Keine Einwände. Jeb Blount
gehört für uns Menschen zu den schwierigsten Unterfangen. Eine souverän geäußerte Bitte erfordert, alles auf eine Karte zu setzen und ein emotionales Risiko einzugehen, ohne Garantien. Damit machen Sie sich auf Anhieb verwundbar, lehnen sich so weit aus dem Fenster, dass Ihnen keine Rückzugsmöglichkeit bleibt. Verletzlichkeit entsteht laut Dr. Brené Brown, Autorin des Buches Verletzlichkeit macht stark, in Zusammenhang mit persönlicher Unsicherheit, Risiken und dem Gefühl, emotional ausgeliefert zu sein. Verletzlichkeit beschwört die tiefste und verborgenste menschliche Angst herauf: die Angst vor Ablehnung.
Bevor Sie eine Bitte äußern, geraten Körper und Geist in Alarmzustand, signalisieren Ihnen mit jeder Faser, sofort innezuhalten; allein die Aussicht, zurückgewiesen zu werden, ruft ein tief verwurzeltes Gefühl der Verletzlichkeit hervor. Ablehnung ist eine schmerzliche, demotivierende Erfahrung, die tief verwurzelten Ängsten Vorschub leistet.
Angst und die Vermeidung des emotionalen Leids, das mit einer Ablehnung einhergeht, sind der Grund dafür, dass die meisten Menschen den Weg des geringsten Widerstands wählen. Sie rangieren an oberster Stelle auf der Liste der Ursachen, die Verkäufer daran hindern, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und ihr Einkommensziel zu erreichen. Die Angst vor Ablehnung ist eine besonders heimtückische disruptive Emotion im Verkauf.
Es gibt keine Wunderwaffe, die Einwände abschmettert
Solange Verkäufer Kunden um verbindliche Zusagen gebeten haben, haben Kunden Einwände geäußert; und solange Kunden nein gesagt haben, haben sich Verkäufer danach gesehnt, die Geheimnisse zu entschlüsseln, die ihnen ermöglichen, ein Nein zu überwinden.
Verkäufer sind geradezu besessen von der Vorstellung, dass Abkürzungen und Patentlösungen auf wundersame Weise ein Ja nach dem anderen liefern, ohne das Risiko einer Ablehnung. Genau deshalb werde ich häufig mit Fragen zum Thema Einwandbehandlung konfrontiert, die mit der Einleitung beginnen: »Welche Tricks gibt es, um …« oder »Können Sie mir das Geheimnis verraten …« oder »Wie bringe ich jemanden dazu, ja zu sagen?«
Verkäufer halten ständig nach Techniken Ausschau, mit denen sich ein Nein vermeiden lässt, genau wie Golfer auf der Suche nach dem perfekten Putter. Und es gibt eine endlose Reihe von Pseudo‐Experten, Gurus und Hexenmeistern der künstlichen Intelligenz mit ihren falschen und gefährlichen Behauptungen, sie wären dem omnipräsenten Geheimnis auf die Spur gekommen, Einwände zu eliminieren.
Um eines von Anfang an klarzustellen: Diesen Scharlatanen, von denen die meisten nicht einmal den Weg aus einer Papiertüte fänden, unterläuft ein fataler Irrtum.
Es gibt keinen perfekten Putter, der über Nacht bewirkt, dass Sie für eine Runde zwanzig Schläge weniger brauchen.
Es gibt keinen Knopf, mit dem Sie jeden Verkaufsvorgang automatisch zum Abschluss bringen.
Es gibt keinen Feenstaub, der einer Ablehnung den Stachel nimmt.
Es gibt keine Wunderwaffe, die Einwände abschmettert und potenzielle Kunden dermaßen in Schockstarre versetzt, dass sie kapitulieren.
Es gibt kein perfektes Skript, das imstande ist, jedes Nein in ein Ja umzuwandeln.
Es gibt keine künstliche Intelligenz und keine Softwareprogramme, die den Deal für Sie über die Bühne bringen.
Es gibt keine Einhörner.
Es gibt jedoch zwei ungeschönte, unbestreitbare Wahrheiten (und wir wissen ja alle, was für Gefühle bittere Wahrheiten hervorrufen können):
1 Die einzige Möglichkeit, Einwände zu eliminieren, besteht darin, um verbindliche Zusagen zu bitten. Ein für alle Mal!
2 Um im Verkauf erfolgreich zu sein, sollten Sie Ihren Zauberkasten schließen und Ihren Sales‐Werkzeugkasten öffnen.
Das A und O im Verkauf ist die Disziplin, um das zu bitten, was Sie anstreben.
Anmerkung des Autors
Im Buch werden die Begriffe »Stakeholder«, »Kunden/potenzielle Kunden«, »Entscheider« und »Käufer« synonym verwendet, um verschiedenen Personen zu beschreiben, die im Zuge eines Verkaufsvorgangs Einwände äußern. Diese Vorgehensweise hat drei Gründe. Erstens lässt sich verhindern, dass der Text durch die ständigen Wiederholungen langweilig wird. Zweitens verwenden Verkaufsprofis und Verkaufsorganisationen unterschiedliche Bezeichnungen. Und drittens wird damit angedeutet, dass Einwände nicht immer von den Personen stammen, die den Kauf schlussendlich absegnen.
2 Die richtige Formulierung einer Bitte
Erbitten ist der erste Schritt zum Erhalten.
Jim Rhon
Beim Prospecting, der Neukundenakquise, ist es absolut unerlässlich, in jeder Phase des Verkaufsprozesses, vom Erstkontakt bis zum Abschluss, klar anzusprechen, was Sie anstreben. Um Widerstand abzubauen und Ihr Ziel zu erreichen, sollten Sie Ihre Bitte selbstsicher, prägnant und souverän äußern, ohne zu zögern (siehe Abbildung 2.1).
Emotionale Ansteckung: Die Übertragung der Gefühle
Wir haben tausende Verkaufsinteraktionen in den unterschiedlichsten Branchen verfolgt und analysiert. Wenn Verkaufsmitarbeiter Zuversicht ausstrahlen und souverän um das bitten, was sie anstreben – Termine, die nächsten Schritte oder Kaufzusagen –, sind die Kunden in 50 bis 70 Prozent der Fälle bereit, darauf einzugehen. Umgekehrt müssen sich diejenigen, die ihr Anliegen zögerlich, verunsichert und im Ich‐möchte‐Sie‐ja‐nicht bedrängen‐Modus vorbringen, mit einer Erfolgsrate von 10 bis 30 Prozent begnügen.
Jeffrey Gitomer, Autor von Das kleine rote Buch für erfolgreiches Verkaufen, erklärte, dass eine von Selbstvertrauen und Zuversicht geprägte Position die stärkste Verkaufsstrategie der Welt ist. Wenn man eine souverän geäußerte Bitte mit Spitzenleistungen während des gesamten Verkaufsprozesses kombiniert, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Ja als Antwort zu erhalten.
Sie müssen direkt, schnell und prägnant auf den Punkt kommen. Wenn Sie explizit das ansprechen, was Sie anstreben, machen Sie es Ihren potenziellen Kunden leichter, ja zu sagen. Wenn Sie Ihre Bitte selbstsicher äußern und davon ausgehen, dass sie erfüllt wird, übertragen Sie dieses positive Gefühl auf Ihre Stakeholder und sie sind eher geneigt, gleichermaßen darauf zu reagieren.
Wenn Sie aussehen und klingen, als hätten Sie Angst, die Bitte zu äußern, oder wenn Sie einen unsicheren Eindruck machen, übertragen Sie diese negative Gefühlslage auf Ihre Kunden und rufen Abwehrreaktionen hervor, die es vorher nicht gab. Es ist seltsam und paradox, dass eine passivere Herangehensweise, motiviert von der Besorgnis, »zu aufdringlich« zu erscheinen, Ihre Stakeholder abstößt, ihre Skepsis noch verstärkt und eine Flut von Einwänden auslöst.
Abb. 2.1: Die drei Schlüsselfaktoren effektiver Bitten
Es ist eine der Grundwahrheiten des menschlichen Verhaltens, dass wir unbewusst dazu neigen, die Gefühle anderer zu übernehmen. »Menschen sind extrem empfänglich dafür, emotionale Signale aufzugreifen – sowohl negative als auch positive –, ohne es bewusst darauf anzulegen«, schrieb Shirley Wang in ihrem Artikel »Contagious Behavior«.1
Die emotionale Ansteckung ist in erster Linie eine unbewusste Reaktion, die Menschen veranlasst, die Verhaltensweisen und Gefühle bestimmter Personen in ihrem Umfeld zu spiegeln oder