Amsterdam. Uwe Hammer

Amsterdam - Uwe Hammer


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wirklich verhindern zu können, dass in ihrer Stimme eine gewisse Aggression unüberhörbar war, antwortete Claudette.

      „Tu nicht so als wüsstest Du nicht um was es geht, du weißt genau, dass Du mir versprochen hast, mit mir auf die Gindelalm zu fahren“

      „Jetzt wo du es sagst, fällt es mir wieder ein“, gab Dieter eher kleinlaut zurück.

      Er kannte seine Frau nur zu gut, um nicht zu wissen, dass er aus dieser Nummer nicht rauskam, ohne einen riesigen Streit zu riskieren. Er könnte sich ohrfeigen für seine Dummheit, aber noch mehr könnte er den Idioten vom Wetterbericht in den Arsch treten. Deren äußerst negative Wettervorhersage hat ihn doch dazu verleitet, seiner Frau vorzumachen, er würde sich auf dieses verhasste Fahrrad setzen um mit ihr diesen noch viel mehr verhassten Berg hochzuradeln. War da nicht die Rede davon, dass über Nacht Regenwolken aufziehen, und es den ganzen Sonntag regnen würde.

      Dieter liebte verregnete Sonntage, an denen er faul auf der Couch herumlungern konnte, ohne dass seine Frau auf die Idee kam irgendwelche völlig sinnlosen sportlichen Aktionen im Freien zu veranstalten. Er wollte mal wieder besonders schlau sein, guten Willen zeigen, und jetzt hängt er hilflos wie ein halbes Schwein im Kühlhaus in seiner ach so genialen Idee. Dieser verdammte Himmel war strahlend blau, und nicht die Spur einer rettenden Wolke war zu erkennen. Schon im umdrehen sagt Claudette mit einer triumphierenden Stimme:

      „Dann ist ja gut, am besten Du machst Dich gleich geh bereit.“

      Bei dem Gedanken, sich auf diesem Fahrrad diesen Berg hochzuquälen, wurde es Dieter regelrecht übel, und das nicht zu Uunrecht. Bei seinem letzten Versuch musste er sich dermaßen verausgaben, dass er mitten auf den Weg gekotzt hat, selbstverständlich unter Beobachtung von allerlei durchaus sportbegeisterten Passanten, die wie seine Frau zu den wahnsinnigen zählen, die diesen Berg öfters und im Gegensatz zu ihm durchaus freiwillig hoch radelten, und natürlich seiner Frau größtenteils bekannt waren. Man kennt sich eben in diesen Kreisen. Fast als hätte sie seine Gedanken verfolgt rief seine Frau mit einem leicht gehässigen Unterton aus dem Schlafzimmer.

      „Und vergiss die Kotzbeutel nicht.“

      Dieter ersparte es sich, auf diese Bemerkung zu reagieren. Sport, aus Dieters Sicht eine Erfindung, deren einziger Sinn darin lag ihn zu Quälen. Wie sehr beneidete er seine Eltern in der guten alten Zeit, wo der normale gutbürgerliche Mensch niemals auf die Idee gekommen wäre, nur so aus Spaß sich in absolut lächerlicher Bekleidung auf eine Fahrrad zu setzen um einen Berg damit hochzuradeln, dessen Daseinsberechtigung einzig und allein darin bestand ruhig in der Gegend herum zu stehen und schön auszusehen. Er wurde mit Sicherheit nicht als Folterinstrument geschaffen. Schon als Kind, war Sport etwas, was er hasste.

      Der Sportunterricht an sich war schon eine Qual, und nicht selten Anlass für seine Mitschüler sich über ihn lustig zu machen. Aber am meisten hasste er Fußball, und vor allem, den unglücklichen Umstand, dass vor dem Spiel immer zwei seiner Klassenkameraden die Spieler der einzelnen Mannschaften wählen durften. Selbstverständlich wies der Sportlehrer Herr Humboldt, (Dieter wunderte sich, dass er sich ausgerechnet an dessen Name noch erinnern konnte) dieses Privileg immer den Schülern zu, deren sportliche Leistungen seiner Vorstellung entsprachen. Dieter zählte nun ganz gewiss nicht zu dieser Spezies.

      Traditionell lief eine solche Wahl, welche nach Dieters Auffassung gegen die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der menschlichen Würde verstieß, in der Form ab, dass die beiden Wahlberechtigten nacheinander einzelne Spieler auswählten, wobei selbstverständlich die Spieler welche das Fußballspiel am besten beherrschen als erstes gewählt wurden. In der Regel standen zu Schluss nur noch zwei Schüler zur Auswahl, er und Jochen, Pest oder Cholera.

      Zu Beginn wurde Dieter immer vor Jochen gewählt, was ihm zumindest ein wenig des Gefühl gab, kein völliger Versager zu sein. Doch eines Tages bemerkten seine Klassenkameraden, dass Jochen allein aufgrund seiner Körperfülle um nicht zu sagen seiner Fettleibigkeit, gar keinen schon schlechten Torwart abgab, was allein der Tatsache geschuldet war, dass sein Körper einen Großteil des Tores abdeckte. Dieter konnte sich nicht erinnern, von Jochen jemals eine Bewegung gesehen zu haben, die die Absicht erkennen ließ, einen aufs Tor zufliegenden Ball abzuwehren. Nichts desto trotz galt Jochen plötzlich als akzeptabler Torwart, und wurde von diesem Zeitpunkt immer vor ihm gewählt. Dieter war endgültig am untersten Ende der Nahrungskette angekommen.

      Ein wie so oft mit einem genervten Ton unterlegter Ruf seiner Frau riss Dieter aus seinen eher unangenehmen Erinnerungen.

      „Wo bleibst Du denn, wir wollen los? „

      Wobei sich das wie in diesem Fall ausschließlich auf ihre Person bezog.

      „Ich wollte nur noch etwas frühstücken“ gab Dieter eher kleinlaut zu Antwort.

      „Ach was, das kotzt du eh nur wieder raus“, gab seine Frau sichtlich amüsiert zur Antwort.

      „Essen kannst Du bei Georg, wenn wir angekommen sind“.

      Ohne Widerworte zu geben begab sich Dieter ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Claudette stand bereits fertig bekleidet in Flur. Sie hatte tatsächlich wieder diese abgrundtief hässlichen Fahrradklamotten an. Ausgerechnet seine Frau, die immer peinlich genau darauf achtet, adrett angezogen zu sein, die selbst zum Mülleimer raus bringen niemals ungeschminkt gehen würde, zieht ganz selbstverständlich zum Fahrradfahren diese Klamotten an. In denen sie aussah wie ein Clown in Unterwäsche. Man konnte ja über Claudette sagen was man wollte, aber sie war eine gutaussehende Frau, mit einer sportliche Figur und vor aller einem sehr wohlgeformten Hintern.

      Diese Radlerhosen jedoch verliehen ihrem Hintern die Form einer überdimensionalen Birne, und zu allem Überfluss steckte sie ihr knallgelbes Trikot auch noch in die Hose, um diesen Anblick noch zu untermauern. Dieter nahm eine seiner kurzen Hosen und ein T-Shirt aus dem Schrank, und zog seine inzwischen wahrscheinlich schon 5 Jahre alten Sportschuhe an, was seine Frau zum erstaunten Ausruf

      „Willst Du etwa so Fahrradfahren? “ verleitete.

      „Zu Thema Outfit solltest Du besser nichts sagen“ gab Dieter mit einem aggressiven Unterton zur Antwort.

      Zehn Minuten später saßen beide auf dem Fahrrad und radelten von Miesbach aus Richtung Hausham. In einem Anflug von Sportlerwahn hatte sich Dieter vor knapp einem Jahr eines dieser sündhaft teuren Superräder geleistet. Eigentlich wollte er ja ein E-Bike kaufen, aber Claudette war strikt dagegen, sie hielt es für peinlich und seinem Alten nicht angemessen, wobei sie zugab, dass wenn man seine sportliche Fitness und seine von Freude am Essen geprägte Figur als Maßstab heranzog, der Kauf eventuell doch in Betracht gezogen werden könnte.

      Also kaufte er ein Hightech Carbonrad, mit allem was gut und teuer ist, und gewann im Fahrradhändler einen neuen Freund. Seltsamerweise, wird ein solches Fahrrad umso teurer je wenig dran ist. Das neue Fahrrad war um fast 5kg leichter als sein altes, und der Fahrradhändler versuchte ihm weiszumachen, dass er nun erheblich leichter der Berg hochkommen würde.

      Bereits bei der ersten noch äußerst optimistisch begonnenen Tour musste Dieter jedoch feststellen, dass die Gewichtsreduzierung von 5kg im Bezug auf die Gesamtmasse, welche sich nun mal aus der Masse des Fahrrades und seiner eigenen, in diesem System maßgebenden Masse ergab, eher marginal war, und somit das Berg auffahren nicht wirklich erleichtert wurde. Subjektiv betrachtet waren Dieter und sein neues Rad kein wirklich harmonisches Gespann, sie passten von ihrem Wesen her einfach nicht zusammen. Und so fühlte sich Dieter auf seinem Rad auch eher wie ein Fremdkörper.

      Die Tour beginnt

      Zu Beginn war die Fahrt noch recht angenehm, da der Weg recht flach verlief und daher selbst für Dieter leicht zu bewältigen war. Aber Dieter wusste aus bitterer Erfahrung, dass das Grauen nicht mehr lange auf sich warten ließ. Bereits kurz nachdem sie auf die Fahrräder gestiegen waren, bemerkte Dieter, das Aufkommen einer leichten Bewölkung, wagte es aber nicht Claudette einen Abbruch der gerade begonnen Radtour vorzuschlagen. Jetzt wo sie in Hausham angekommen waren, war die Bewölkung bereits deutlich dichter.

      Claudette betrachtet den Himmel, sah aber


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