Innen wachsen – außen wirken. Julia Buchebner
Für alles, was unser Leben so schön und lebenswert macht.
Mögen wir mutig neue Wege gehen
und gemeinsam eine neue Zeit auf Erden einläuten.
1. Willkommen in der westlichen Welt
Hello, Hola, Bonjour – willkommen in der westlichen Welt!
Freu dich, du wurdest an einem der besten Orte in einer der besten Zeiten unserer gesamten Menschheitsgeschichte geboren. Kaum zuvor lebten so viele Menschen in einer so sicheren Umgebung mit beinahe endlosen Möglichkeiten und zudem genügend Zeit und Geld, diese auch nutzen zu können.
Wer fremde Länder besuchen will, steigt einfach ins Flugzeug und fliegt hin. Will man es dabei noch gemütlich haben, bucht man First Class. Braucht es diese Vielfalt auch im eigenen Zuhause, besorgt man sich Möbel, Kleider, Obst und Gemüse aus allen möglichen Weltregionen zum Spottpreis im Einkaufscenter um die Ecke. Und wem diese reale Welt noch immer nicht genügt, der steigt über die Virtual Reality in einen gänzlich neuen Erfahrungsraum jenseits aller Grenzen ein.
Uns geht es gut, zumindest gesamt gesehen. Und selbst wenn es uns nicht gut ginge, würden wir es wohl kaum merken. Denn wir haben gelernt, uns immer und überall zu vergleichen. Und solange es uns besser geht als irgendwelchen anderen, geht es uns irgendwie auch gut, oder?
Um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir noch entsprechende Gradmesser entwickelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein solcher. Ist es gestiegen, geht es uns gut. Liegt das Wirtschaftswachstum höher als woanders, geht es uns gut. Haben wir ein neues Auto, Handy, Spiel oder Fitnessgerät, geht es uns gut. Sind diese Dinge dann noch eine Spur teurer, exklusiver oder auch preiswerter als die von jemand anderem, geht es uns manchmal sogar noch besser. Und weil sein Auto exklusiver war als ihr Auto, gleichzeitig das ihre aber preiswerter als das seine, sind alle zufrieden. Eine klassische Win-win-Situation, irgendwie jedenfalls.
Viele von uns leben also in dem Glauben, die bestmögliche Welt bereits erschaffen zu haben. Und weil uns dieser Glaube so viel wert ist, sind wir auch bereit, ihn um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Doch dieser Preis wird immer höher. Für die Erhaltung unserer Wirtschaft bezahlen wir mit unserem Sozialsystem. Für den Luxus Tausender Konsumgüter bezahlen wir mit ständigen Umweltkatastrophen. Und für unsere Gesundheit bezahlen wir seit Corona sogar mit einer drastischen Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit. Die Rechnung wird immer länger und unser Budget immer geringer, doch das scheint uns nicht zu stören. Selbst wenn uns immer mehr dämmert, dass unser westliches System womöglich doch nicht so genial ist wie angenommen, erscheint es uns noch immer besser als alle anderen Systeme. Und somit muss es auch erhalten bleiben, koste es, was es wolle!
Gefangen in diesem Glauben würden wir am liebsten ewig so weitermachen, und alles wäre »in Ordnung«. Wenn da nicht noch diese andere Welt wäre, die nicht-westliche. Trotz unseres Empfindens, es gehe uns besser als anderen, begreifen wir, dass es manch anderen gerade deshalb schlecht geht, weil es uns so gut geht. Keine neue Information, schon klar. Spätestens seit Social Media ist auch den Letzten unter uns bewusst geworden, dass unser westlicher Lebensstandard an anderen Orten oft zu verheerenden Problemen führt. Doch auch hierauf hatten wir lange Zeit die Antwort, dass wir unseren Lebensstil, unsere Werte und Güter einfach nur in die gesamte Welt exportieren sollten, und irgendwann würde es allen Menschen ebenso gut gehen wie uns im Westen. Schon wieder eine Win-win-Situation. Herrlich, zumindest in der Theorie.
1.1 Die Geschichte der äußeren Zerstörung
Die Praxis jedoch erzählt eine andere Geschichte, als oben beschrieben. Denn unser Planet, der als Grundlage für all diese Überlegungen dient, ist kein endloses Rohstofflager. Und damit er »funktioniert« und seine Leben spendenden Aufgaben überhaupt für uns übernehmen kann, braucht er ganz spezielle Bedingungen und auch jede Menge Platz und Zeit. Für unseren »Masterplan« – siehe oben – bedeutet dies wiederum das Aus. Ein ewiges »Weitermachen wie bisher« ist also nicht möglich. Denn egal, wie gewieft das manche Ökonomen auch durchrechnen mögen, die Natur wird dabei nicht mitspielen. Unsere Ressourcen sind eine Limited Edition, Ende der Geschichte.
Beispiel Plastikverschmutzung
Um zu sehen, dass diese Geschichte langsam wirklich ihr Ende nimmt, braucht man nicht sonderlich weitsichtig zu sein. Nehmen wir als erstes Beispiel die seit Jahren heftig diskutierte Verschmutzung durch Plastik zur Hand. Vom Kleinkind bis zur Oma und vom Punk bis zur Konzernerbin sind sich quasi alle einig: Dieses künstliche Material schafft massive Probleme und wir müssen es in den Griff bekommen oder am besten durch Alternativen ersetzen.
Solch eine schöne Einigkeit hat man selten im Umweltbereich. Ein Grund dafür ist wohl, dass wir das Plastikproblem eher weit in der Ferne sehen und uns somit nicht so leicht gegenseitig die Schuld zuschieben können beziehungsweise müssen. Die Bilder in den Medien zeigen vor allem die verschmutzten Meere und Flüsse in Asien. Und jeder, der schon einmal in Indien am Ganges entlangging oder in Bali zur falschen Zeit bei der falschen Strömung das Meer besucht hat, weiß, dass die Bilder nicht lügen. Auch vor der pazifischen Küste der USA tummelt sich ein riesiger Müllstrudel. Der sogenannte Great Pacific Garbage Patch ist der größte seiner Art und hat mittlerweile eine Fläche erreicht, die 19 Mal so groß ist wie Österreich.1 Wer sich zuvor noch gefragt hat, warum wir vom »Ende der Geschichte« sprechen, der hat hier eine erste Antwort.
Apropos Österreich. In der schönen Alpenrepublik haben wir das Plastikproblem ja im Griff, oder? Obwohl wir uns gerne als Recycling-Weltmeister bezeichnen, fällt die Bilanz dann leider doch nicht so gut aus. Im Jahr 2015 benötigte die Herstellung von Kunststoffen mehr als 1,1 Millionen Tonnen Rohstoff. 96 Prozent davon wurden über Erdöl gedeckt. Gerade einmal vier Prozent kamen von recyceltem Regranulat bzw. erneuerbaren Alternativen.2 Bedenkt man, dass wir seit mehreren Jahrzehnten brav unseren Müll trennen und entsorgen, kommt man zu dem Schluss, dass unser derzeitiges Recycling seine Grenzen hat und nur einen geringen Teil zur Lösung des Problems beitragen kann. Und wen wundert’s: Plastik ist nicht nur Bestandteil von Tragetaschen oder Getränkeflaschen, es ist überall! Kaum ein Elektrogerät, Haushaltsartikel oder Baustoff kommt ohne Plastik aus. Mehr als 60 Prozent aller Textilien bestehen teilweise oder gänzlich aus Polyester. All unsere Lebensmittel sind in Kunststoff verpackt, und selbst die meisten Kosmetika enthalten mittlerweile Mikroplastik. Kurz gesagt, wir schmieren uns Erdöl auf die Haut und finden das obendrein noch sexy. Und auch wenn das allein schon verrückt klingen mag, ist es in diesem Fall nicht das eigentliche Problem. Das entsteht erst später. Denn irgendwann waschen wir das Zeug wieder vom Körper ab, wodurch es in den Kanal gelangt, der wiederum in einen Fluss mündet, und somit landet das Mikroplastik schließlich nach langer Reise im Meer. Laut Schätzungen kommt allein im Mittelmeer bereits auf zwei Plankton-Lebewesen ein Teilchen Mikroplastik.3
Und hier im Meer wird es so richtig spannend, denn auf unserer Erde läuft alles in Kreisläufen ab. Anders ausgedrückt: »All you ever do is coming back to you« (Man bekommt im Leben alles zurück). Wenn Meereslebewesen wie Fische oder Muscheln das Mikroplastik in sich aufnehmen und wir sie daraufhin verspeisen, schließt sich der Kreislauf wieder und das Mikroplastik kommt zurück zum Verursacher, dem Menschen. Dieses Mal allerdings nicht auf der Haut über Kosmetika oder Kleidung, sondern gleich direkt in den Körper. Klingt alarmierend, oder? Doch obwohl wir pro Woche im globalen Durchschnitt fünf Gramm Mikroplastik über das Trinkwasser, die Luft und die Nahrung zu uns nehmen, gibt es offenbar keinen Grund zur Sorge.4
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2019 verkündet, dass Mikroplastik im Körper derzeit kein Problem darstelle.5 Und hört man den ausführenden Organen bei ihren Reden zu, so beschleicht einen das Gefühl, dass selbst die Plastikverschmutzung zum Teil des großen Plans gehören muss. Denn solange es sich ökonomisch rechnet, nehmen wir die Verschmutzung von Natur und Körper offenbar gern in Kauf. Wir können beides ja wieder säubern,