Miles Per Minute. Chris Montana

Miles Per Minute - Chris Montana


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füllen begann. Im bekanntesten Club Ibizas spielten samstags DJ-Legenden wie David Morales oder Frankie Knuckles House-Musik vom anderen Stern. Die Party ging bis zum Sonnenaufgang gegen sieben. Da das Space für seine größte Party, die „We Love Sundays At Space“, erst um acht öffnete, gönnte man sich schnell noch ein kleines Frühstück in der Croissant-Show in der Altstadt der Insel. Dann auf nach Playa D‘en Bossa und rein auf die damals noch offene Terrasse des Space zur laaangen Afterhour. 22 Stunden tanzen bis zum nächsten Morgen um sechs. Zusammen mit 2000 anderen Schwarzen oder Weißen, Schwulen, Lesben oder Heteros, Männern mit Indianerschmuck, Frauen mit Intimschmuck, sturzbetrunkenen und sonnenverbrannten Engländern, super stylishen Italienern, Bayern in Lederhosen, Tänzern mit Motorradhelm, der Junggesellenabschiedsgruppe von Anna aus Ludwigsburg und der Ibiza-Ikone Vaughn. Die wenigsten Gäste tranken dort alkoholische Getränke, denen genügte das Extasy, das sie intus hatten. Und das hielt lange vor. Bis zur After-Afterhour am Montagmorgen im DC10 in der Nähe des Flughafens. Der Club hatte seinen Namen von einer alten DC10, die dort auf einem offenen Feld langsam vor sich hin rostet. Hier waren die Leute noch verstrahlter. Ohne Drogen genommen zu haben oder gar nüchtern, war es kaum auszuhalten. Ein bisschen wie in einer Freakshow. Die Musik jedoch war unübertroffen. Hier spielten DJs wie Tania Vulcano den abgefahrensten Sound der Insel. Das ging weiter und immer weiter bis zum Abend, um dann sein Ende im Bora-Bora am Strand von Playa D‘en Bossa zu finden. Musik und Party for free. Die Leute tanzten auf den Tischen, während die Flugzeuge über den direkt in der Anflugschneise liegenden Strandabschnitt düsten. Jedes Mal, wenn eine Maschine zur Landung ansetzte, begannen die Leute die Hände in den Himmel zu strecken und kollektiv zu schreien. Ein typischer „Ibiza“-Moment.

      Doch auch jede Party findet einmal ihr Finale und Ende September ist die Saison vorbei und nicht zuletzt spätestens dann stellt sich für viele Ibizenkos die Frage, was danach kommt. Ich habe zahllose Animateure oder PAs Jahr für Jahr immer wieder an denselben Stränden und Plätzen der Insel gesehen. Manche über zehn Jahre lang. Immer der gleiche Typ, der dir vor dem Marisol in Ibiza-Stadt jedes Jahr wieder die „günstigsten“ Tickets fürs Pacha, Amnesia oder Space verticken will. Mit Mitte oder Ende 20 ist das vielleicht noch irgendwie cool und bei manchen mit Mitte 30 noch eine Lebenseinstellung, aber irgendwann sind die Leute für mich nur noch hängengeblieben und tun mir einfach leid. Vielleicht bin ich einfach zu normal, aber von was wollen sie mit 50 oder gar 60 leben? Immer noch am Hafen stehen und Leute überreden, in einer der Bars einen überteuerten Cocktail während der Happy Hour zu trinken, die eigentlich gar keine ist, weil gleich nach der Bestellung die Bedienung vergessen hat, dass das ja eigentlich „Zwei Cocktails zum Preis von einem“ bedeutet?

      Das war nichts für mich. Dazu bin ich zu bodenständig oder strebsam oder beides. Jedenfalls muss ich vorankommen im Leben, mich weiterentwickeln. Der Sommer war für mich unglaublich interessant und erfahrungsreich und in dem kleinen Büchlein, in dem ich meine Lebensträume aufgelistet habe, konnte ich ein weiteres Häkchen hinter einen Traum machen. „Einen Sommer in einem Ferienparadies arbeiten ...“ Zack! So viel dazu, abgehakt, was kommt als Nächstes? Die folgenden Jahre war ich immer wieder regelmäßig in meiner zweiten Heimat Ibiza und spielte zweiwöchentlich oder monatlich eine Residenz im El Divino, doch einen ganzen Sommer dort zu „verfeiern“, war für mich nie mehr ein Thema. Ich habe es gesehen, gelebt, erlebt, ausgelebt und danach mussten wieder neue Herausforderungen her. Ich hatte mich schon zu sehr verändert.

      Notlandungen

      Das Vielfliegen gehört zum täglichen Brot eines internationalen DJs. Man ist ja per se gezwungen, häufig und weit zu fliegen. Im Grunde verbringt man meist mehr Zeit im Flieger, als man am Ende im Club ist. Das Umherjetten zwischen den verschiedenen Zeitzonen ist auch weitaus anstrengender als die zwei Stunden Auftritt, die dir oftmals sogar eher Energie und Befriedigung geben, als dass sie Kraft kosten. Und je mehr man fliegt, desto größer ist natürlich auch die Chance, unangenehme Dinge während des Reisens zu erleben. Ich musste schon des Öfteren durchstarten, Extrarunden drehen, notlanden oder durfte überhaupt gar nicht erst abheben. Hier eine kleine Auswahl der skurrilsten Begebenheiten rund ums Fliegen:

      Vorsicht, Kühe! – Miles per Minute: 4.051

      Von Hyderabad kommend im Anflug auf den Flughafen von Mumbai gibt der Kapitän auf einmal kurz vor der Landung voll Schub und startet durch. Kurz danach die Durchsage aus dem Cockpit: “Sorry, we needed to abort our landing due to some cows on the runway, please keep your seatbelt fastened. We‘ll soon update you with news.? Kühe sind heilig in Indien, die können nicht einfach so vertrieben oder gar abgeknallt werden. Also mussten wir erst mal eine Stunde über dem Flughafen der größten Stadt Indiens kreisen, bis sie sich endlich gemächlich von selbst von der Landebahn entfernt hatten.

      „Some kind of vibration“ – Miles per

       Minute: 5.916

      Schon beim Abheben von Florianópolis nach Rio konnten alle Passagiere an Bord die Vibrationen und ein heftiges Rütteln des Flugzeuges spüren. Kurz danach meinte der Kapitän nur trocken über den Lautsprecher: “Dear passengers, you might have recognized some kind of vibration during our take-off. Probably one of our tires went flat.” Das war noch die gute Nachricht. Die schlechte war, dass es wahrscheinlich eines der beiden Bugräder war. So mussten wir am Ende mit ausgefahrenem Fahrwerk sehr tief über dem Tower des Rio Int. Airport kreisen, um sicher zu gehen. Die Fluglotsen konnten per Fernglas feststellen, dass tatsächlich eines unserer Bugräder platt war. Man sollte eigentlich meinen, dass ein modernes Flugzeug an Bord Sensoren für so etwas hat, oder? Jedenfalls mussten wir mit dem Status einer offiziellen Notlandung Rio anfliegen. Daraufhin konnte der komplette Flugplatz für uns gesperrt werden, die Feuerwehr stand parat und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich machte schon fast mein letztes Gebet. Am Ende war es aber eine beinahe ganz normale Landung und die ganze Aufregung umsonst. Dafür lernte ich dabei meinen Sitznachbarn näher kennen. Rui Pitanguy, praktisch der Erfinder der plastischen Schönheitschirurgie, einen der reichsten und bekanntesten Brasilianer. Glücklich darüber, die ganze Sache heil und gesund überlebt zu haben, zeigte er mir daraufhin ganz Rio in seiner Privatlimo und bot mir eine kostenlose Botox-Behandlung gegen die Falten auf meiner Stirn an, die sich während des Fluges deutlich vertieft hatten. Diese lehnte ich dann aber trotzdem dankend ab.

      Winterzauber– Miles per Minute: 3.918

      Ich hatte eine tolle Woche und zwei erfolgreiche Gigs im Süden Manhattans hinter mir, als ich mich wieder auf den Rückweg nach Deutschland machte. Die Wettervorschau verhieß nichts Gutes und am Flughafen angekommen, musste ich vom Taxi schon durch mehreren Zentimeter tiefen Schnee zur Eingangstür der Abflughalle waten. Dort herrschte das reinste Chaos. Viele Flüge waren verspätet oder gar gestrichen worden, denn ein großes Sturmtief befand sich im Anzug. Mein Flug hatte bis jetzt nur 30 Minuten Verzögerung, also hieß es für mich schnell einchecken und zum Gate gehen. Alles lief glatt, wir kamen sogar etwas früher vom Finger. Glück gehabt, dachte ich bei mir. Bis wir irgendwann auf dem Vorfeld im Stau standen. Mit 30 anderen Fliegern, die alle auf das Go für ihren Abflug warteten. Aufgrund des mittlerweile starken Schneetreibens konnte immer nur eine der insgesamt vier Startbahnen des JFK-Airportes genutzt werden, während die anderen geräumt wurden, sodass unser Abflug sich immer weiter verzögerte. 30 Minuten, noch mal 45 Minuten … das kann nerven. Irgendwann teilte uns der Pilot mit, dass er die Triebwerke abschalten müsse, ansonsten hätte er nicht mehr genug Sprit, um über den Atlantik zu kommen. In diesem Fall müssten wir wieder zurück zum Gate und nochmals Nachtanken. Also standen wir eine weitere Stunde auf dem Vorfeld. Außen minus 15° Grad, drinnen gefühlte plus 50° bei saunahafter Luftfeuchtigkeit, denn die Lüftung eines Flugzeuges ist an die Triebwerke gekoppelt. Sprich, sie wurde beim Abschalten der vier Hauptturbinen auch auf ein Minimum heruntergefahren. Am Ende hatten wir über vier Stunden Verspätung, doch alle an Bord waren froh, als die Maschine endlich gen Europa abhob. So viel zum Thema lockeres Jet-Set-Leben.

      Mit dem Kopf in der Klobrille – Miles per Minute: 1.013

      In


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