MOLINOS MERENDA. Gela La Vigna

MOLINOS MERENDA - Gela La Vigna


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den Geruch aus dem Tuch förmlich in ihre Nasenflügel. Soweit zum täglichen Gutenachtritual.

      Zufrieden schlüpfte sie unter die Decke.

      Wie schön es wieder gewesen war, heimzukommen. So eine tolle Familie hätte sie in Deutschland auch gerne gehabt. Mit den traumhaften Gedanken an ein intaktes Familienleben und das mediterrane Meer schlief Marina glücklich im Hause Bianchi ein.

      Und die unheilschwangere Dunkelheit legte sich über das Tal von Dolcedo, in der Hoffnung einen Deckel auf die brodelnde Suppe zu bekommen.

      Kapitel 3

      Die Weinflasche sauste auf der eigenen Achse drehend im Kreis.

      Der mangelnde Inhalt war in diesem Fall durchaus von Vorteil.

      Erst zauderte sie, doch dann machte sie bei Sabine Halt.

      „O.K. hab schon verstanden, ich geh’!”

      Etwas wacklig auf den Beinen begab sie sich auf den Weg zu Peter, dem Herrn der großen Weinfässer in Trinknähe.

      „Hey, lass ihn schlafen, es ist schon spät!” brüllte ihr Kathrin nach.

      „Ruhe, da unten!” tönte es prompt aus einem der oberen Fenster.

      Sabine strauchelte bei der Steintreppe. „Uupps!”

      Kathrin kam ihr nachgetorkelt. „Lasch es doch!”

      „Isch doch lustig grad, oder?”

      „Verdammt noch mal Ruhe, es ist schon fast zwölf!” Das Fenster bebte.

      Kathrin wollte Sabine zurück lotsen, was aufgrund deren instabilen Zustandes gar nicht so einfach war. „Gehn mehr zurucki!”

      „Lasch mich!” Sabine zog Ihren Arm zurück und kam dabei aus dem Gleichgewicht.

      „Autsch’”, die Landung war offensichtlich unsanft.

      „Fritz, jezze hilf mir doch!” Fritz erbarmte sich und erhob sich von seinem bequemen Gartenlager.

      Er ergriff Sabines rechten Arm, Kathrin zog am linken.

      „Hey du Sau, begrabsch mich nich!” Sabine schlug nach Fritzens Arm.

      Renate, die bisher zum Kreis der untätig Gebliebenen gehörte, stach weiter ins Wespennest.

      „Haste wohl zu viel Gefallen an Sabines Oberweite gefunden?”

      Fritz, der einzig männliche Teilnehmer des Selbsterfahrungskurses, hatte einen schweren Stand in der weiblich dominierten Gruppe.

      Fritz errötete sichtlich.

      Renate stachelte weiter: „Ne, was des Mädel aber auch so ein enges T-Shirt anziehen muss. Grad so, als ob wir bei ner Party wären, net bei so einem Kurs!“ Die Röte wuchs.

      „Vielleicht haben wir da ja schon ein Thema für morgen?“ schlug Helene vor.

      „Welches Thema genau meinste?“ Renate tat unschuldig.

      „Warum einige hier herum zicken müssen und andere erröten!“

      „Und warum hier einige die Oberlehrerin spielen müssen!“

      „Und warum hier keine Ruhe ist nach Mitternacht“, ein mit einem Stock Bewaffneter im Schlafanzug gesellte sich zu der Gruppe im Garten der Mühle. Der Stock hatte bedrohliche Ausmaße.

      „Das kann ja interessant werden“, Klara, die bisher noch wenig Gelegenheit gefunden hatte mit der Gruppe ins Gespräch zu kommen, meldete sich mutig zu Wort.

      „Ihr macht Euch jetzt ins Bett, alle wild gewordenen Psychoten, es gibt hier schließlich auch noch andere Gäste“ schlug der Schlafanzug vor.

      Sabine trudelte nicht nur geistig wieder im Kreise ein: „Hab isch was verpasst?“

       „Alle ins Bett! Sofort!“ brüllte der Schlafanzug.

      „O.k., ich geh jetzt ins Bett, buona notte!“, Helene strich die Segel.

      „Ich komm mit!“ das war neben dem „Hallo“ heute Nachmittag bei der Ankunft das Einzige, was von Cindy zu hören war.

      „Und Tschüss!“, Renate wurde unverschämt frech.

      „Dass Fred schon ins Bett gegangen ist, obwohl er doch weiß, wie minenreich der erste Abend von so einer Gruppe sein kann?“ Helene blickte ratlos in die Runde.

      „Typisch Kursleiter eben, interessiert sich nicht die Bohne für seine Schützlinge!“

      Klara kannte diese Sorte.

      „Die Cindy ist wohl von drüben, weil sie den Mund nich aufkriegt, oder hat was zu verbergen!“ meinte Renate.

      „Jetzt lass es aber gut sein, nicht jeder reißt das Maul so weit auf wie du!“ Fritz wagte sich weit vor.

      Renate sprang von ihrem Gartensessel hoch, ihre Augen blitzten böse, gerade als Peter, der Hausherr der Mulino Pino, in ihre Mitte trat: „Das Licht in der Toilette ist ausgefallen, ich habe Euch Taschenlampen mitgebracht, damit ihr Euch nicht fürchten müsst! Zeit auch für Euch ins Bett zu gehen!“ Er blinzelte dem Schlafanzug vertraulich zu.

      „Das isch aber lieb von dir“, Sabine versuchte Peter einen Kuss auf die Wange zu drücken und versuchte sich zu stabilisieren.

      „Morgen früh, da sieht die Welt schon wieder anders aus. Nun, dann buona notte!“

      „Buona notte!“ Sabine krallte sich Klaras Arm, schließlich waren sie Zimmernachbarinnen.

      Da keiner den Streit vertiefen wollte, gingen auch alle auf mehr oder minder direktem Wege tatsächlich ins Bett.

      Und mit der Mulino Pino legte sich auch hier die sorgenvolle Dunkelheit über das restliche Tal des Prino und versuchte, sich eventuell gerade entwickelndes Unheil in die Unsichtbarkeit zu entlassen.

      Nachdem jeder am nächsten Morgen für sich allein frühstückte, konnte das Seminar ohne vorherige Dispute beginnen. Fred wollte zuerst in der Vorstellungsrunde Persönliches von jedem Teilnehmer erfahren. Zudem sollte jeder über den Grund, weshalb er hier war, berichten. Alle waren gespannt, wie sich Renate nach dem gestrigen Abend präsentieren würde. Sie erzählte, dass sie glücklich verheiratet war mit einem Arzt, 2 Kinder, sie selbst war Apothekerin, sie hatten ein Haus am Starnberger See. Ihr würde es an Sinn im Leben mangeln, daher der Kurs. Danach stellte sich Sabine vor: Geschieden, eine Tochter, die schon groß war, bisher freie Journalistin, es lief aber gerade nicht so gut, irgendwie Midlife-Krise oder so ähnlich, daher der Kurs. Nacheinander stellten sich alle Teilnehmer mehr oder weniger ehrlich vor. Dann schickte sie Fred auf eine Art Sinnesspaziergang. Alle sollten innerhalb des unmittelbaren Mühlengeländes bleiben, dort über das Gehörte und das Gesprochene nachdenken. Vielleicht würde man dann ja auch einen Gegenstand finden, der das repräsentierte, was im Moment ein Symbol für das Wichtigste darstellte.

      „Aber bitte nicht miteinander sprechen und wenn es geht auch nicht mit anderen Gästen des Hauses. Bleibt ganz bei Euch selbst, schließlich geht es hier um Euch selbst!“ Hier hatte Fred zumindest einen klaren Plan.

      Nur durch die Sache mit dem Wichtigsten und dem Gegenstand, der dieses verkörpern sollte, machte sich etwas Unsicherheit in der Gruppe breit.

      Sabine machte sich trotzdem in Richtung Ponte Ripalta auf den Weg.

      Renate verließ die Mühle in die entgegengesetzte Richtung, sozusagen über den Hinterausgang. Sie wollte keinesfalls nochmal mit einer der gestrigen Schnepfen aneinandergeraten. Sabine wanderte den steilen Weg hinab, vorbei am Riesenschilfgras. Noch nie hatte sie so imposantes Gras in solcher Dimension gesehen. Besonders gefiel ihr auch das Wasser des Rio dei boschi mit den zahlreichen Gumpen. Bestimmt könnte man an den tiefen Stellen auch Baden. Das wäre aber erst einmal auf später verschoben, zwecks Zeitmangels.

      Nur


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