Unterrichten an Berufsfachschulen. Claudio Caduff
in der beruflichen Grundbildung und für lebenslanges Lernen. Sie fördern anhand von exemplarischen Situationen das theoretische Denken. (Standard 6.2)
•Lehrpersonen für Fächer in der Berufsmaturität verstehen es, die Inhalte ihres Lehrfaches mit den berufspädagogischen Handlungskompetenzen so zu verbinden, dass sie der Individualität der Lernenden Rechnung tragen und die Lerninhalte exemplarisch umsetzen. (Standard 7.1)
Das Buch kann im Selbststudium erarbeitet werden – es richtet sich also u.a. an Gymnasiallehrpersonen, die bereits an Berufsfachschulen unterrichten, sich aber noch entsprechend nachqualifizieren müssen. Es kann indessen auch an schulhausinternen Weiterbildungen Verwendung finden oder der Vertiefung einzelner Aspekte oder der Begleitung von Studierenden dienen. Verantwortlichen in den kantonalen Mittelschul- und Berufsbildungsämtern bietet es schliesslich eine reiche Fülle von Informationen.
Zum Aufbau des Buches
Der erste Teil der Publikation beschäftigt sich mit dem schweizerischen Berufsbildungssystem und der Stellung und Bedeutung der Berufsmaturität (BM). Dieser Teil wird durch einen historischen Exkurs zur Entstehung und Etablierung der Berufsmaturität ergänzt. Diesen Text hat Elisabeth Zillig, die ehemalige Vizepräsidentin der Eidgenössischen Berufsmaturitätskommission, beigesteuert.
Im zweiten Teil werden die zentralen Themen behandelt, die für eine erfolgreiche Unterrichtstätigkeit in Bildungsgängen der Berufsmaturität von Belang sind: Lehrpläne, Unterrichtsgestaltung, Prüfen und Bewerten, Interdisziplinarität. Die Auswertung von Hospitationsberichten gleich zu Beginn des zweiten Teils (Seitenblick, S. 44) wirft ein Licht auf die Unterschiede zwischen gymnasialem Unterricht und BM-Unterricht, wahrgenommen von Gymnasiallehrpersonen, die dem Unterricht an Bildungsgängen der Berufsmaturität beigewohnt haben. Daraus lassen sich didaktische Handlungsempfehlungen für den Unterricht beigewohnt haben.
Den Abschluss bildet ein Blick auf die Unsicherheiten und Paradoxien, von denen der Lehrberuf generell geprägt ist.
Zu Beginn des ersten Teils und jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel des zweiten Teils werfen wir «Seitenblicke» auf Themen und Fragen der Pädagogik und Didaktik, die unserem spezifischen Zugang, mit der Berufsmaturität im Fokus, noch etwas mehr Tiefe verleihen. Die «Seitenblicke» beziehen sich jeweils auf Fachtexte verschiedener Autoren – Extrakte aus den Originaltexten finden sich im Reader auf der CD-ROM, die diesem Buch beiliegt. Dieser Reader enthält auch offizielle Dokumente des SBFI, etwa die aktuell gültigen Rahmenlehrpläne für Berufsbildungsverantwortliche, den gültigen Rahmenlehrplan Berufsmaturität (2012), das Berufsbildungsgesetz und die zugehörige Verordnung.
Das vorletzte Kapitel des Buches ist dem Dialog und dem Auftritt der Lehrpersonen im Klassenzimmer gewidmet – Themen, die sich in der Auseinandersetzung der Autorin und der Autoren im Austausch mit den Studierenden ergeben haben. Zum Schluss dieser Neuausgabe wagt Beat Deola, der Leiter der Berufsmaturitätsschule Winterthur, einen Ausblick auf die Zukunft der Berufsmaturität.
Dem modischen Rufen nach ständiger Praxis begegnen wir mit einer weisen Aussage von Martin Lehner: «Manchmal kann es sinnvoll sein, eher theoretisch vorzugehen, etwa wenn die Perspektive erweitert oder der Sachverhalt konsequent hinterfragt werden soll. Manchmal kann es sinnvoll sein, eher praktisch vorzugehen, etwa wenn schnelles Handeln und leicht kommunizierbare Modelle gefragt sind. Die Spannung zwischen den beiden Konzepten kann auf jeden Fall produktiv genutzt werden.»4
Im Grunde gibt es aber aus unserer Sicht nichts Praktischeres als eine gute Theorie.
Claudio Caduff, Walter Mahler, Daniela Plüss Juli 2014
1Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) (2006): Rahmenlehrpläne für Berufsbildungsverantwortliche vom 1. Mai 2006 (Stand 1. Juli 2008), S. 4. Online: www.bbt.admin.ch [18.3.2009]. In der aktuellen Fassung der Rahmenlehrpläne ist dieser Passus nicht mehr zu finden.
2Der Ausbildungsgang an der Universität Zürich (IfE) und die «BM-Nachqualifikation» an der PH Zürich umfassen entsprechend den Vorgaben in den Rahmenlehrplänen des Bundes 300 Lernstunden (10 ECTS). In einem vollständigen Studiengang zu 1800 Lernstunden (60 ECTS) kann an der PH Zürich bei entsprechender fachlicher Vorbildung ebenfalls das Lehrdiplom für den Unterricht in der Berufsmaturität erworben werden. Schliesslich können sich Personen, die bereits über ein Lehrdiplom für den hauptberuflichen Unterricht an Berufsfachschulen verfügen (zum Beispiel für Allgemeinbildung oder Berufskunde), an der PH Zürich in einem Ergänzungsstudiengang (300 Lernstunden, 10 ECTS) für den BM-Unterricht qualifizieren.
3Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) (2011): RLP für Berufsbildungsverantwortliche, S. 37 f. und 40 f. Online: www.sbfi.admin.ch ➔ Themen ➔ Berufsbildung ➔ Eidgenössische Kommission für Berufsbildungsfragen EKBV ➔ Dokumente [10.3.2014]. Dieses Dokument findet sich auch auf der diesem Buch beiliegenden CD-ROM. Die Grammatikfehler der BBT-Fassung wurden stillschweigend berichtigt.
4Martin Lehner: Viel Stoff, wenig Zeit (Bern4 2013), S. 144.
Teil 1
Berufsbildung und Berufsmaturität
Seitenblick
Viel Stoff – wenig Zeit: Wege aus der Vollständigkeitsfalle
Welche Lehrperson kennt das nicht: Der Lehrstoff ist kaum zu überblicken, die Zeit ist knapp, und am Ende bleibt nichts anderes übrig, als zu sagen: «Tut mir leid, ich habe nicht alles geschafft.»
Nach Ansicht von Martin Lehner, Professor für Didaktik am Technikum Wien, ist aber nicht die Stoffmenge das Problem, sondern der Vollständigkeitsanspruch der Lehrenden. Diese seien nämlich häufig der Ansicht, alles, was sie wüssten, sei wichtig und sie müssten möglichst viel von ihrem Wissen weitergeben. Wer so denkt, sitzt in der Vollständigkeitsfalle, schreibt Lehner. Auswege aus dieser Falle zeigt er in seinem Buch «Viel Stoff – wenig Zeit».5
Grundsätzlich rät Lehner den Dozierenden, bei der Auswahl des Lernstoffs nach der Devise «Weniger ist mehr» zu handeln. Die Kunst bestehe im Weglassen. Dazu stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, beispielsweise die «Siebe der Reduktion». Die Dozierenden «schütteln» die Lehrinhalte vor dem Vortrag auf bestimmte Zeiteinheiten «herunter», indem sie sich fragen: Mit welchen Inhalten arbeite ich, wenn ich fünfzehn Minuten für deren Vermittlung Zeit habe? Was bringe ich in zwei Stunden unter? Und was in einem zweitägigen Seminar?
Eine andere Möglichkeit zur Reduktion der Stoffmenge ist die «Track One»-«Track Two»-Methode zur Erstellung von Lernmaterialien. Als «Track One» gekennzeichnete Passagen im Skript sagen den Studierenden: Das ist besonders wichtig! «Track Two» bedeutet: ergänzender Stoff zum individuellen Lernen.
Wer ganz wenig Zeit für die Vermittlung eines Sachverhaltes hat, kann die «Extremreduktion» wählen – nach Lehner der «didaktische Ironman». Die grosse Herausforderung: komplexe Inhalte auf wenige zentrale Aussagen einzudampfen. Wem das gelingt, der dürfe sich zu Recht Experte auf einem Gebiet nennen.
Schliesslich widmet sich Lehner noch der Hirnforschung. Denn «wie jeder Koch sich mit der Funktion des Magens auskennt, sollte ein Lehrender auch etwas vom Organ des Lehrens, vom Gehirn verstehen» – so Lehners Argument. Jede Lehrperson sollte sich also zum Beispiel darüber im Klaren sein, dass das Arbeitsgedächtnis eine begrenzte Kapazität hat und Informationen unterschiedlich verarbeitet werden.
Berufsbildung in der Schweiz
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