Dämon III. Alfred Broi
„Das Tor muss so platziert werden, dass es ihn töten würde, wenn man es entfernen wollte. Nur so ist sein Leben geschützt. Wenn er mit dem Tor in seinem Inneren sterben würde, würde es für immer zerstört sein!“
Palmer wollte im ersten Moment etwas erwidern, doch dann blieb er stumm und atmete nur tief durch. Dabei schaute er Howard direkt an. „Okay, ich mache es!“ sagte er schließlich, doch während Howard mit einem erleichterten Lächeln ein sichtbarer Stein vom Herzen fiel, blieb die Miene des Arztes ernst. „Aber damit ist meine Schuld getilgt, okay?“
Jetzt grinste Howard fast im Kreis. „Ja, natürlich, das ist sie!“
Plötzlich flammte ein greller Blitz auf und als er erlosch, fand sich Francescos Geist in der Ebene wieder, auf der Christopher verbittert in die Nacht hinein rannte.
Während er sein schmerzverzerrtes Gesicht sehen konnte, versuchte Francesco die Dimension dessen zu begreifen, was ihm dieser unerwartete Gedankenblitz gezeigt hatte: Howard hatte das Tor zum Himmel in den Körper seines Enkels Christopher einpflanzen lassen und damit tatsächlich jenen reinen Ort gefunden, an dem das uralte Artefakt sicher verbleiben konnte, ohne seine Eigenstrahlung abzugeben, die wie ein Magnet auf den Dämon wirkte.
Für eine kurze Sekunde bewunderte Francesco seinen alten Freund für dessen Weitsichtigkeit, sofort danach aber war ihm klar, in welch unendlich großer Gefahr Christopher in diesem Moment schwebte.
Schon umringten ihn rund zwei Dutzend Dämonen, doch Francesco konnte es sofort erkennen: Etwas stimmte nicht. Sie griffen ihn nicht an, um ihn zu töten, sie griffen ihn an,…um ihn gefangen zu nehmen. Und er konnte es fühlen: Sie taten das, weil…Jemand wusste, was er in sich trug. Ja, Francesco spürte es ganz deutlich: Jemand wusste um das Tor zum Himmel in Christophers Körper und wollte es an sich nehmen. Konnte es möglich sein, dass er in der Lage war, es zu nutzen? Christopher war ganz bestimmt das Paradebeispiel für einen sündhaften Menschen, sein Körper jetzt gerade wohl noch so rein, wie ein New Yorker Bahnhofsklo. Konnte der Schutz mittlerweile nachgelassen haben – so sehr, dass es gelingen konnte, das Tor zu entfernen?
Plötzlich wurde Francesco alles klar: Christopher, nein...sie alle schwebten in einer weitaus größeren Gefahr, als er das bisher vermutet hatte. Wenn es den Dämonen gelingen würde, Christopher gefangen zu nehmen, würden die Konsequenzen alles sprengen, was er sich jemals hätte ausmalen können.
Und von den anderen wusste in diesem Moment niemand, um was es hier wirklich ging. Und allein war Christopher vollkommen machtlos gegen diese Bestien, die schon dabei waren, ihn zu überwältigen.
Wenn nicht irgendetwas geschehen würde, würde die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten sein. Oh, Francesco erfasste eine derart widerliche Nervosität, dass er förmlich spüren konnte, wie er den Verstand verlor. Jemand musste Christopher helfen, musste die Katastrophe verhindern, die sich hier unzweifelhaft anbahnte.
Urplötzlich flammte ein weiteres grelles Licht vor ihm auf und nahm seinen ganzen Verstand für einen Augenblick vollkommen ein. Als sich das Bild wieder klärte, fand er sich in seinem eigenen Körper in der weitläufigen Ebene mitten in der Hölle wieder, die Dämonen, die Christopher mittlerweile überwältigt hatten und mit sich schleppten, direkt voraus und seine Verbündeten nur wenige Meter entfernt, totales Erstaunen in ihren Augen.
Doch hier und jetzt war nicht die Zeit für lange Erklärungen. Ein Name hallte in seinem Inneren wider: Samael, der Gefallene. Dazu ein Bild, das an Grausamkeit wohl kaum zu überbieten war. Obwohl Francesco noch niemals zuvor von dieser Kreatur gehört hatte, wusste er in einem einzigen Augenblick alles über ihn. Er war die rechte Hand des Teufels und er war unbeschreiblich mächtig.
Dies würde sein Gegner werden, denn dass er hierhergeschickt worden war, um sich ihm entgegenzustellen, um Christopher zu erretten, auch das wusste er innerhalb eines Wimpernschlages.
Also tötete er die Dämonen, die ihn angriffen und verschaffte sich und den anderen Luft, um zu reagieren. Wie er zu kämpfen hatte, wie er seine Enkeltochter, ihre Freunde und die anderen Verbündeten durch eine Art Hülle schützen konnte, wie groß seine eigenen Kräfte waren, was er tun musste, um sie einzusetzen – auch all das wusste er innerhalb eines Augenblicks. Es war, als würde ihn eine unsichtbare Kraft begleiten. Francesco spürte es und er hatte eine vage Ahnung, wer es sein könnte, doch war allein die Vorstellung davon derart unfassbar, dass er sich zwang, nicht darüber nachzudenken, sondern so zu handeln, wie er es in seinem Inneren als richtig verspürte.
Und damit war klar, dass er an seinem Plan festhalten musste, da es keine Alternative hierzu gab.
Oh, er wusste genau, dass der Junge dort im Inneren der Burg war und er wusste auch, wer mit ihm dort war. Eine direkte Konfrontation schien unvermeidlich, doch wie stellte man sich gegen einen Gegner, dessen Macht unbeschreiblich war? Sein Vorhaben erschien Francesco schier unmöglich. Was hatte er zu bieten, was sein Gegner nicht schon kannte?
Nein, er musste etwas tun, was das Gefüge aus dem Gleichgewicht brachte – auch wenn Niemand es verstehen würde.
Trumpf-As
Razor traute Francesco für keine fünf Cent.
Wie auch, schließlich war er ihm bis vor zehn Minuten vollkommen unbekannt gewesen? Zwar war da die Tatsache, dass er Moonlights Großvater war, die ihn hätte milde stimmen können, doch offensichtlich kam der Alte direkt aus dem verdammten Himmel und allein das machte ihn unsympathisch und wenig vertrauensselig. Razor allein und wohl auch seine Freunde wären also nicht mit ihm gegangen. Nur Moonlight zuliebe taten sie es, denn der Alte wollte Christopher befreien und Razor konnte in ihren Augen deutlich erkennen, dass sie diesen Typen noch immer liebte.
Keine halbe Stunde zuvor hatte er geglaubt, sie hätte sich für ihn entschieden - endlich. Moonlight war eine atemberaubend schöne Frau und sie hatte ihm vom ersten Moment an, da er sie gesehen hatte, sehr gefallen. Natürlich hatte er sich um sie bemüht, ehrlich, offen, aber nicht fordernd, doch Moonlight hatte keine Zweifel daran gelassen, dass sie kein Interesse hatte. Er brauchte ein paar Wochen, bis er erkannte, dass diese Ablehnung jedoch weder körperlicher, noch geistiger oder gar seelischer Natur war, sondern darin begründet lag, dass Moonlight noch immer Christopher im Herzen trug.
Doch Moonlight war, wie alle anderen auch, jeden Tag dem Grauen dieses fruchtbaren Ortes ausgesetzt; und auch wenn sie nicht auf dem normalen Weg hierhergekommen war, so musste sie sich trotzdem damit auseinandersetzen. Früher oder später – bei Moonlight waren es etwa drei Monate – veränderte dieser Ort den Menschen und aus der zarten, femininen und gutgläubigen jungen Frau wurde eine harte, gnadenlose und zunehmend verbitterte Kämpferin mit dem Herzen einer Löwin, dass es selbst Razor manchmal glatt den Atem verschlug.
Der Zufall wollte es, dass sie immer mal wieder aufeinandertrafen und Razor hatte jedes Mal das Gefühl, Moonlight würde sich ihm immer mehr nähern wollen. Er beschloss jedoch, sich ruhig zu verhalten, um sie nicht zu verschrecken.
Als dann ihr Typ auftauchte, war Razor klar, dass alles, was womöglich zwischen ihnen gewachsen war, vorbei war, doch es war deutlich zu spüren, dass das Verhältnis zwischen Moonlight und Christopher, wenn es denn einmal gut gewesen sein mochte, jetzt nicht mehr war. Und von Liebe konnte definitiv keine Rede mehr sein.
Dennoch war er mehr als überrascht, als Moonlight plötzlich in seinem Zimmer stand. Im ersten Moment mochte er es dann vielleicht noch verhindert haben wollen, doch spätestens als er Moonlights Lippen und ihre fordernde Zunge spüren und ihre harten Brustwarzen fühlen konnte, hatte er dem nichts mehr entgegen zu setzen. Er sollte es auch nicht bereuen: Moonlight war eng, feucht, gelenkig und tabulos und es wurde einer der besten Ritte seines Lebens.
Die Ernüchterung jedoch folgte auf dem Fuße, als ihr Typ sie beim Vögeln erwischte und einen mimosen Nervenzusammenbruch dabei erlitt, der ihm offensichtlich den Verstand nahm, da er nichts Besseres zu tun hatte, als schutzlos heulend aus dem Bunker ins Freie zu rennen. Und während er nach seiner Mama schluchzte, zog er die Dämonen an, wie ein Magnet.
Er selbst