Geldsack. Martin Arz

Geldsack - Martin Arz


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      »Carla versucht … nein, sie versucht es nicht nur, sie IST nett zu dir. Sie gibt sich jede erdenkliche Mühe, mit dir auszukommen. Sie kauft sogar vegane Brötchen! Was immer das auch sein mag. Aber du benimmst dich einfach nur erbärmlich!«

      »Sind wir jetzt fertig?«, sagte Timo provokant ruhig.

      »Du bist sechzehn! Du glaubst, du kannst hier mit irgendwelchen Miezen herumvögeln. Mit sechzehn! Dafür hältst du dich erwachsen genug?« Olaf Dollmann tippte sich empört an die Stirn. »Aber deine Stiefmutter auch nur halbwegs normal zu behandeln, ist nicht drin? Wer ficken will, muss freundlich sein …«

      »Olaf, bitte«, sagte Carla leise.

      »Entschuldige, Liebes, aber manchmal muss ich drastische Worte wählen, damit er das kapiert. Die Postkarte mit dem Spruch klebt ja in seinem Zimmer! Das gilt ab sofort auch hier in diesem Haus.«

      »Das ist eine Phase, Olaf. Er ist immer noch in der Pubertät«, sagte Carla.

      »Hört ihr euch eigentlich selber reden?« Timo stand auf und schnappte sich ein veganes Brötchen. »Ich werde in zwei Wochen siebzehn. So viel zum Thema Pubertät. Und was das Rumvögeln angeht, habe ich in dir ja den besten Lehrmeister.«

      Olaf Dollmann sprang mit hochrotem Kopf auf. Timo machte unwillkürlich einen kleinen Satz nach hinten.

      »Du gehst mir heute aus den Augen«, sagte Dollmann senior mühsam beherrscht.

      »Nichts lieber als das.« Timo trollte sich in Richtung Wohnzimmer.

      »Super. Osterferien mit Hausarrest. Ganz toll.«

      »Auf dein Zimmer!«, rief ihm sein Vater hinterher.

      »Boah, schon gut. Krieg keinen Herzinfarkt, alter Mann.«

      »Was sagen Sie da?« Sybille Berger starrte Bella Hemberger mit offenem Mund an. »Das kann doch nicht sein?« Sie suchte schwankend Halt an einer Schreibtischkante und lehnte sich an.

      »Tut mir leid«, sagte die Hauptkommissarin und schob der Sekretärin von Guido Zumboldt einen Stuhl hin. Die setzte sich wie in Trance und begann zu weinen. Sie war keine Schönheit, nicht einmal besonders hübsch. Eine leicht verhärmte Frau mittleren Alters, die so fleißig und gewissenhaft wirkte, wie man es sich von einer Sekretärin nur wünschen konnte. Bella Hemberger reichte ihr ein Papiertaschentuch und trat zum Fenster. Aus dem Büro im vierten Stock sah man nur auf den Bürokomplex gegenüber.

      »Und das ausgerechnet heute!« Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich hatte schon den Champagner vorbereitet.«

      »Champagner? «, fragte Yusufoglu. »Wofür?«

      »Na, gestern Abend ist doch die Entscheidung zur Vergabe des kleinen Wiesnzeltes im Stadtrat gefallen. Das Steyrer-Zelt!«

      »Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge. Ich bin kein Wiesnfan.«

      »Herr Zumboldt hat sich als Wirt für das Steyrer-Zelt beworben. Sie haben sicher in den Medien mitbekommen, dass der alte Wirt wegen diverser Verstöße letztes Jahr rausgeschmissen wurde. Na ja, eigentlich hauptsächlich, weil er seine Mitarbeiter geohrfeigt haben soll. Na, und da hat sich der Herr Zumboldt um das Zelt beworben. Das ist das kleinste aller Wiesnzelte, aber immerhin! Und eine Institution! Und … und … wir haben das Zelt bekommen.« Für einen kurzen Augenblick huschte ein Strahlen über das müde Gesicht der Sekretärin, dann schluchzte sie auf. »Darauf haben wir die letzten Monate doch hingearbeitet. Und nun … Aus … Vorbei … Ausgerechnet heute …« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schnäuzte sich.

      »Wenn ich das recht sehe«, sagte Bella Hemberger, »dann sind auf diesem Stockwerk alle Büros der Zumboldts, oder?«

      »Richtig.« Die Sekretärin deutete nach links auf eine geschlossene Tür. »Da geht es zu den Büroräumen der alten Zumboldts. Die ganze Verwaltung der Gastronomie und der Brauerei sitzt in der Etage.«

      »Dürfen wir bitte mal einen Blick in Herrn Zumboldts Büro werfen?«, fragte die Hauptkommissarin.

      Die Sekretärin nickte wortlos und deutete auf eine Tür rechts von ihr. Die Kriminaler betraten vorsichtig das Büro des Ermordeten. Der Raum war viel kleiner als erwartet, und sehr zweckmäßig eingerichtet. Von der großen Fensterfront aus sah man Richtung Gärtnerplatz. Vor dem Fenster stand ein großer Schreibtisch, sauber aufgeräumt, mit Computer und ein paar Schreibutensilien. An der Wand gegenüber der Fenster hingen ein großes historisches Münchner-Kindl-Bräu-Poster im Glasrahmen sowie ein paar kleine gerahmte Fotos, die Guido Zumboldt mit diversen Prominenten zeigten. Gelegentlich grinste auch seine Frau Fiona mit in die Kamera. Neben dem Schreibtisch lag ein über zwei Meter langes, aber nicht besonders dickes Paket, eine stabile Holzkonstruktion mit Verstärkungen an den Kanten und Ecken.

      Bella Hemberger öffnete das Fenster und sah hinunter. Beinahe direkt unter ihr hatte man die Leiche von Guido Zumboldt gefunden. Sie schloss das Fenster und bückte sich zu der langen Holzkiste. Auf dem Adresskleber stand diese Büroadresse, der Absender war eine chinesische Firma namens Lotus Creations. Der Hauptkommissarin fiel die Zollbenachrichtigung ein, die man bei Zumboldt gefunden hatte. Sie setzte sich an den Schreibtisch und blätterte vorsichtig durch die wenigen Papiere, die sauber gestapelt darauf lagen. Rechnungen, Schriftverkehr mit Lieferanten. Erdal Yusufoglu versuchte sich inzwischen vergebens an Schränken und Schubladen. Alles verschlossen.

      Plötzlich hörten sie vom Vorzimmer, wie Sybille Berger laut »Aber ich sage Ihnen doch, dass Sie da nicht rein können!« rief. Im gleichen Augenblick erschien ein schwammiger großer Mann in der Tür und sah die Beamten erstaunt an.

      »Was machen Sie denn hier?«, echauffierte sich der Mann, während sich die Sekretärin an ihm vorbeidrückte und sich mit ausgestreckten Armen vor den Mann stellte, um ihn am Weitergehen zu hindern.

      »Und was machen Sie hier?«, fragte Hemberger scharf.

      »Ich bin Ihnen wohl kaum eine Erklärung schuldig«, sagte der Mann und wollte die Sekretärin beiseiteschieben. Sie blieb wie festbetoniert stehen.

      »Das glaube ich schon.« Die Kriminalbeamtin zückte ihre Dienstmarke. »Und nun sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie hier wollen.«

      Der Mann blickte aus dem Konzept gebracht um sich. »Nolting, Graf von Nolting«, sagte er dann. »Ich wohne hier im Haus und bin ein Geschäftsfreund von Herrn Zumboldt. Was soll das hier? Warum ist die Kripo hier?«

      Kommissar Yusufoglu erklärte es ihm kurz. »Und nun noch einmal die Frage, was Sie hier wollten.«

      »Nichts«, sagte von Nolting schnell. »Ich hatte etwas persönlich mit Herrn Zumboldt zu besprechen.«

      Sybille Berger schluchzte erneut auf.

      »Darf ich fragen, worum es geht«, fragte Bella Hemberger.

      »Das …« Nolting zögerte und sah sich um. Sein Blick blieb eine Weile auf der langen Kiste am Boden haften. »Nun ja. Ich handle ein wenig mit Kunst und Antiquitäten, und Herr Zumboldt wollte sich gerne etwas Neues für sein Büro zulegen. Da hatten wir einen Beratungstermin vereinbart.«

      »Und ich habe Ihnen gesagt«, schniefte die Sekretärin unter Tränen, »dass ich keinen Eintrag in Herrn Zumboldts Terminkalender habe.«

      »Meine Güte, das haben wir gestern so zwischen Tür und Angel besprochen.« Nolting verdrehte enerviert die Augen zur Decke. »Ich war gestern Abend kurz hier im Büro, das wissen Sie doch noch. Gut, dann gehe ich wohl besser.«

      »Moment, Herr Nolting«, sagte Hemberger. »Haben Sie vielleicht irgendwelche finanziellen Verpflichtungen gegenüber Herrn Zumboldt gehabt? Oder auch umgekehrt? Hat Herr Zumboldt Ihnen Geld geschuldet?«

      »Was? Nein. Weder noch. So weit waren wir in unseren Gesprächen noch nicht.«

      »Sie sind Kunsthändler. Das Paket hier ist ziemlich lang, nicht wahr?« Die Hauptkommissarin deutete auf das Paket am Boden. »Sieht für mich fast so aus, als wäre es ein großes Bild, zusammengerollt. Oder?«

      »Keine Ahnung.« Nolting


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