Das Wesen des Christentums . Feuerbach Ludwig

Das Wesen des Christentums  - Feuerbach Ludwig


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Ding anerkennt – einer Philosophie, welche, weil sie sich nicht auf einen Verstand für sich selbst, auf einen absoluten, namenlosen Verstand, von dem man nicht weiß, wem er angehört, sondern auf den Verstand des – freilich nicht verspekulierten und verchristelten – Menschen stützt, auch die menschliche, nicht eine wesen- und namenlose Sprache spricht, ja welche, wie der Sache, so der Sprache nach, gerade das Wesen der Philosophie in die Negation der Philosophie setzt, d. h. nur die in succum et sanguinem vertierte, die Fleisch und Blut, die Mensch gewordene Philosophie für die wahre Philosophie erklärt und daher ihren höchsten Triumph darin findet, daß sie allen plumpen und verschulten Köpfen, welche in den Schein der Philosophie das Wesen der Philosophie setzen, gar nicht Philosophie zu sein scheint.

      Als ein Spezimen dieser Philosophie nun, welche nicht die Substanz Spinozas, nicht das Ich Kants und Fichtes, nicht die absolute Identität Schellings, nicht den absoluten Geist Hegels, kurz, kein abstraktes, nur gedachtes oder eingebildetes, sondern ein wirkliches oder vielmehr das allerwirklichste Wesen, das wahre Ens realissimum: den Menschen, also das positivste Realprinzip zu ihrem Prinzip hat, welche den Gedanken aus seinem Gegenteil, aus dem Stoffe, dem Wesen, den Sinnen erzeugt, sich zu ihrem Gegenstande erst sinnlich, d. i. leidend, rezeptiv verhält, ehe sie ihn denkend bestimmt, ist also meine Schrift – obwohl andrerseits das wahre, das Fleisch und Blut gewordne Resultat der bisherigen Philosophie – doch so wenig ein in die Kategorie der Spekulation zu stellendes Produkt, daß sie vielmehr das direkte Gegenteil, ja die Auflösung der Spekulation ist. Die Spekulation läßt die Religion nur sagen, was sie selbst gedacht und weit besser gesagt, als die Religion; sie bestimmt die Religion, ohne sich von ihr bestimmen zu lassen; sie kommt nicht aus sich heraus. Ich aber lasse die Religion sich selbst aussprechen; ich mache nur ihren Zuhörer und Dolmetscher, nicht ihren Souffleur. Nicht zu erfinden – zu entdecken, »Dasein zu enthüllen« war mein einziger Zweck; richtig zu sehen, mein einziges Bestreben. Nicht ich, die Religion betet den Menschen an, obgleich sie oder vielmehr die Theologie es leugnet; nicht meine Wenigkeit nur, die Religion selbst sagt: Gott ist Mensch, der Mensch Gott; nicht ich, die Religion selbst verleugnet und verneint den Gott, der nicht Mensch, sondern nur ein Ens rationis ist, indem sie Gott Mensch werden läßt und nun erst diesen menschlich gestalteten, menschlich fühlenden und gesinnten Gott zum Gegenstande ihrer Anbetung und Verehrung macht. Ich habe nur das Geheimnis der christlichen Religion verraten, nur entrissen dem widerspruchvollen Lug- und Truggewebe der Theologie – dadurch aber freilich ein wahres Sakrilegium begangen. Wenn daher meine Schrift negativ, irreligiös, atheistisch ist, so bedenke man, daß der Atheismus – im Sinne dieser Schrift wenigstens – das Geheimnis der Religion selbst ist, daß die Religion selbst zwar nicht auf der Oberfläche, aber im Grunde, zwar nicht in ihrer Meinung und Einbildung, aber in ihrem Herzen, ihrem wahren Wesen an nichts andres glaubt, als an die Wahrheit und Gottheit des menschlichen Wesens. Oder man beweise mir, daß sowohl die historischen als rationellen Argumente meiner Schrift falsch, unwahr sind – widerlege sie – aber ich bitte mir aus – nicht mit juristischen Injurien oder theologischen Jeremiaden oder abgedroschenen spekulativen Phrasen oder namenlosen Miserabilitäten, sondern mit Gründen, und zwar solchen Gründen, die ich nicht selbst bereits gründlichst widerlegt habe.

      Allerdings ist meine Schrift negativ, verneinend, aber, wohlgemerkt! nur gegen das unmenschliche, nicht gegen das menschliche Wesen der Religion. Sie zerfällt daher in zwei Teile, wovon der Hauptsache nach der erste der bejahende, der zweite – mit Inbegriff des Anhangs – nicht ganz, doch größtenteils – der verneinende ist; aber in beiden wird dasselbe bewiesen, nur auf verschiedene oder vielmehr entgegengesetzte Weise. Der erste ist nämlich die Auflösung der Religion in ihr Wesen, ihre Wahrheit, der zweite die Auflösung derselben in ihre Widersprüche; der erste Entwicklung, der zweite Polemik, jener daher der Natur der Sache nach ruhiger, dieser lebendiger. Gemach schreitet die Entwicklung vorwärts, aber rasch der Kampf, denn die Entwicklung ist auf jeder Station in sich befriedigt, aber der Kampf nur im letzten Ziele. Bedenklich ist die Entwicklung, aber resolut der Kampf. Licht erheischt die Entwicklung, aber Feuer der Kampf. Daher die Verschiedenheit der beiden Teile schon in formeller Beziehung. Im ersten Teile also zeige ich, daß der wahre Sinn der Theologie die Anthropologie ist, daß zwischen den Prädikaten des göttlichen und menschlichen Wesens, folglich – denn überall, wo die Prädikate, wie dies vor allem bei den theologischen der Fall ist, nicht zufällige Eigenschaften, Akzidenzen, sondern das Wesen des Subjekts ausdrücken, ist zwischen Prädikat und Subjekt kein Unterschied, kann das Prädikat an die Stelle des Subjekts gesetzt werden, weshalb ich verweise auf die Analytik des Aristoteles oder auch nur die Einleitung des Porphyrius – folglich auch zwischen dem göttlichen und menschlichen Subjekt oder Wesen kein Unterschied ist, daß sie identisch sind; im zweiten zeige ich dagegen, daß der Unterschied, der zwischen den theologischen und anthropologischen Prädikaten gemacht wird oder vielmehr gemacht werden soll, sich in Nichts, in Unsinn auflöst. Ein sinnfälliges Beispiel. Im ersten Teile beweise ich, daß der Sohn Gottes in der Religion wirklicher Sohn ist, Sohn Gottes in demselben Sinne, in welchem der Mensch Sohn des Menschen ist, und finde darin die Wahrheit, das Wesen der Religion, daß sie ein tiefmenschliches Verhältnis als ein göttliches Verhältnis erfaßt und bejaht; im zweiten dagegen, daß der Sohn Gottes – allerdings nicht unmittelbar in der Religion selbst, sondern in der Reflexion derselben über sich – nicht Sohn im natürlichen, menschlichen Sinn, sondern auf eine ganz andre, der Natur und Vernunft widersprechende, folglich sinn- und verstandlose Weise Sohn sei, und finde in dieser Verneinung des menschlichen Sinnes und Verstandes die Unwahrheit, das Negative der Religion. Der erste Teil ist demnach der direkte, der zweite der indirekte Beweis, daß die Theologie Anthropologie ist; der zweite führt daher notwendig auf den ersten zurück; er hat keine selbständige Bedeutung; er hat nur den Zweck zu beweisen, daß der Sinn, in welchem die Religion dort genommen worden ist, der richtige sein muß, weil der entgegengesetzte Sinn Unsinn ist. Kurz, im ersten Teile habe ich es hauptsächlich – hauptsächlich, sage ich, denn es war unvermeidlich, nicht in den ersten auch schon die Theologie, wie in den zweiten die Religion hineinzuziehen – mit der Religion zu tun, im zweiten mit der Theologie, aber nicht nur, wie man hier und da irrtümlich gemeint hat, mit der gemeinen Theologie, deren mir übrigens wohlbekannte Quisquilien ich vielmehr mir soviel als möglich vom Leibe hielt, mich überall nur auf die wesentlichste, die strengste, notwendigste Bestimmung des Gegenstandes beschränkend, wie z. B. bei den Sakramenten nur auf zwei, denn im strengsten Sinne (s. Luther T. XVII. p. 558 nach der zitierten Ausgabe) gibt es nur zwei, also auf die Bestimmung, welche einem Gegenstand allgemeines Interesse gibt, ihn über die beschränkte Sphäre der Theologie erhebt, sondern auch, was ja schon der bloße Augenschein zeigt, mit der spekulativen Theologie oder Philosophie. Mit der Theologie, sage ich, nicht mit den Theologen; denn ich kann überall nur fixieren, was prima causa ist – das Original, nicht die Kopie, Prinzipien, nicht Personen, Gattungen, aber nicht Individuen, Objekte der Geschichte, aber nicht Objekte der Chronique scandaleuse.

      Wenn meine Schrift nur den zweiten Teil enthielte, so hätte man allerdings vollkommen recht, derselben eine nur negative Tendenz vorzuwerfen – den Satz: die Religion ist Nichts, ist Unsinn, als den wesentlichen Inhalt derselben zu bezeichnen. Allein ich sage keineswegs: – wie leicht hätte ich es mir dann machen können! – Gott ist Nichts, die Trinität ist Nichts, das Wort Gottes ist Nichts usw., ich zeige nur, daß sie nicht Das sind, was sie in der Illusion der Theologie sind, – nicht ausländische, sondern einheimische Mysterien, die Mysterien der menschlichen Natur; ich zeige, daß die Religion das scheinbare, oberflächliche Wesen der Natur und Menschheit für ihr wahres, inneres Wesen nimmt und daher das wahre, esoterische Wesen derselben als ein andres, als ein besondres Wesen vorstellt, daß folglich die Religion in den Bestimmungen, die sie von Gott, z. B. vom Worte Gottes gibt – wenigstens in den Bestimmungen, welche keine negativen sind in dem eben angegebenen Sinne –, nur das wahre Wesen des menschlichen Wortes definiert oder vergegenständlicht. Der Vorwurf, daß nach meiner Schrift die Religion Unsinn, Nichts, pure Illusion sei, hätte nur dann Grund, wenn ihr zufolge auch Das, worauf ich die Religion zurückführe,


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