Miles Per Minute. Chris Montana

Miles Per Minute - Chris Montana


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das Essen konnte sich auch als solches bezeichnen und wir waren sogar ein paar Minuten vor der geplanten Ankunftszeit in München. Leider bei etwas schattigen -17°…

      Einmal um die Welt – Miles per Minute: 10.259

      Surfen, Kängurus, die Oper von Sydney oder Ayers Rock. Das waren die Bilder, die ich sofort vor Augen hatte, als mir von meiner Agentur der Gig in Sydney bestätigt worden war. Ich freute mich unheimlich, da ich bis dahin den fünften Kontinent noch nie betreten hatte. Der Veranstalter, ein gebürtiger Grieche namens Harry, erschien meinem Manager recht seriös. Das Motto der Veranstaltung lautete „Mykonos-Sessions“. Als langjährigen Resident des Paradise-Clubs auf Mykonos wollten sie mich als Hauptattraktion für das Date in Sydneys größtem Club, dem „Home“, einfliegen. Also sprach nichts dagegen, mal kurz für zwei Tage nach Australien zu jetten, einmal um den ganzen Globus. Gleich mal vorweg, heute würde ich mir so einen Wahnsinnsstress nicht mehr geben. Als ich zurückkam, war ich um gefühlte zehn Jahre gealtert. Minimum eine Woche vor Ort, besser zwei. Alles andere ist totaler Blödsinn.

      Harry hatte mir die schnellste und beste Route von München aus gebucht. Am Donnerstagabend gegen zehn ging es erst einmal in sechs Stunden nach Dubai, dort drei Stunden Aufenthalt und dann begann die Reise erst so richtig. Fünfzehn Stunden im nagelneuen A380 nach Sydney. Ich war richtig aufgeregt, denn unsere Flugstrecke war sehr interessant. Unter uns zogen der indische Subkontinent, der Himalaya, Thailand, Vietnam und Indonesien dahin, dann erst mal ein paar Tausend Kilometer Ozean, bis wir den Nordwesten Australiens erreichten. Und von hier ging es noch einmal viertausend Kilometer quer über fast menschenleere Steppe und Wüste bis wir endlich zum Landeanflug auf Sydney ansetzten. Fünfzehn Stunden ist eine lange Zeit, so lange kann kein Mensch im Flieger schlafen. Vor allem bist du in deinem circadianen Rhythmus total verdreht. Ich hatte schon versucht, auf dem Flug nach Dubai, welcher ja in meinem Nachtzyklus lag, die Augen zuzumachen. Aber nun war ja eigentlich Tag für mich. Also schaute ich mir auf dem Inflight-Entertainmentsystem alle neuen Kinofilme, die mich interessierten, an. Und irgendwann auch die, die mich nicht so interessierten. Haben Sie sich schon mal fünf oder sechs DVDs am Stück angesehen? Da wird man blöd, irgendwann weiß man gar nicht mehr, wo man ist. Zu viel Input. Lustigerweise hatte ich beim Boarding mit Dion Mavath einen guten Bekannten aus Dubai getroffen. Er hatte mich die letzten Jahre schon öfters in verschiedene Clubs nach Dubai gebucht. Er saß ein paar Reihen hinter mir und wir nahmen zusammen ein paar Drinks an der bordeigenen Bar. Das verkürzte die gefühlte Flugzeit doch enorm.

      In Sydney gelandet, musste ich wieder mal den üblichen Einreisestress über mich ergehen lassen. Im Vorfeld hatte meine Agentur mit dem Veranstalter vor Ort einige Diskussionen über die Einreiseformalitäten gehabt. Als DJ reist man ja in das jeweilige Land, um dort zu arbeiten und Geld zu verdienen. Jeder Staat hat hierfür seine eigenen Regeln und Einreisebedingungen. In die USA z. B. sollte man als DJ nur einreisen, wenn man ein spezielles Visum, genannt „O-1 nonimmigration status, working-permit“ hat. Wenn ein Künstler dem Beamten bei der Einreise „Tourismus“ oder „geschäftliches Meeting“ als den Grund der Reise nennt und er checkt seinen Namen auf Google und findet, wie es einem Freund von mir passiert ist, auf seiner Website Dates oder Flyer von Auftritten in den USA, kann er gleich wieder umdrehen und zurückfliegen. Da gibt es keine Diskussion, die Homeland Security kennt kein Pardon. Fünf Jahre lang wird daraufhin die Einreise verweigert. In Brasilien ist es ähnlich. Da kann es sogar passieren, dass der Zoll während des Auftritts kommt und die Arbeitslizenz sehen will. Ich habe gehört, dass Erick Morillo, mit einer Gage von 40.000 Dollar am Abend einer der teuersten DJs der Welt, auch schon einmal auf einem Festival in Curitiba von der Policia Federal ohne entsprechende Genehmigung erwischt wurde und sofort die Bühne verlassen musste. Außerdem sollen die Beamten die komplette Gage als Strafe gefordert und ihn zusätzlich noch für eine Nacht im Gefängnis einbunkert haben. In Russland hingegen wird das etwas lockerer gehandhabt, allerdings würde ich den Zollbeamten niemals eine Angriffsfläche bieten. Die sind sehr korrupt und erfinden einfach mal schnell ein Gesetz, um dir das Geld aus der Tasche zu ziehen. Daher fliege ich dorthin nur mit einem Business-Visum und nehme nur wenig Bargeld mit, das sie nicht auf irgendeine Fährte locken könnte. Genauso in Indien oder China.

      Die australischen Veranstalter wollten sich irgendwie um die Arbeitslizenz drücken, wahrscheinlich aus Kostengründen. Sie meinten lapidar, das sei doch gar kein Problem, alle ihre Gast-DJs kämen ohne Visum nach Australien. Einfach bei der Einreise auf dem Formular „Tourist“ ankreuzen und rein ins Land. Gesagt, getan, doch war mir dann schon ein wenig mulmig zumute. Damals spielte ich noch mit CDs und mein Case war für jeden, der sich ein bisschen auskennt, unübersehbar. Ich hatte mir schon eine windige Ausrede zurechtgelegt, falls sie mich fragen sollten, was ich mit den CDs wollte. Dass ich in Dubai lebe und direkt von einem Gig komme und nur das Wochenende in Sydney verbrächte, als Kurzurlaub sozusagen. Die CDs hätte ich nirgendwo lassen können, daher hätte ich sie mitgenommen. Na ja, das hätte jeder clevere Zollbeamte durchschaut, da bin ich mir sicher. Als mich eine Beamtin anhielt und fragte, ob ich etwas zu verzollen hätte, startete ich ein Ablenkungsmanöver. Ich zeigte ihr eine Tüte Gebäck, das ich noch aus Deutschland dabei hatte, und fragte, ob das auch vom Einfuhrverbot von Getreide betroffen sei. Das lenkte sie von meiner Tasche ab. Sie bejahte, nahm die Tüte an sich und ließ mich durch. Sie hatte damit ihren „Fang“ gemacht.

Einmal um die Welt

      Es war Samstag, morgens, sieben Uhr, neun Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland. Ich stand in der Ankunftshalle und wartete und wartete. Niemand war, wie eigentlich vereinbart, da, um mich abzuholen. Ja, ich glaubte, ich spinne. Ich rief den Veranstalter an. „Gähhhnnn ... Hellloo?“ „Hi, this is Chris, where are you???“, fragte ich ihn ungehalten. „Ah, sorry, nobody's there? I‘m still sleeping ...“ Ja, was interessiert mich das, bitte? Eine halbe Stunde später tauchte ein speckbäuchiger Grieche auf und stellte sich als Kostas vor. Er habe leider verschlafen. Ja, macht ja nichts. Ich bin nur schon gefühlte drei Tage am Stück unterwegs und würde jetzt einfach gerne was essen, ne Dusche nehmen und dann schlafen. Ich war genervt. Im Hotel angekommen, eröffnete uns die Empfangsdame, dass das Zimmer dann bis um vierzehn Uhr bezugsfertig sei. Es war kurz nach acht morgens. Da drehte ich durch und fuhr gleichzeitig die Dame und Kostas an, was sie sich eigentlich denken würden. Mich hier um die halbe Welt fliegen zu lassen und dann sei das Zimmer nicht fertig und ob sie überhaupt schon irgendwann einmal eine Party organisiert hätten. Das Gefühl hatte ich nämlich nicht. Das zeigte Wirkung. Das Hotel bat sich eine Stunde aus, um das Zimmer schnell zu säubern. In der Zeit konnten wir am Hafen etwas frühstücken gehen. Na also, geht doch. Langsam beruhigte ich mich wieder.

      Wir gingen in ein nettes Café im nahe gelegenen Viertel Darling Harbour. Ein großes Erholungsgebiet beidseitig der Cockle Bay, der innerstädtischen Bucht von Sydney, in dem viele Museen, Restaurants und Bars angesiedelt sind. Größtenteils ist man hier nur zu Fuß unterwegs und trotz der recht frühen Uhrzeit waren bereits Massen von Touristen, Einheimischen und Händlern auf den Beinen. Nur fünf Gehminuten von hier war auch das „Home“ gelegen, der Club, in dem ich am Abend spielen sollte.

      Ein gehaltvolles Frühstück und zwei Kaffee später entpuppte sich Kostas dann doch als interessanter Gesprächspartner. Wir gingen eine kleine Runde und er erzählte mir seine Geschichte. Seine Großeltern waren in den 1930er-Jahren nach Australien ausgewandert und hatten sich hier als Hafenarbeiter verdingt. Er und sein serbischer Geschäftspartner hatten sich auf griechische und serbische Partys mit klangvollen Namen wie „Santorini Sessions“ oder „Mykonos Sundays“ spezialisiert. Das war ein sehr großer Markt, leben hier in Sydney doch sehr viele Einwanderer aus diesen Ländern. Und die wollen meist unter sich bleiben und feiern.

      Als wir uns auf den Rückweg zum Hotel machten, wäre ich in meinem übernächtigten Zustand beinahe überfahren worden. Ich hatte komplett vergessen, dass in Australien ja Linksverkehr herrscht. Als ich über die Straße ging, schaute ich leider in die falsche Richtung und übersah völlig den Lastwagen, der von rechts kam. Kostas zog mich zum Glück rechtzeitig zurück. Jetzt war es definitiv an der Zeit, zu schlafen. Es hätte noch so viel gegeben, was ich mir ansehen wollte. Aber in meinem Kopf war kein Platz mehr für auch nur einen einzigen


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