Feuerblüte III. Катя Брандис
komme schon klar“, versicherte ihm Rena, obwohl ihr beim Gedanken, allein zu reisen, nicht ganz wohl war. Was, wenn sie einen Rückfall hatte?
„Weißt du was – Ruki könnte mit dir kommen“, schlug Tjeri vor. „Er kann mir oder einem anderen deiner Freunde schnell Bescheid geben, falls du in Schwierigkeiten gerätst.“
Rena lächelte. „Gute Idee.“ Ruki, ein Storchenmensch, hatte sie bei ihrer Reise zum Smaragdgarten begleitet. Damals war er ein kleiner, fetter Außenseiter gewesen, den seine Sippe verstoßen hatte. Nach der Reise mit ihr hatte er im Grasmeer neue Gefährten gefunden. Inzwischen war er längst ausgewachsen und arbeitete hin und wieder als fliegender Kundschafter und Bote im Dienst des Rates.
Keine drei Tage später – es war ein windiger, regnerischer Tag – landete jemand vor ihrem Haus. Er schüttelte lautstark seine nassen Federn und hob abwechselnd die Klauenfüße, wenn mal wieder eine Welle den Steg überspülte. „Alles nass, nass, nass!“
„Ruki! Sag bloß, du hast dich immer noch nicht ans Wasser gewöhnt!“ Lachend umarmte Rena ihren alten Freund. Seidig-glatt fühlten sich die großen schwarz-weißen Schwungfedern seiner Arme an, als er sie an sich drückte. Inzwischen überragte er sie und sie musste zu ihm aufblicken, wenn sie ihm ins Gesicht sehen wollte. Wirklich dürr – so wie die anderen Storchenmenschen – war er nie geworden, aber seine Flugmuskeln schienen kräftig genug, das auszugleichen.
„Iich habe eiine Nachricht für diich, Rena“, verkündete er stolz und zog ein Pergament hervor. Neugierig rollte Rena die Nachricht auseinander. Sie war von Alena. Schnell überflog Rena die wenigen Zeilen.
„Sie reisen gerade nach Nerada, dort darf sich Jorak dem Hohen Rat der Luft-Gilde vorstellen“, berichtete Rena ihrem Gefährten. „Ich wünsche ihm so sehr, dass er wirklich von einer Gilde aufgenommen wird!“
„Eher wird der Regen von unten nach oben fallen, fürchte ich“, sagte Tjeri. „Aber ich wünsche ihm auch, dass es klappt. Wenn wir Kinder gehabt hätten, wären sie heute wahrscheinlich in der gleichen Lage wie er.“
Rena verzog das Gesicht. „Ja. Leider denken noch viel zu viele Leute, dass Schlamm rauskommt, wenn sich Erd- und Wassergilde vermischen.“
Sie kannte Alena schon von Kindheit an, ihre Mutter Alix war Renas beste Freundin gewesen. Doch wirklich befreundet waren sie und Alena erst seit einem Winter, seit ihren Erlebnissen in Ekaterin. Auch Tjeri verstand sich gut mit ihr und Jorak. Als die beiden zu Besuch im Seenland gewesen waren, hatte er sie zwar nicht zu einem Bad im See überreden können. Dafür hatte er ihnen ein paar Tricks beigebracht, wie man beim Tauchen länger die Luft anhalten konnte. Also genau das, was jemand wissen musste, der die meiste Zeit in einer Wüste lebte.
Rena war gespannt, wann sie und Alena sich wiedersehen würden. Vielleicht schon bald? Das Schicksal würde es zeigen.
Der Geschichtenerzähler
Alena stieg vorsichtig über einen toten Vogel hinweg, der mitten auf dem Pfad lag, und spähte voraus. „Da hinten wird es heller. Sieht so aus, als wäre der Wald dort zu Ende.“
Kurz darauf brach der Weg ab. Der Anblick, der sich ihnen bot, machte sie stumm vor Staunen. Vor ihnen erstreckte sich ein Wald ganz anderer Art. Die Morgensonne schien durch unzählige, fast durchsichtige Stämme hindurch. „Ein Wald aus Glas“, flüsterte Jorak. „Wunderschön ...“
Alena nickte und sah sich fasziniert um. Dünn waren sie, diese Bäume, lang und gerade wie Lanzen. Nur wenige waren überhaupt so dick wie Alenas Handgelenk, bei dieser Sorte war das Glas leicht trübe. Es gab alle Farbvarianten, von farblos bis zu einem zarten Rosa, Gelb oder Blau. Das Licht brach sich in den Glasstäben, zeichnete eigenartige Linien auf den Boden. So dünn die Gebilde auch waren, sie schienen so hoch zu sein wie normale Bäume. Weit, weit oben konnte man, wenn man genau hinsah, winziges, durchscheinendes Blattwerk erkennen. Seitenäste sah Alena gar keine.
Bei aller Schönheit dieses Waldes – Alena fand ihn auch unheimlich. Sie musste an die Vögel denken, die in dieser Gegend den Tod gefunden hatten. Wahrscheinlich, weil sie die durchscheinenden Stämme nicht gesehen hatten und dagegen geflogen waren. Verletzt hatten sie dann versucht zu fliehen. „Erkennst du irgendeinen Pfad?“, fragte sie Jorak, doch ihr Freund schüttelte den Kopf.
„Fürchte, wir müssen uns einen Weg mitten durch bahnen. Vielleicht sollten wir besser zurückgehen? Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir hier weiterkommen, ohne eine Menge kaputtzumachen. Und das wäre wirklich eine Schande.“
Alena musste ihm recht geben. „Aber zurückzugehen bringt auch nichts, wir würden uns nur verirren. Lass es uns mal mit dem Glaswald versuchen. Wir müssen eben vorsichtig sein.“
Cchraskar schnupperte an einem Baum, streckte dann die Zunge heraus und leckte daran. „Ccriecht nach nix, schmecckt nach nix“, stellte er enttäuscht fest. Er inspizierte den Boden und verzog das Gesicht, als er feststellte, dass hier an nicht wenigen Stellen Scherben lagen, die Reste von gesplitterten Stämmen. Alena opferte eine Ersatztunika und half ihm seine Pfotenhände mit dem Stoff zu umwickeln. Das war zwar kein echter Schutz, aber besser als nichts.
Alena übernahm die Führung. Vorsichtig schob sie sich zwischen den dünnen Stämmen hindurch, versuchte auf dem Boden irgendeinen Pfad oder Fußspuren zu erkennen. Vergeblich.
Es war Übungssache, sich zwischen den Glasbäumen hindurchzuwinden – zum Glück standen sie nicht allzu eng, immer war ein paar Fußbreit Platz zwischen ihnen. Es half, dass die Sonne schien, dadurch sah man die Stämme besser. Doch dann prallte Alena mit dem Gesicht gegen etwas Hartes und hörte ein scharfes, trockenes Knacken. „Au! Habe ich einen Baum abgebrochen?“ Aber wo war das Ding? Sie sah nichts!
Jorak riss sie zurück, zu sich hin. Instinktiv drehte Alena sich herum und barg das Gesicht an seiner Brust. Doch das gläserne Klirren hörte sie trotzdem. Ein Klirren, das schnell zu einem Splittern wurde. Cchraskar jaulte auf, und kurz darauf zuckte auch Alena zusammen, als sie einen scharfen Schmerz im Rücken spürte.
Irgendwann war es vorbei. Vorsichtig richteten sie sich auf und musterten grimmig die Reste des Baumes um sie herum. Er war nur fingerdick gewesen und so durchsichtig, dass die Bruchstücke selbst jetzt kaum zu sehen waren.
Sie zogen sich gegenseitig die Splitter heraus. Alena hatte etwas am Rücken abbekommen und Jorak am Kopf; zum Glück waren die Wunden nicht tief und hörten schnell auf zu bluten.
„Der Baum muss ein ganz junges Exemplar gewesen sein“, stellte Jorak fest; seine Stimme klang zittrig. „Die sind anscheinend noch nicht trübe, sodass man sie kaum sieht. Beim Nordwind, wenn man gegen so ein Ding stößt, dann kommt es auf einen herunter wie eine Lanze!“
Es half nichts, sie mussten weiter. Vorsichtig tasteten sie mit den Händen voran, immer darauf gefasst, auf einen der fast unsichtbaren Stäbe zu stoßen, ständig in der Angst, einen der größeren Bäume zu beschädigen, der dann alle anderen Lanzen in der Umgebung auf sie herunterreißen würde. Tiere sah Alena keine, von Menschen ganz zu schweigen. In diesem Wald schien nichts zu leben – nur ein paar Insekten bemerkten sie, auch sie waren durchsichtig. In ihren winzigen Körpern konnte Alena die Organe pulsieren sehen.
Es dauerte drei Tage, bis sie völlig erschöpft, verschwitzt und dreckig aus dem Glaswald herausstolperten.
Ungläubig sahen sie einen Ort vor sich, einen ganz normalen Ort der Erd-Gilde, in dem Menschen zwischen grün bewachsenen Erdhäusern hindurch schlenderten, unter freiem Himmel einen Baumstamm bearbeiteten, einen Hirschmenschen mit frischen Karededa-Wurzeln belohnten und Steinplatten von einem Wagen luden. Am liebsten hätte sich Alena einfach fallenlassen und auf diesem saftigen Gras ausgestreckt. Im Glaswald hatte es kaum einen Platz gegeben, an dem man liegen konnte, und so hatten sie nur wenig Schlaf bekommen.
Alena war zu müde, um so zu tun, als würde sie Jorak nicht kennen, als würde sie nicht mit ihm zusammen reisen. Außerdem widerstrebte ihr das im tiefsten Herzen. Sollen sie uns doch verpetzen, wenn sie wollen, dachte sie trotzig.
Als die