Genesis I. Alfred Broi

Genesis I - Alfred Broi


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Kabus zurück. „Festhalten!“

      Im selben Moment jagte die Maschine im Sturzflug auf den Boden zu, Kabus beschleunigte auf die Höchstgeschwindigkeit von mehr als vierhundert Meilen die Stunde, hielt den Kurs bis dicht vor einen, fast einhundert Meter hohen Felsbrocken, bevor er auswich und nur wenige Meter parallel zum Boden weiter dahin schoss.

      Doch der Feind ließ sich von diesem Manöver nur eine Sekunde ablenken, dann schloss er wieder auf, verkürzte die Entfernung zum Zielobjekt und feuerte kurz hintereinander vier Leuchtspurraketen ab.

      Kabus reagierte sofort, riss ihre Maschine in einen Zick-Zack-Kurs immer wieder dicht an die vor ihnen liegenden Felsen heran.

      Alle vier Geschosse verfehlten ihr Ziel nur knapp, brachten die Maschine zum Erzittern.

      „Gegenmaßnahmen!“ brüllte Kabus.

      „Eigene Zielerfassung ist aktiviert!“ erwiderte Biggs.

      „Raketen scharfmachen!“

      „Raketen sind scharf!“

      Kabus riss die Maschine nach links, pendelte sie aus, bis die Zielerfassung den Jäger im Fadenkreuz erfasst hatte.

      Im selben Moment schossen erneut ein halbes Dutzend Raketen auf sie zu, waren jedoch zu tief angesetzt und strichen unter ihnen hinweg.

      „Ziel erfasst!“ rief Biggs. „Feuer!“ Er drückte den Auslöser und sofort klinkte sich eine Rakete am Rumpf aus und raste auf ihren Gegner zu.

      Noch bevor sie ihn erreicht hatte, drückte Biggs ein zweites Mal ab.

      Und er sollte Recht behalten.

      Konnte ihr Gegner dem ersten Geschoss noch ausweichen, hatte er gegen das zweite keine Chance.

      Die Rakete erwischte seine linke Tragfläche, zerfetzte sie, der Pilot verlor die Kontrolle, der Jäger kippte seitlich weg und raste zu Boden, wo er augenblicklich auf den Felsen zerschellte und wuchtig explodierte.

      Die Pilotencrew jubelte kurz auf, doch dann ertönte erneut ein schriller Piepton.

      „Zwei Jäger auf drei Uhr!“ meldete Biggs sofort.

      „Wie weit noch?“ fragte Kabus.

      „Zwei Meilen!“

      Eine Sekunde später erzitterte ihre Maschine erneut wuchtig, als nur wenige Meter neben ihr eine Rakete detonierte.

      Kabus reagierte sofort, riss das Schiff schonungslos fast senkrecht in die Höhe, verringerte die Geschwindigkeit, ließ die Nase dann vornüber kippen.

      „Wasser voraus!“ meldete Biggs und am Horizont waren deutlich die Gischtkronen der Wellenkämme am Ufer des ekelhaft schmutzigen, braunen galpagischen Meeres zu erkennen.

      Kabus beschleunigte wieder auf Höchstgeschwindigkeit, hielt auf die letzte Felserhebung am Ende des Plateaus zu, hüpfte förmlich darüber hinweg und ging dann in den Sturzflug.

      „Eintrittsphase einleiten!“ befahl er.

      Jorik betätigte einige Schalter an seiner Konsole. „Eintritt vorbereitet!“

      Die Maschine wurde wenige Meter über der Wasseroberfläche abgefangen, dann in einen leichten Sinkflug mit Höchstgeschwindigkeit gebracht.

      Als die Entfernung weniger als fünf Meter betrug, wurden rechts und links der Maschine Wasserfontänen aufgewirbelt.

      Den beiden Jägern, die ihnen dicht gefolgt waren, wurde so für Sekunden die Sicht genommen.

      Instinktiv gaben sie noch ihre Raketen frei, doch trafen sie die Maschine des Gegners nicht.

      Stattdessen verriss der Pilot des führenden Jägers sein Steuer und er krachte auf die Wasseroberfläche.

      Bevor er in einem gleißenden Feuerball explodierte, konnte sein Hintermann gerade noch ausweichen und seinen Jäger in die Höhe reißen.

      Dadurch kam er zwar mit dem Leben davon, hatte aber den Kontakt zum Feind verloren. So konnte er nicht verhindern, dass das Flugboot beinahe sanft in das Wasser eindrang und verschwand, ohne dabei langsamer werden zu müssen.

      Kabus drosselte die Geschwindigkeit behutsam auf etwa hundertdreißig Meilen die Stunde.

      „Höhenruder zehn Grad. Auspendeln in sechshundert Fuß!“

      „Ey, Captain!“ erwiderte Jorik.

      „Passivsonar aktivieren!“

      „Passivsonar ist aktiviert!“ Biggs hatte den entsprechenden Schalter betätigt.

      „Geschwindigkeit neunzig Knoten!“

      „Schiff ausgependelt in sechshundert Fuß!“ gab Jorik zu verstehen.

      „Alles klar!“ Kabus atmete hörbar aus. „Lehnt euch zurück Leute und entspannt euch. Wir haben es überstanden. Geschätzte Ankunftszeit?“

      „In zehn Minuten. Gerade Zeit für eine Pinkelpause!“

      ¤

      Verdammt, sie hatten es wieder einmal geschafft.

      Waren den Jägern des Feindes entkommen und jetzt hier in den unendlichen Weiten der Meere in Sicherheit.

      Und vor ihnen tat sich im Licht der vier leistungsstarken Scheinwerfer eine einstmals faszinierende, jetzt nur noch zerstörte, trostlose Unterwasserwelt auf, die irrsinnig schnell an ihnen vorbeischoss, dass das Auge kaum mehr als eine dunkle Brühe erkennen konnte.

      So konnte Jorik tatsächlich so etwas wie entspannen, bevor Kabus die Geschwindigkeit auf unter zwanzig Knoten drosselte und sich vor ihnen eine fast senkrechte Felswand auftat, die zur kimurischen Steilküste gehörte, der sie sich jetzt näherten.

      Unterhalb des Meeresspiegels war hier eine Fahrrinne geschaffen worden, die sie tief in das Felsgestein führte, wo sie die Wasseroberfläche wieder durchbrachen und in einer riesigen Grotte das Boot anlegen konnten.

      ¤

      Als Jorik das Boot verließ, hatte er Danksagungen einiger Überlebender in den Ohren, doch überwiegte in ihm noch immer der Schock über den Tod der jungen Frau.

      Aber er durfte seine Empfindungen nicht zeigen. Nicht hier und nicht jetzt.

      Später, wenn er allein war, würde er weinen, wie so oft. Weinen um seine Freunde, die er verloren hatte, weinen um das Leiden seines ganzen Volkes – weinen um seine eigenen, schrecklichen Verluste.

      Oh, tief in seinem Inneren hasste er Gewalt und Jorik hätte sich nie träumen lassen, das er einmal einer der Anführer seiner Rasse in diesem widerlichen Krieg werden würde.

      Und doch gehörte er unmissverständlich zu den besten und tapfersten Kämpfern, die den Leuten einen Funken Hoffnung in dieser ansonsten schrecklichen Welt gaben.

      Und um diese Hoffnung weiterhin aufrecht zu erhalten, galt es immer wieder dort hinauszugehen und die dem Feind noch immer schutzlos ausgelieferte Mehrheit seines Volkes in den Schutz der Meere zu führen.

      Hierfür war eine Lagebesprechung angesetzt worden, wo er mit seinen Männern die weitere Vorgehensweise für den morgigen Tag festlegen wollte.

      Sein Weg führte ihn deshalb aus der Grotte in einen Gang zum hinteren Ende ihres Unterschlupfs.

      Während er zügig voranschritt, versuchte er etwas durchzuatmen, um genügend Kraft zu haben, um seine Männer gleich entsprechend zu motivieren.

      Doch er kam nicht weit.

      Schon hinter der ersten Biegung wurde sein Blick beinahe magisch von einer kleinen Gruppe Kindern, alle zwischen sechs und vierzehn Jahre alt, angezogen.

      Die armseligen mageren Gestalten in ihren zerlumpten Kleidern und den so traurig blickenden, großen Augen saßen um ein kleines Lagerfeuer herum und aßen gierig die wenige Nahrung, die ihnen dieser geknechtete Planet noch geben konnte.

      Und


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