Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg. Sam Watkins

Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg - Sam Watkins


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Männer und piroutiert vorsichtig.“ Die Jungs „piroutierten“, so gut sie konnten. Auch wenn es ein neues Kommando war, das weder in Hardees noch in Scotts Taktiken stand, so sprach Lee doch einfaches Englisch und wir verstanden genau, was er wollte. Ich habe noch heute nicht den geringsten Zweifel, dass jeder Soldat, der das Kommando hörte, dachte, es sei ein gültiger und technischer Terminus, den ausgebildete Offiziere benutzten, wenn es darum ging, vorzurücken und eine Geschützbatterie zu erobern.

      An diesem Ort (Bath) sah ich auch, wie eine hübsche junge Dame über die Straße rannte. Ich habe in meinem Leben viele hübsche und schöne Damen gesehen, aber diese war die wunderschönste. Würdest du, geneigter Leser, einen Soldaten des 1. Tennessee-Regiments fragen, wo er die hübscheste Dame seines Lebens gesehen hat, so würde er ohne zu zögern antworten, er habe sie bei Berkeley Springs gesehen und er würde sogleich fortfahren und dir von Lee Bullocks Piroute und Stonewall Jacksons Sturmangriff erzählen.

      Wir stürmten den Berg hinab zu der Quelle, die ihm entsprang und sie war heiß genug, um ein Ei darin zu kochen. Niemals habe ich überraschtere Soldaten gesehen. Das Wasser war tatsächlich so heiß, dass man es nicht trinken konnte. Schnee bedeckte den Boden und noch immer schneite es. In dieser Nacht hatte ich zusammen mit einer Abteilung des 3. Arkansas-Regiments Postendienst am Potomac. Ich erinnere mich, dass ich Mitleid mit den armen Kerlen hatte, weil sie sich für die Dauer des Krieges verpflichtet hatten und wir uns nur für zwölf Monate. Vor Einbruch der Nacht sammelte ich meine Sachen ein und begann meinen ermüdenden Wachtdienst. Ich musste die ganze Nacht hindurch stehen. Ich konnte das Rumpeln der Unionsartillerie und der Wagen hören sowie das leise Schlurfen, das von marschierender Infanterie verursacht wird. Die Schneeflocken fielen so groß wie Gänseeier vom Himmel. Gegen Mitternacht stoppte der Schneefall und es wurde still. Hin und wieder fiel der Schnee von den Büschen und machte beunruhigende Geräusche. Während ich in die Dunkelheit starrte, erblickte ich plötzlich den Umriss eines Mannes. Je länger ich ihn anstarrte, desto sicherer wurde ich mir, dass er ein Wachtposten der Yankees sein musste. Ich konnte seinen Hut und seinen Mantel, ja sogar seine Muskete erkennen. Ich war mir sicher, dass es ein Yankeeposten sei. Was sollte ich tun? Die nächste Verstärkung war mehrere hundert Meter entfernt. Ich starrte weiter und wurde mir immer sicherer. Schließlich brach mir der kalte Schweiß aus. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich versuchte, mich zu beruhigen, nahm all meinen Mut zusammen und sagte: „Halt! Wer da?“ Als keine Antwort kam, wurde ich energisch. Ich wollte nicht schießen und somit das ganze Lager wecken, also eilte ich zum Feind und stieß mein Bajonett in ihn hinein. Es war ein Baumstumpf.

      Ich erzähle dieses Ereignis, da es einen Teil der Kriegserinnerungen vieler Soldaten darstellt. Es gewährt einen Einblick in die Nöte und das Leid, die ein Soldat durchleben musste.

      Eines der Geheimnisse von Stonewall Jacksons Erfolg war die Tatsache, dass er ein solch strenger Vorgesetzter war. Er selbst erfüllte seine Pflicht und war stets auf seinem Posten und er erwartete von jedem, das gleiche zu tun. Er ließ Männer aus geringfügigen Anlässen erschießen und manchmal auch ohne jeglichen Grund. Der erste Armeebefehl, der vor uns verlesen wurde, nachdem wir uns seinem Korps angeschlossen hatten, verkündete die Füsilierung von zwei Männern, die auf dem Schlachtfeld ihre Waffen niedergelegt hatten, um einen verwundeten Kameraden abzutransportieren. Der Befehl wurde verlesen, während wir bei Winchester in Kampflinie standen.

       Schwartz und Pfifer

      Bei Valley Mountain wurde an die Soldaten das beste und fetteste Rindfleisch ausgegeben, das ich jemals gesehen habe. Es war üblich, den Talg zum Braten zu verwenden. Talg eignete sich gut als Backfett, solange man die darin ausgebratene Teigmasse heiß aß. Wenn man sie kalt werden ließ, schmeckte man den starken Eigengeschmack des Talgs heraus und der war nicht gerade so köstlich wie Vanille- oder Zitroneneiscreme oder Erdbeeren. In Talg gebackener Teig war zu vergleichen mit einer Mahlzeit aus Opossum und Süßkartoffeln. Nun, Pfifer hatte das Fett aus zwei Nieren und Hinterschinken ergattert und daraus einen Talgkuchen von etwa 25 Pfund Gewicht geformt. Er verpackte ihn und verstaute ihn vorsichtig in seinem Tornister. Als das Signal zum Sammeln ertönte und wir unseren Marsch begannen, schnallte sich Pfifer seinen Tornister um. Er war sehr schwer, aber Pfifer war gut zu Fuß. Er dachte daran, wie er mit diesen 25 Pfund guten, fetten Talgs eine Menge leckerer Dinge braten könnte und er war willens, sich in Erwartung einer heißen Talgtunke zum Abendessen den ganzen Tag lang über matschige, schlechte Straßen zu quälen. Der Marsch war an diesem Tag lange und beschwerlich und gegen Abend schlugen wir unser Lager auf. Feuer wurden angezündet, Wasser wurde herbeigeschafft und die Soldaten begannen, ihr Abendessen zuzubereiten. Pfifer war guter Dinge. Er ging zu seinem Tornister, um die 25 Pfund guten, fetten Talgs zu holen. Er öffnete den Tornister, aber was sah er da?! Darin lag ein Steinbrocken, der etwa 30 Pfund schwer war. Pfifer war fassungslos vor Erstaunen. Er sah verwirrt, ja sogar ein wenig blöde aus der Wäsche. Ich glaube nicht, dass er fluchte, er hätte seinen Gefühlen mit Worten auch gar keinen Ausdruck verleihen können. Er blickte nur auf diesen Steinbrocken mit dem starren Blick eines zu Tode Betrübten. Sein Verdacht fiel auf Schwartz. Er ging zum Tornister von Schwartz und fand darin seinen Talgkuchen. Er fiel über Schwartz her und hätte ihn umgebracht, hätten nicht einige Soldaten eingegriffen und ihn gewaltsam weggezerrt. Seine Augen glänzten und sahen aus wie die Augen eines Tigers, der gerade seine Beute in Stücke gerissen hat. Nicht um all das Talg und all das Rindfleisch in Virginia hätte ich in der Haut von Schwartz stecken wollen. Hauptmann Harsch ließ Schwartz den Steinbrocken zwei Tage lang mit sich herumschleppen, um Pfifer zu besänftigen.

       Das Kriegsgericht

      Während ich noch in Virginia war, wurde ich Zeuge eines Vorfalls, der sich tief in mein Gedächtnis eingegraben hat. Eines Morgens gegen Tagesanbruch fand eine Wachablösung statt. Es war ein bitterkalter Morgen und als wir unsere äußerste Postenlinie erreichten, sah ich einen Soldaten – er war noch beinahe ein Kind – der entweder tot oder auf seinem Posten eingeschlafen war. Der Feldwebel, der die Ablösung kommandierte, ging zu ihm hin und schüttelte ihn. Er wachte sofort auf und schien sehr verängstigt zu sein. Er war auf seinem Posten eingeschlafen. Der Feldwebel ließ ihn festnehmen und einsperren. Zwei Tage später erhielt ich eine Nachricht, ich solle um 21.00 Uhr vor einem Kriegsgericht erscheinen. Ich sollte als Zeuge gegen den jungen Burschen aussagen, der angeklagt war, im Feindesland auf seinem Posten geschlafen zu haben. Man musste ein Exempel statuieren. Für ihn ging es um Leben und Tod. Das Kriegsgericht bestand aus sieben oder acht Offizieren aus jeweils verschiedenen Regimentern. Die Zeugen sagten alle gegen ihn aus, die Anklage und nähere Erläuterungen wurden verlesen und nach dem Kriegsrecht musste der Angeklagte füsiliert werden. Der Generalanwalt der Anklage hielt das Eröffnungsplädoyer. Er verlas das Gesetz auf klare, schnörkellose Weise und sagte, es sei für einen Soldaten das schlimmste und unverzeihlichste Vergehen, auf seinem Posten einzuschlafen, während er eine so große Verantwortung trug. Ich zitterte in meinen Stiefeln, denn ich erinnerte mich, dass auch ich schon einige Male auf meinem Wachtposten kurz eingenickt war, sogar auf dem äußersten Außenposten. Der Generalanwalt fuhr damit fort, dass der Wachtposten der Wächter sei, welcher das Leben seiner Landsleute und die Freiheit seiner Heimat in Händen hielte und dass es unwichtig sei, wie gut er sich in der Vergangenheit betragen habe. In diesem einen Augenblick habe er sein Leben verwirkt. Auch wenn man ansonsten Nachsicht üben wolle, um der Disziplin willen müssten sich die Mitglieder des Kriegsgerichts dazu entscheiden, ihn schuldig zu sprechen. „Es ist notwendig, dass Sie hart bleiben, Gentlemen, denn von Ihrer Entscheidung hängt die Sicherheit unseres Landes ab.“ Als der Ankläger fertig war, dachte ich: „So, das war’s! Noch heute werden wir hier ein Begräbnis haben.“

      Was seinen Verteidiger betrifft, so kann ich mich nicht mehr an den genauen Wortlaut seines Plädoyers erinnern, aber er zeichnete das Bild eines blonden Jungen, der sein Heim und seine Familie verlässt und sich von seinem Vater, seiner alten Mutter und seiner kleinen Schwester verabschiedet. Obgleich noch fast ein Kind, eilt er stolzen Schrittes zur Verteidigung seines Landes und seiner Lieben. Doch dann, in einem Moment der Schwäche, als die Natur, bereits über jegliche Grenzen menschlichen Durchhaltevermögens hinaus geprüft und beansprucht, ihr Recht einfordert und er auf einem ruhigen und stillen Posten steht, während die gesamte Armee in tiefem Schlummer liegt: wen kann es da verwundern, dass auch er während seines Postendienstes eingeschlafen ist. „Einige von Ihnen,


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