Gestaltpädagogik im transnationalen Studium. Группа авторов

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nur in Politik, Wissenschaft und Medien weit stärker präsentiert und wohl auch in den Bildungssystemen mehr gefördert, als die Bereitschaft und die Haltung, im „Gespräch" miteinander den Erfahrungsaustausch über Perspektiven auf die Welt und den Erkenntnisfortschritt in der Sache mit der Stärkung der Beziehungen der Beteiligten im Dialog zu verbinden.

      Die entscheidende Voraussetzung dafür, das „Andere" und den „Anderen" nicht als Gefährdung der eigenen Identität zu erleben und es/ihn daher zu bekämpfen, scheint uns zu sein, durch positive Erfahrungen die Hoffnung der Beteiligten zu stärken, das Fremde als mögliche Bereicherung sehen zu lernen.

      3. Die Herrschaft der Vernunft, ihre psychoanalytische Relativierung und die gestalttherapeutische Sicht der Beziehungen zwischen Rationalität und innerer Erfahrung

      Der Rationalismus der Aufklärung hat alle Menschen aufgefordert und gestärkt, sich von der „selbstverschuldeten Unmündigkeit" zu befreien und damit zugleich die Entwicklung demokratischer und wirtschaftlich prosperierender Verhältnisse in Europa gefördert. Er hat indirekt Europa und der Welt aber auch den Weg in die Nationalstaaten und ihre neuartigen, totaleren und entritualisierten Territorialkriege geebnet und er hat die Menschen einsam, auf sich gestellt und überanstrengt hinterlassen.

      Emanzipation bedeutet stets auch eine Preisgabe, - einen Verlust an Geborgenheit, an geteilter Verantwortung, an Integration in kollektive Vorstellungen und religiöse Weltdeutungen. Die in neuerer Zeit als fortschreitende „Individualisierung" beschriebene Entwicklung stellt schließlich selbst familiäre Strukturen in Frage und lässt den Einzelnen zurück mit unbegrenzter Verantwortung für die Verwirklichung seines Lebensentwurfs in der prinzipiellen Entscheidungsoffenheit seines Daseins.

      Das Individuum verantwortet sich selbst - und es wird auch von ihm erwartet, dass es seine Entscheidungen, sein Verhalten, sein Sosein erklären kann und zwar mit guten Gründen. Hieraus resultiert ein besonderer Zwang, sich nicht nur zu zeigen (wie man ist), sondern sich darzustellen und zu rechtfertigen.

      An der Schwelle von Außen und Innen, zur Außendarstellung in Rede und Handeln erwarten wir von einander Eindeutigkeit; Zögern gilt als Unentschlossenheit, Ambivalentes, Diffuses, Widersprüchliches gilt als unerwachsen.

      Treten wir einander aber als Individuen gegenüber mit gefestigten Ansichten von der Welt und begründeten Meinungen zu dem, was getan werden sollte, mit dogmatischen Wahrheiten oder gar „wissenschaftlich gesicherten" systematischen Theorien, ist „Streit angesagt": wer hat Recht, wer hat die besseren Gründe? - Es geht um Überlegenheit und Minderwertigkeit, um Sieg und Niederlage, um existentielle Angst und sich bedroht fühlende Ich-Identität.

      In der „Selbstbehauptung" ringt das Ich um die Anerkennung seiner Einzigartigkeit durch die anderen, von ihm verschiedenen - um den Platz des Besonderen im Allgemeinen. Das nicht öffentlich Anerkannte, das nicht Sprachfähige bleibt ausgegrenzt und bedroht das Ich von Innen. Die doppelte Verteidigungsaufgabe des Ichs - nach Innen und nach Außen -‚ die ich als „Wehrstruktur des Ichs" bezeichnen möchte, wird verstärkt durch den aufklärerischen Rationalitätsanspruch des moderneren Subjekts, den es verinnerlicht hat und gegen sich selbst, seine Träume, Wünsche, Gefühle und Ängste zurückwendet.

      Im Bemühen um psychische Gesundheit und um das - dafür erforderliche - Gefühl, sich als aktiv gestaltender Mittelpunkt seiner Welt zu erleben, ist das Ich zu allerlei Einseitigkeiten, spezifischen Akzentuierungen, Wahrnehmungsverweigerungen und interpretierenden Umdeutungen des Wahrgenommenen bereit, um seine Muster des Wahrnehmens und Handelns, seine „Übertragungen" früher Beziehungs-Erfahrungen und seine Art, die Welt zu sehen, zu bewahren - voller spezifischer Chancen und voll allerpersönlichster Gefahren.

      Dieses Bild der Welt verteidigt der Mensch - als einzelner oder in Gruppen; seine Art, die Welt zu sehen, ist Teil seiner Identität, die er von den anderen anerkannt und bestätigt sehen möchte. Je mehr er sich bedroht, angegriffen oder auch nur durch die Herausforderung des Fremden in Frage gestellt sieht, desto mehr verhärten sich die Muster seines Handelns, die Selektivität seiner Wahrnehmung und sein Hang, kritische Rationalität und Selbstreflexion durch schützende Rationalisierung beiseite zu drängen.

      Die vielfach zum Rationalismus verkürzte Aufklärung hat insofern einen ungewollten Beitrag dazu geleistet, das Trennende zwischen den Menschen zu betonen durch rationale Begründung von Nationen, Rassen oder den zwei Geschlechtern der Menschheit und deren Wesensformen und Zielbestimmungen, durch das Tabuisieren von Ambivalenzen und Ambiguitäten sowie durch den gefolgerten Zwang, alles und jedes durch einen (möglichst monokausalen) Ursache-Wirkungs-Zusammenhang erklären zu können.

      Die Psychoanalyse hat dann die Selbstüberschätzung der Vernunft bloßgestellt, indem sie die konterkarierende Wirkungsweise nicht bewusstseinsfähiger bzw. nicht zum Bewussten zugelassener Wünsche, Ängste und Handlungsantrieb offen gelegt hat. Sie war zunächst aber noch zu sehr auf die Vernunft und deren Entlarvung sowie auf naturwissenschaftlich-technische Modellvorstellungen über innerpsychische Vorgänge fixiert, als dass sie unmittelbar der inneren Bilderwelt des Menschen, seinen Gefühlen, Wünschen, seinen Phantasien und seinen Träumen, seiner gespürten Leiblichkeit eine konstruktive, Leben gestaltende und Vernunft korrigierende Bedeutung und Wirkungsweise zuerkennen konnte.

      Psychoanalytisch fundierte Bildungsvorstellungen zielten folglich zunächst ab auf eine Stärkung der kritischen Ich-Funktionen im Verbund mit einer Anerkennung der labilen, triebbestimmten Basis der menschlichen Persönlichkeit.

      Darüber hinaus betonten bereits früh undogmatische Analytiker (Zulliger, Winnicott, Erikson) und vehement dann auch die Begründer der Gestalttherapie die Bedeutung der kreativen Funktionen des Unbewussten als Ressource: Phantasie, Spiel, kreative Gestaltung und improvisierte Bewegung werden nicht länger als ein Sektor regressiver Infantilität betrachtet, sondern als Funktionen des „Selbst", die in leiblich fundierter Spontaneität der gefühlten Wahrheit des Subjekts Ausdruck verleihen können. Sie werden einer rationalistisch verdünnten Auffassung des Ich, das durch Abgrenzung bestimmt ist, als Ganzheitlichkeit und Verbindung stiftende Persönlichkeitsfunktionen nachdrücklich gegenübergestellt.

      4. Gestaltpädagogische Prinzipien und Methoden als Weg zu komplexer Begegnung mit dem Fremden

      Seit Ende der 70er Jahre haben Pädagogen auf der Basis eigener gestalttherapeutischer Erfahrungen den Ansatz der Gestaltpädagogik entwickelt. In diesem haben sich folgende vier Schwerpunkte als Kern einer auf personale Kompetenzentwicklung für Lehrer gerichteten Fortbildung herausgebildet:

      • biografische Selbsterfahrung und Selbstreflexion mit dem Ziel, das eigene Gewordensein besser zu verstehen und ein versöhntes Verhältnis zu sich selbst zu gewinnen (Arbeit in Richtung Integration und Reife);

      • Aktivierung von Phantasie, Kreativität und nichtsprachlichen Symbolisierungen - aus der Erfahrung heraus, dass der Reichtum menschlicher Ausdrucks- und Erfahrungsmöglichkeiten in traditionellen Bildungsprozessen zumeist eher unterdrückt als gefördert wird;

      • Kultivierung und Differenzierung der Wahrnehmungsfähigkeit, d. h. eines offenen Gewahrseins (awareness); nach außen als nicht zielorientiert beobachtende, sondern eher frei schwebende Aufmerksamkeit, nach innen als Spürbereitschaft für Befindlichkeiten, Gefühle, spontane Impulse und Resonanzen auf Personen und Situationen;

      • Erfahrung von eigenen Handlungsschwellen und Widerständen sowie Entwicklung von Kompetenzen im Umgang mit Lernhemmungen, Verweigerungen, Kontaktschwierigkeiten und all dem, was daran hindert, sich auf Erfahrungen und das Aufgeben von Vorurteilssicherheit einzulassen.

      Die biografische Arbeit wurde auf sehr unterschiedliche Weise mit Erlebnis aktivierenden Zugängen und unter Einbeziehung nichtsprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten (Pantomime, Malen, Dingsymbolik) behutsam angeregt. Neben familiären Erfahrungen wurden besonders auch die Erfahrungen in Bildungsinstitutionen als Kinder und Jugendliche in ihrer emotionalen Qualität und Bedeutung für den individuellen Entwicklungsweg zum Gegenstand der gemeinsamen Arbeit.

      Durch solche prägenden Erfahrungen wurde das Verständnis der Teilnehmer füreinander vertieft und ein Gefühl von


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