Keine normale Liebe. Robert Mirco Tollkien
ein gellender, gurgelnder Schrei, trifft auf die kahlen, weißen Wände des Korridors, um von diesen zurückgeworfen zu werden.
Weil er weiß, dass es nun vorbei ist, lässt der Terrafine von ihm ab. Der Major sackt langsam in die Knie. Noch einmal flackert die Luft unterhalb der Korridordecke kurz auf, bevor das Energiewesen das Sternenschiff verlässt und in den Weiten des Alls verschwindet.
Der Tod streckt allmählich seine kalten Hände nach dem Major aus, nimmt ihn aber noch nicht mit sich.
Ein schriller Alarmton schallt durch das Schiff und signalisiert, dass das manövrierunfähige Objekt nun in eine Zone größter Gefahr trudelt.
Der Todesengel schafft es tatsächlich, sich noch einmal aufzurappeln. An die Wände gestützt taumelt er in Richtung Brücke, passiert dabei auf seinem Weg Türen, die sich von allein unter zischenden Lauten öffnen. Rauchschwaden, ätzend im Geruch, hüllen die Schaltzentrale ein. In Trümmern liegen jene Musikinstrumente und geometrischen Figuren, welche die Krümmung von Raum und Zeit sowie das Navigieren quer durch den Kosmos ermöglichen.
Kurz inne hält der Major, um seine letzten Kräfte zu mobilisieren, und schleppt sich hin zu seinem Kommandoplatz. Er kommt an zwei Leichen vorbei, die verkrümmt, im Tode erstarrt auf dem kalten, grauen Kunststoffboden liegen. Es sind große, kakerlakenartige Kreaturen in weißen Uniformen und mit den Diensträngen von Leutnanten; seine Besatzung, längst durch den Terrafinen zur Strecke gebracht.
Am Ziel des qualvollen Weges stehen drei schwarze Drehsessel vor einem großen, keilförmigen Fenster. Der mittlere Stuhl ist der seinige. Schwer sackt der Major in diesen hinein und blickt hinaus, nachdem der nervtötende Warnton deaktiviert wurde.
Nun wird klar, warum das Alarmsystem ausgelöst ward von jenem Quantencomputergehirn, welches dem navigationslosen Schiff geblieben ist. Der sterbende Kubus torkelt mehr, als dass er noch fliegt, auf das Schwerefeld eines Pulsars zu. Der blaue, genau getaktete Schein der rasch rotierenden Sternenleiche zuckt in regelmäßigen Abständen durch die große Scheibe und über die Brücke hinweg. Des Todesengels Augen schützen sich vor diesen blendenden Blitzen anstatt mit dem Schließen von Lidern durch eine Verfärbung der Facetten ins Tiefviolette hinein, während das noch immer tadellos arbeitende Schild des Sternenkreuzers die tödliche Strahlung neutralisiert. Doch der Punkt ohne Wiederkehr wird schon bald erreicht sein; dann ist dieses Schiff, sein Schiff, den Gravitationskräften der gestorbenen, ehemals gigantischen Sonne bedingungslos ausgeliefert, was dem Major allemal angenehmer erscheint, als den Zorn der Pyramidenkreatur zu spüren zu bekommen.
Nun packen die beinahe gewaltigsten Kräfte der Natur den Kubus. Knarrende Laute vernimmt der Major, denen ein heftiges Krachen auf dem Fuß folgt und dann geschieht es. Den einst so gewaltigen Bomber zerlegt die Gravitation in seine Bestandteile, welche im Anschluss wiederum für sich bersten. Man kann es gut mit Keksen vergleichen, die ein Choleriker gewaltsam durch ein grobes Sieb schüttelt. Der Schrott aus wertvollen, teilweise für den Menschen unbekannten Materialien bildet eine finstere, bogenförmige Kette zu auf den rotierenden Neutronenstern. Das blaue Licht sorgt für schwache Reflexionen auf den dunklen Teilen.
Der Todesengel fühlt, dass selbst die Atome seines Körpers sich gewaltsam dehnen. Durch das All zwischen den Trümmern rast er dahin und wird einem Spaghetti dabei immer ähnlicher, um endlich in winzig kleine Fetzen gerissen zu werden. Der Schmerz, den er dabei verspürt, füllt das gesamte Universum aus und er ersehnt die Erlösung durch den Tod. Aber ganz anders kommt es. Denn der Schmerz erlischt nach einer gefühlten Ewigkeit, doch das Bewusstsein lebt fort und zwar in jedem einzelnen Atom seines Wesens. Zudem können die Abermilliarden Überreste des Majors sehen. Sie sehen, wie der Todesengelrest mit unvorstellbarer Geschwindigkeit hinabrast auf die kleine, rotierende Kugel, welche ein ungesunder, blauer Schimmer umgibt. Ihre Atmosphäre besitzt plasmatische Beschaffenheit und lediglich wenige Millimeter Mächtigkeit, was ebenfalls für die Eisenkugel selbst gilt; hier ist alles topfeben.
Den Aufprall spürt der Todesengel nicht, denn sämtliche Empfindungen sind gestorben, wahrscheinlich zerstört durch die giftige Strahlung des extremen, kosmischen Objektes. Dafür führt der sichtbare Weg hinein in den Neutronenstern und in eine dichte Welt voller kubischer Eisenkristalle, die für den zigfachen Major gigantisch gleich Wohnblöcken von Riesen wirken, und von innen heraus bläulich-nebelig erstrahlen. Dazu kommt in derselben Farbe das Todeslicht der Sternenleiche von allen Seiten. Nun bemerkt der Major, dass sich seine Atome mit denen des Sternenschiffes vereinen, verschmelzen, fusionieren. Auch Teile des Pulsars gelangen dazu.
Die Reise hinein in den Neutronenstern geht unvermindert weiter.
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