Historisch Arbeiten. Georg Eckert

Historisch Arbeiten - Georg Eckert


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eine Art Königsdisziplin des Studiums dar. Dieser auch in vielen Prüfungsordnungen festgelegte Vorrang ist zweitens gut zu rechtfertigen: Wer eine Hausarbeit zu erstellen und also die Resultate seiner Quellenanalyse kompetent darzulegen versteht, wird um so leichter einen anregenden Essay verfassen oder ein überzeugendes Referat halten – oder gar eine Doktorarbeit14 erstellen können.

      Suchen und Finden begleitet das Historisch Arbeiten fortwährend, prägt es indes von Anfang an. Die Recherche ist nicht bloß Voraussetzung, sondern bereits wesentlicher Bestandteil des Historisch Arbeitens: Je besser die „Rohstoffe“, desto besser am Ende das „Produkt“. Vorzügliche Bedeutung trägt also die Recherche nach Quellen – sowie nach dem jeweils passenden Instrumentarium: vor allem einschlägige Literatur und Bearbeitungsmittel wie Wörterbücher, Kommentare oder Nachschlagewerke. Anregungen aus anderen Epochen und Disziplinen können eine informierte und interessante Thesenbildung enorm bereichern.

      Kurzum

      Wer gut sucht, hat also schon gefunden: reichhaltige Quellen, das passende Instrumentarium der Fachliteratur, Anregungen für die eigene Deutung und bereits die erste inhaltliche Ausrichtung der eigenen Studien.

      Darauf folgen Lesen und Denken: die konkrete Analyse der entdeckten Quellen mithilfe der recherchierten Literatur – inklusive der Entwicklung einer klaren, im Laufe des Arbeitsprozesses verfeinerten Leitfrage. Sie stellt den Ausgangspunkt jeder Untersuchung dar und bereitet den Weg zur These, das heißt zur umfassenden Erklärung der Quellenbefunde. Erster, aber keineswegs letzter Schritt ist die Be- und Umschreibung der Quellen: um jenen Aspekt zu identifizieren, dem sich die Deutung dann im Besonderen widmet.

      Kurzum

      Jede Auseinandersetzung mit Quellen zielt darauf ab, ein bestimmtes, genauer: selbst zu definierendes historisches Phänomen besser erklärbar zu machen.

      Reden und Schreiben heißt, den sprichwörtlichen roten Faden in die verschiedenen Darstellungsformen hineinzuweben. Indem Sie historisch arbeiten, arbeiten Sie für sich – und zugleich für andere. Wer eine Hausarbeit einreicht, kommuniziert auf wissenschaftlichem Niveau mit seinem Hochschullehrer. Egal ob universitärer Essay oder Zeitungsbeitrag, ob Fachvortrag oder Museumsführung, ob private Diskussionsrunde oder Schulstunde: Vermittlung meint einerseits, sich an den fachlichen Standards für gängige Genres zu orientieren. Andererseits gilt es, die eigene Darstellung dem jeweiligen Publikum und dessen Vorwissen anzupassen – und so in einen Dialog einzutreten.

      Kurzum

      Worin besteht das Ziel einer historischen Darstellung?

      imagesLehren: Dem Publikum etwas in klarer, wissenschaftlich nachvollziehbarer Weise erklären – zum Beispiel ein Ereignis, eine Entwicklung oder eine Struktur aus der Vergangenheit.

      imagesBewegen: Das Publikum zum Nachdenken bringen, zur Diskussion anregen – nicht darüber, ob „gut“ war, was geschehen ist, sondern darüber, wie und warum es geschehen ist.

      imagesErfreuen: Dem Publikum durch eine schöne Erzählung großes Vergnügen bereiten – also durch eine gute, überzeugende Sprech- und Schreibweise, die eine These erst diskutabel macht.

      Die äußere Form ist keine lästige Nebenwirkung des Historisch Arbeitens, sondern gehört zu seiner Eigenart. Formalia schaffen einen äußeren Rahmen für jedwede Erkenntnis. Dazu gehört neben Rechtschreibung, Zeichensetzung & Co. vor allem: eine angemessene, eine präzise, ja eine schöne und gute Sprache, ein Bewusstsein für Stile und Formen überhaupt. Die diversen wissenschaftlichen Genres weisen ihre spezifischen Eigenheiten auf und unterscheiden sich durch ein wesentliches Merkmal von nichtwissenschaftlichen Darstellungen: durch den sogenannten Apparat. Er beinhaltet vollständige, eindeutige Nachweise von Zitaten und Paraphrasen aus Quellen wie Literatur – üblicherweise in Gestalt von Fußnoten, einer Bibliographie, gegebenenfalls Abbildungsnachweisen et cetera. Fehlt der Apparat, verkommt der Künstler zum Banausen, zum Imitator, im schlimmsten Fall gar zum Plagiator.

      Suchen und Finden, Lesen und Denken, Schreiben und Reden sind die tragenden Elemente des Historisch Arbeitens. Sie ruhen auf dem Fundament der Formalia. So wie die nebenstehende Abbildung ist auch dieses Buch insgesamt notwendigerweise idealtypisch angelegt. Es beschreibt das Wesen des Historisch Arbeitens und bildet es auf einen idealen und zugleich einen typischen Verlauf eigener Studien ab. Die drei Elemente Suchen und Finden, Lesen und Denken sowie Schreiben und Reden stellen drei Arbeitsphasen dar – die sich in der Theorie gut scheiden lassen, in der Praxis allerdings zeitlich wie gedanklich überlagern. Die Recherche, die hier am Anfang dargestellt ist, begleitet selbstverständlich den gesamten Arbeitsablauf; gelesen und gedacht werden muss bereits beim Suchen und Finden. Während des Schreibens, ja selbst beim Reden wiederum findet immer ein Denkprozess statt, der bisweilen zu neuen Rechercheaufträgen führt. Das geschieht nicht, weil man es sich vornimmt, sondern ist eine List der Vernunft, gegen die sich niemand schützen kann: glücklicherweise!

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      Abb. 1: Elemente des Historisch Arbeitens

      Daraus geht hervor, was das vorliegende Buch nicht darstellen kann: eine Patentlösung für alle denkbaren Fälle des Historisch Arbeitens


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