Genesis VI. Alfred Broi
zu verhindern, dass man dort Wind von der Aktion bekam und womöglich einen verdammten Funkspruch absetzen konnte. Mit flinken Schritten durchquerte er das Schott, das ins Mittelschiff führte. Schnell, aber lautlos blickte er sich um, doch er konnte Niemanden sehen. Seine Hoffnung, dass das Boot nur mit kleiner Besatzung geflogen war, schien sich zu bewahrheiten. Somit rechnete er im Cockpit mit maximal vier weiteren Männern. Den Überraschungseffekt und konsequente Härte vorausgesetzt, sollte er sie überwältigen können.
In Gedanken focht er den Kampf dort auch schon aus und spürte plötzlich beim nächsten Schritt die Kälte von Stahl in seinem Nacken, begleitet von den Worten. „Keinen Schritt weiter!“
Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn alles glattgegangen wäre!
Mavis hob seine Hände an und ließ dabei seine Waffe fallen. Während er sich langsam umdrehte, zwang er sich zur Ruhe und Konzentration, denn natürlich war er nicht gewillt, sich wirklich aufhalten zu lassen.
Doch Yunok war nicht so dumm, wie Mavis hoffte. Während sich der Commander umdrehte, riss er seine Pistole in die Höhe. Er wollte Mavis mit dem Knauf gegen die Stirn schlagen, um ihn auszuschalten, zögerte jedoch solange damit, um ihm dabei in die Augen sehen zu können. Für einen winzigen Moment war er dann überrascht, weil ihm klar wurde, dass er sich einen Verräter anders vorgestellt hatte, als den Mann, den er jetzt vor sich hatte. Plötzlich war hinter ihm ein knarrendes Geräusch zu hören. Augenblicklich zeigte sich in Mavis Blick Überraschung, gefolgt von einem lockeren „Hey!“, gerichtet an Jemanden schräg hinter Yunok. Das irritierte den Lieutenant. Er stoppte seinen Schlag und sein Kopf zuckte unwillkürlich nach hinten.
Dieser winzige Moment der Unachtsamkeit reichte Mavis jedoch vollkommen aus. Seine Hände zuckten nach unten, die linke ergriff die Waffe des Lieutenants und sorgte dafür, dass er nicht feuern konnte, die rechte umfasste den Unterarm Yunoks. Gleichzeitig drückte Mavis seinen Arm nach außen weg. In dem Moment, da der Lieutenant erkannte, was geschah und sein Kopf zurückzuckte, machte Mavis einen halben Schritt nach vorn und hämmerte seine Stirn wuchtig gegen die Stirn seines Gegners. Yunok hatte das Gefühl, sein Kopf würde explodieren. Bevor er jedoch aufschreien konnte, spürte er, wie ihm das Knie seines Gegners in einem hammerharten Schlag in den Bauch jegliche Luft nahm. Sein Oberkörper wollte vornüber klappen, doch Mavis hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seinen rechten Arm waagerecht gegen Yunoks Brust gedrückt und nagelte ihn wie ein Wrestler rücklings zu Boden. Der Lieutenant schlug mit großer Wucht auf den Rücken und den Hinterkopf und stöhnte nochmals auf, während es schwarz vor seinen Augen wurde. Dennoch zuckte sein Oberkörper reflexartig ein letztes Mal in die Höhe. Mavis war jedoch sofort bei ihm und schickte ihn mit zwei blitzschnellen, ultraharten Faustschlägen endgültig ins Reich der Träume.
„Bin ich froh, dass ich nicht dein Feind bin!“ Das war Vilo, der jetzt ebenfalls im Gang erschien.
Mavis brummte nur kurz freudlos. „Ist hinten alles klar?“
Vilo nickte. „Wir können das Cockpit stürmen!“
Jetzt nickte Mavis, doch bevor er sich umdrehte, meinte er noch. „Wer sagt dir eigentlich, dass ich dein Freund bin?“ Er blickte sein Gegenüber ausdruckslos an, dann aber musste er kurz grinsen, bevor er sich auf den Weg ins Cockpit machte.
„Blödmann!“ erwiderte Vilo mit einem säuerlichen Lächeln und Kopfschütteln. „Wenn das alles hier jemals vorbei ist, will ich einen Ringkampf. Zwölf Runden!“
Mavis blieb unvermittelt stehen, drehte sich um und grinste. „Und nur der Mama-Schrei beendet ihn!“
Vilo nickte sofort.
„Ist gebongt!“ Mavis hielt seinem Freund die Hand hin und der schlug ein.
„Geil! Einmal Fresse polieren für Vilo!“ flötete Mavis, während er sich umdrehte und weiterging.
Vilo konnte nur noch die Augen verdrehen und ihm grinsend folgen.
Wenige Augenblicke später hatten sie das Cockpit erreicht und mit einem kurzen Blick hinein die Situation dort erfasst. Es gab drei Männer: Der Copilot saß auf seinem Sitz, ein zweiter Mann stand neben ihm, hatte sich zu ihm herabgebeugt und redete leise mit ihm. Mavis und Vilo nahmen an, dass es der Pilot war. Die dritte Person stand keine zwei Meter von ihnen entfernt, hatte ihnen jedoch den Rücken zugedreht, weil sie einige Instrumente kontrollierte.
Das muss der Maschineningenieur sein. Mavis überlegte kurz, wie sie vorgehen sollten. Nach zwei Sekunden drehte er sich zu Vilo. „Der Copilot ist für dich, ich nehme die anderen beiden!“ flüsterte er und sein Freund nickte. Daraufhin packte Mavis die Waffe, die er Yunok abgenommen hatte fester und visierte damit den Piloten an. „Hey!“ rief er laut auf. Während sich der Maschinen-Ingenieur zu ihnen herumdrehte, stoppte der Pilot die Unterhaltung und schaute zu ihm herüber. In diesem Moment schleuderte Mavis die Waffe mit aller Kraft in seine Richtung, während Vilo an ihm vorbei ins Cockpit stürmte. Einen Lidschlag später krachte die Pistole mit einem hohlen Knall frontal gegen die Stirn des Piloten, er schrie auf und sackte dann bewusstlos zur Seite. Zu diesem Zeitpunkt war auch Mavis schon unterwegs und stürmte auf den Maschinen-Ingenieur zu, der ganz sicher nicht wusste, wie ihm geschah. Während er Mavis mit weit geöffneten Augen erstaunt ansah, hob der Commander seine rechte Hand, spreizte sie weit auseinander, klatschte sie frontal in das Gesicht seines Gegenübers und hämmerte so seinen Hinterkopf kurz, aber knallhart gegen die Konsole hinter ihm. Der Mann schrie erstickt auf, dann verlor auch er das Bewusstsein.
Vilos Weg war viel länger und der Copilot ließ sich nur einen kurzen Wimpernschlag von den Aktivitäten der Angreifer ablenken, dann schon zuckte seine Hand zum Funkgerät. Doch er hatte gerade erst den Knopf gedrückt, da stand sein Widersacher auch schon neben ihm und schnalzte mit der Zunge. Der Sergeant drehte sich unwillkürlich in Vilos Richtung und starrte ihn mit großen Augen an.
„Böser Junge!“ meinte der Commander aber nur und schaute sein Gegenüber finster an.
Der Copilot erschrak für einen winzigen Moment sichtbar, dann aber schien ihm klar zu sein, dass er eigentlich nur sprechen musste, um durch den geöffneten Funkkanal eine Warnung nach Kimuri absetzen zu können. Allerdings kam er gerade einmal dazu, seinen Mund zu öffnen und einen abgehakten Ton von sich zu geben, da krachte bereits Vilos Faust blitzschnell und sehr hart in einem Abwärtshaken gegen sein Jochbein und er ging augenblicklich bewusstlos zu Boden.
*
„Wir müssen hier raus!“ sagte Malawi leise und schaute die anderen mit großen, durchdringenden Augen an.
Kendig, Rimbo, Jorik und Idis, die ihr gegenübersaßen, starrten im ersten Moment überrascht und beinahe entsetzt zurück.
Doch dann nickte ihr Mann. „Sie hat Recht!“ Er blickte zu den anderen. „Wir müssen damit rechnen, dass es Narrix gelingt, Mavis und die anderen ebenfalls gefangen zu nehmen!“
„Und wenn er erst einmal alle von uns zusammen hat...!“ fügte Idis finster an.
„…steht unserer Hinrichtung wahrlich nichts mehr im Wege!“ endete Rimbo mit einem Nicken und einem verächtlichen Lacher.
„Wenn es uns aber gelingt, hier auszubrechen…!“ sagte Malawi.
„…steht er womöglich wieder genau da, wo er jetzt steht!“ Auch Jorik schien der Gedanke logisch.
„Also machen wir es, oder wie?“ Malawi blickte in die Runde und alle nickten zögerlich.
*
Mavis stand auf der hinteren Laderampe und schaute zum Ufer des Mioli auf das Buschwerk, in dem sie sich noch vor wenigen Minuten vor den anstürmenden Soldaten versteckt hatten.
Diese – jetzt jedoch gut verschnürte Gefangene – wurden gerade von Captain Tibak, Leira und Lobos Leuten in das Innere des Schiffes geschafft.
Vilo, Captain Cosco und Sergeant Dek befanden sich im Cockpit der Talura und bereiteten ihren Start vor.
Mavis wartete mit auf dem Rücken verschränkten Armen auf Admiral Lobos, der mit den anderen