzept) auf die Kompetenzförderung in der Klasse oder der Gruppe (Lehrplan, Förderplan) abgestimmt sein. Nicht alle Jugendlichen im Übergang benötigen Unterstützung in allen Bereichen. Für alle wichtig ist in jedem Fall aber ein passendes und förderndes Tagesprogramm; das heißt, es ist vorab zu klären, welches Angebot am zielführendsten ist.
Übergangssystem: Entwicklung, Herausforderungen und Lösungsansätze
Entwicklung zu einem »Übergangssystem«
In der Schweiz hat sich das Übergangssystem in kurzer Zeit quantitativ und qualitativ schnell weiterentwickelt. Das »Hilfssystem« für die berufliche Integration wird durch Strukturen von etablierten, »regulären« Systemen gebildet, insbesondere vom Berufsbildungs- und vom Sozialversicherungssystem. Auch die letzte Phase der Volksschule mit ihren herkömmlichen und neueren Maßnahmen kann dazugezählt werden. Die Ausweitung der Unterstützungsangebote ist Mitte 1990er-Jahre eher »bottom-up« als pragmatische Antwort auf erhöhte Jugendarbeitslosigkeit und auf neue Anforderungen durch die zunehmende Migration (u. a. ausgelöst durch die Balkan-Kriege) entstanden. Die neuen Angebote (Motivationssemester, kombinierte und Integrations-Brückenangebote) waren in ihrer »Pionierphase« wenig reguliert und koordiniert. Zusätzlich führte auch die größere Aufmerksamkeit der zuständigen kommunalen und kantonalen Stellen auf das Problem der Ausbildungslosigkeit zu einem erhöhten Bedarf an Plätzen. Aufgrund der gestiegenen Bildungsaspirationen und Erwartungen an die Bildungsbereitschaft blieb auch die Nachfrage nach den bereits länger bestehenden zehnten Schuljahren (heute schulische Brückenangebote) hoch. Die zum Teil unkoordinierte Entwicklung der Angebote – die naturgemäß auch den Bedarf und damit die Kosten erhöhte – hat in den letzten Jahren mehr Regelung, Steuerung und Koordination erforderlich gemacht. Mit der Strukturreform ging die Hauptverantwortung für die Brückenangebote an den kantonalen Berufsbildungsbereich über, was die Steuerung erleichterte.
Komplexität als Strukturmerkmal und Herausforderung
Die Angebote im sich bildenden Übergangssystem gehören zu verschiedenen angestammten Systemen mit unterschiedlicher Rechtsgrundlage, Finanzierung und Zuständigkeit.
Tabelle 2: Gesetzliche Grundlagen, Zuständigkeiten
Legende
B | Bund |
K | Kantone |
G | Gemeinden |
BV | Bundesverfassung |
VSG | Volksschulgesetz |
BBG | Berufsbildungsgesetz |
ArG | Arbeitsgesetz |
AVIG | Arbeitslosengesetz |
IVG | Invalidenversicherungsgesetz |
SHG | Sozialhilfegesetz |
AuG | Ausländergesetz |
AsylG | Asylgesetz |
JStG | Jugendstrafgesetz |
SBFI | Staatssekretariat für Bildung, |
SECO | Forschung und Innovation Staatssekretariat für Wirtschaft |
BSV | Bundesamt für Sozialversicherungen |
BFM | Bundesamt für Migration |
BJ | Bundesamt für Justiz |
Die Zugehörigkeit der Angebote zu verschiedenen Systemen hat teilweise große Unterschiede zur Folge, etwa im Hinblick auf folgende Aspekte:
•Zugangslogiken – formale oder sachbezogene Aufnahmebedingungen,
•Hauptzielsetzung, Bearbeitungslogik,
•Vorgaben an die Anbieter, Dauer des Angebots (Rahmenbedingungen), zuständige Professionen,
•Organisationskultur,
•System-, Problem- und Chancenwahrnehmung.
Diese Unterschiede, die den Akteuren im Übergangssystem oft nicht vollumfänglich bewusst sind, können zu Inkompatibilitäten und Irritationen führen, welche die Zusammenarbeit der Behörden und der Angebote sowie eine optimale Angebotsstruktur, Zuweisungsregelung und Information der Jugendlichen und Eltern erschweren.
Koordination: Zusammenarbeit und Case-Management Berufsbildung
Als Ansatz zur Lösung dieser Probleme wird ein Wechsel von der »Innenorientierung« der Systeme und Institutionen hin zu einer offenen »Außenorientierung« angestrebt. Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit ist eine kooperative Kommunikationskultur sowie die Kenntnis der Partner und das Verständnis der Funktionsweisen im ganzen System. Die Philosophie und Methodik der interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ) wird im Bereich der Sozialversicherungen schon seit Jahren erfolgreich praktiziert – sowohl bei der institutionellen Koordination wie auf der Einzelfallebene.
Auf der nationalen Lehrstellenkonferenz im Dezember 2006 lancierte die Vorsteherin des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes die Einführung eines Case-Managements Berufsbildung (CM BB). Fast alle Kantone haben nun ein kantonales CM BB als fallorientierte IIZ installiert und weiterentwickelt. Anders als bei der IIZ der Sozialversicherungen liegt die Fallführung immer bei der gleichen Stelle, bei der Case-Managerin oder beim Case-Manager.
Das CM BB zielt darauf ab, die berufsbiografischen Verläufe von Jugendlichen mit Mehrfachproblematik im Übergang von der Schule in die Erwerbsarbeit besser abzusichern. Die fallführende Stelle sorgt über die institutionellen Grenzen hinweg für die Koordination der Unterstützung für die jeweiligen Jugendlichen und damit verbunden für die Koordination unter den beteiligten Akteuren. Das CM BB orientiert sich an der Philosophie und Methodik des Case-Managements im Sozial- und Gesundheitsbereich, passt diese aber den Aufgaben und Gegebenheiten im Praxisfeld der Berufsintegration und Berufsbildung an. Das CM BB kann Jugendliche bereits während der Volksschule, im Übergang I, während der Berufsbildung und auch im Übergang II begleiten.
Angebots- und Systemsteuerung – auf dem Weg zu einem »lernenden Übergangssystem«
Zur Optimierung des Übergangssystems sind gegenwärtig weitere gemeinsame strategische Maßnahmen erforderlich. Die Systemoptimierung kann dabei als umfassend verstandenes Case-Management Berufsbildung aufgefasst werden, das etwa folgende Elemente enthalten müsste:
•Die zuständigen Behörden verfolgen eine gemeinsame Strategie, und ihre Angebote sind konsequent darauf ausgerichtet und untereinander koordiniert.
•Die