SPQR - Der Fluch der Mumie. Norbert Wibben

SPQR - Der Fluch der Mumie - Norbert Wibben


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des im Traum Gejagten, ist unverändert bei fünf Jahren geblieben. Das deutet darauf hin, dass ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis der Grund für das Erscheinen dieser Bilder ist. Doch was mag das gewesen sein? Die Gegend, in der der Verfolgte vor der Mumie zu fliehen versucht, kommt dem Jugendlichen heimatlich vor. Ob das daran liegen mag, dass er sie inzwischen vielleicht doch unzählige Male gesehen hat? Oder ist die Ursache einfach darin zu sehen, dass er aus Ägypten stammt und sich die Sequenz offensichtlich in einem nordafrikanischen Land abspielt?

      Der Jugendliche schließt die Augen und sieht erneut die Bildersequenz in seinem Kopf. Er stellt erschauernd fest, dass der Verfolger allmählich aufholt. Wie soll er ihm entkommen können?

      Der Wüstensand behindert ihn in seiner Flucht. Wird er seinen schwindenden Vorsprung wieder ausbauen können, sobald er nur erst die große Düne erklommen hat?

      Der Jugendliche sieht im Traum die nächstfolgenden Bilder voraus. Doch obwohl er dadurch die kommende Situation vorausahnt, kann er deren Verlauf nicht beeinflussen. Deshalb gibt der heiße Sand wie stets zuvor unter den Füßen des Jungen nach. Die Sandalen finden keinen Halt in dem pulverigen Untergrund. Er rutscht langsam und beständig zurück. Wird die Mumie ihn in wenigen Momenten zu fassen bekommen?

      Voller Zuversicht frohlockt diese: »Jetzt habe ich dich!«

      Im gleichen Augenblick, da ihre weit vorgestreckten Hände gierig nach dem Verfolgten greifen, beginnt die Gestalt jedoch zu straucheln und rollt die Sanddüne hinab. Der Junge wendet sich erleichtert ab. Er versucht sein Heil auf allen vieren und gelangt auf diese Weise mühsam, aber schließlich erfolgreich, bis zur Kuppe hinauf. Aufatmend wirft er einen Blick zurück. Doch wohin er auch schaut, die grässliche Mumie ist nirgends zu entdecken.

      Sollte die Nutzung des Kontaktformulars durch Luke sozusagen einen Damm gebrochen haben? Dass innerhalb weniger Stunden eine weitere Aufgabe für die jungen Detektive eintrifft, muss jedoch Zufall sein. Wenn es denn überhaupt eine ernst gemeinte Anfrage ist.

      »Welche Personenangaben sind gemacht worden?« Der Junge interessiert sich insbesondere für die sachlichen Fakten. »Sollte das ein Joke sein, wird dort vermutlich »Mister X« oder Ähnliches stehen. Oh, es wurde tatsächlich eine E-Mail-Adresse eingetragen. Ob die wohl funktionieren wird? Hier steht lediglich [email protected]

      »Ach wie witzig!« Britta zeigt ihren Ärger offen. Sie hatte gehofft, endlich eine neue Herausforderung zu erhalten. Und nun dieses! »Das ist offensichtlich ein Jux! Wir hätten in dem Formular doch auf die Angabe des Namens und des Wohnortes, sogar noch besser, auf sämtliche Daten einer Postanschrift bestehen sollen.«

      »Das ist heutzutage antiquiert. Eine E-Mail-Adresse reicht zur Kontaktaufnahme völlig aus. Darüber können wir bei Bedarf alles Weitere erfragen. Außerdem könnten auch die von dir genannten Informationen durch unsinnige oder falsche Eingaben gefüllt werden. Was würde uns das helfen?«, verteidigt Emma den Aufbau des Formulars. »Je weniger eingegeben werden muss, desto einfacher kann eine Anfrage bei uns eintreffen.«

      »Können wir denn herausbekommen, wer der reale Absender ist?«, versucht Britta einzulenken.

      »Wir antworten an die E-Mail-Adresse«, entgegnet Luke, »und fragen nach diesen Details. Dass sich jemand mit Alpträumen an uns wendet, klingt nicht logisch. Ich würde mich wegen externer Hilfe eher an einen Arzt oder Psychologen wenden.«

      Er schaut Emma fragend an, die seltsamerweise wie abwesend wirkt. Die Freundin rüttelt sie kurz an der Schulter.

      »Was?«, entgegnet diese auffahrend. »Warum schüttelst du mich?«

      »Hast du nicht mitbekommen, welche E-Mail-Adresse …«

      »Das habe ich durchaus«, wird sie unterbrochen. »Ein Teil davon erinnerte an meine Reise mit den Eltern nach Ägypten.«

      »Du meinst bestimmt Tutanchamun, den altägyptischen Herrscher«, springt Luke ihr zur Seite. »An den musste ich jedenfalls unwillkürlich denken.«

      »Auf ihn scheint ein Teil der E-Mail-Adresse hinzuweisen«, stimmt Emma zu. »Obwohl »Anwarwenn« eher nicht dazu passen wird. Anwar ist zwar ein üblicher Vorname in den Ländern Nordafrikas, doch »Wenn« ist kaum ein aus der Region stammender Familienname, oder sollte das ein zusammenhängender Name sein?«

      Sie verstummt und die Freunde schauen sie abwartend an. Sie hoffen, den Grund für ihre Nachdenklichkeit genannt zu bekommen. In den Weihnachtsferien war Emma mit ihren Eltern Aurelia und Siegfried nach Ägypten geflogen. Dort hatten sie die Ausgrabungsstätten im berühmten Tal der Könige besucht. Die Mutter ist Ägyptologin und der Vater Kenner der Jungsteinzeit. Sie wollten ihre Tochter durch Erfahrungen vor Ort für ihren Beruf begeistern, wie diese ihren Freunden erläutert hatte. Was mag es auf der Reise gegeben haben, dass einen Bezug zu der angegebenen E-Mail-Adresse im Kontaktformular herstellt?

      Irgendeinen besonderen Grund muss es geben, weshalb Emma völlig untypisch noch immer in Gedanken versunken ist. Da ihre Freundin weiterhin grübelt, lesen Britta und Luke den erläuternden Text aus dem Formular durch.

      »Seit Jahren durchwandere ich in unregelmäßigen Abständen in einem Alptraum eine Sandwüste. Ich spüre plötzlich, verfolgt zu werden. Wenn ich mich umdrehe, entdecke ich eine lebende Mumie. Sie ruft mir unsinnige Aufforderungen zu, nach denen ich ihr etwas gestohlen haben soll. Ich will voller Panik fliehen und beginne, eine große Düne auf Händen und Füßen hinaufzukrabbeln. Oben angekommen, ist mein Verfolger verschwunden.

      SPQR, ich weiß nicht, wodurch diese Träume ausgelöst werden. Rettet mich!«

      »Das klingt, als wäre es einem Drehbuch für einen Horrorfilm entnommen«, beginnt Luke nachdenklich. »Ob uns vielleicht Edgar Poh, der Regisseur des hier im vorigen Jahr gedrehten Gruselfilms, einen Streich spielen will? Womöglich ist das ein Versuch, Emma für eine Filmrolle in einem weiteren Projekt zu gewinnen?«

      »Ein derartiges Verhalten würde ich schon eher dieser Schauspielerin Emilia Romana zutrauen, um unsere Freundin von der Übernahme einer neuen Rolle abzuhalten. Sie schien auf ihre Fähigkeiten und die erlangte Aufmerksamkeit des Regisseurs eifersüchtig zu sein. Nein, das passt wohl nicht! Es könnte allerdings zu einem Streich von Mitschülern aus der Parallelklasse passen. Besonders Albert Schramm und sein Freund Ferdinand Krum könnten sich für ihren vermeintlich zu Unrecht erhaltenen zweiten Platz rächen wollen. Ihnen traue ich es zu, dass sie versuchen, uns auf diese Weise hereinzulegen.«

      Emma vernimmt die Worte, ohne aber ihren Sinn zu erfassen. Ihre Gedanken beschäftigen sich noch immer mit den Ereignissen der Ägypten-Reise, so dass sie den geäußerten Vermutungen nicht folgt. Sie schreckt heftig zusammen, weil in diesem Augenblick die Pausenglocke alle Schüler zum Unterricht ruft. Auf eine Erklärung für ihr Verhalten müssen die Freunde bis zum Schulschluss nach weiteren zwei Stunden warten.

      Als sie schließlich das Gebäude verlassen, will Emma jedoch nicht sagen, worüber sie gegrübelt hat. Sie möchte vorher zuhause etwas überprüfen. Sie verweist darum auf einen späteren Zeitpunkt. Die Freunde verabreden sich für den Nachmittag in Remus‘ Prätorium.

      Die Erwähnung des Kolkraben lässt Britta und den Jungen verstummen. Ihre Gedanken richten sich sofort auf mögliche Gründe für dessen Verschwinden.

      »Die Sorge um Remus ist vermutlich überflüssig«, versucht Emma die anderen aufzumuntern. »Luke, ich gehe davon aus, dass dich unser gefiederter Freund bei der Heimkehr begrüßen wird. Du informierst uns sofort, versprochen?«

      »Selbstverständlich«, entgegnet der Junge. »Falls das aber nicht zutrifft, werde ich über E-Mail Kontakt zu Hiram Paltow aufnehmen.«

      »Dieser freundliche Besitzer des Vogelparks wird uns sicher helfen!«, ist Britta überzeugt. »Ich hoffe, dass Remus bei ihm untergeschlüpft ist, falls er sich womöglich von uns vernachlässigt fühlt.«

      Luke starrt sie erschrocken an.

      »Glaubst du das wirklich?«

      Das Mädchen grinst verlegen und versucht ihn zu


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