Sirius. Lola Martin

Sirius - Lola Martin


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unter Mamas strengen Blicken und der Warnung, das Reiten würde erst stattfinden, wenn der Teller leer sei, aß sie doch lieber auf. Zum Glück hatte sie heute nur wenig Schularbeiten zu machen und stand darum bereits kurze Zeit später fertig und mit Helm und schicken Reitstiefeln, die ihr Mama noch besorgt hatte, im Flur und konnte es kaum erwarten, dass sie endlich los fuhren.

      Von weitem schon erkannte Vanessa das große, sichelförmige Holzschild, das an zwei gehobelten Balken befestigt war und als Einfahrt zum Reiterhof diente. Da das Tor offen stand, fuhr Mama gleich hinein. Beide wurden sofort begrüßt von Sissy, der vierjährigen Schäferhund-Dame, deren Aufgabe es war, den Hof zu bewachen. Bellend und Schwanz wedelnd sprang sie um die beiden Neuankömmlinge herum, bis Irmi sich näherte und der Hündin Einhalt gebot. Mama sprach ein paar Worte mit Irmi und dann ging’s ab zu den Ställen, wo Vanessa schon bald Johnny in einer der Boxen stehen sah.

      Er wurde von Irmi herausgeführt und reitfertig gemacht. Als er nun so brav und gewöhnlich vor ihr stand, wurde sie wieder von Zweifeln gepackt und konnte sich nicht vorstellen, dass dies ihr nächtlicher Besucher war. Sie lauschte und suchte nach irgendetwas, das darauf hin deuten würde, konnte aber nichts Ungewöhnliches an ihm entdecken. Auch den Glitzer-Splitter sah sie nicht mehr.

      Sie gingen auf die Koppel nebenan und Frau Weixelbaum half Vanessa beim Aufsteigen. Sie drehten Runde für Runde und Vanessa wurde viel über Pferde und deren Haltung erklärt. So ging die Reitstunde ohne besondere Ereignisse vorüber und Vanessa war ein wenig enttäuscht und glaubte ernsthaft, sie hätte sich doch alles nur eingebildet. So sehr hatte sie auf irgendein Zeichen von Johnny gewartet. Doch musste sie ihre Enttäuschung verborgen halten und lächelte darum ihrer Mutter entgegen, die schon am Stall-Eingang wartete.

      “Wie ich sehen kann, hat es dir gefallen”, meinte sie, halb zu Vanessa, halb zu Irmi gewandt und ohne eine Antwort abzuwarten, legte sie weitere Reitstunden-Termine fest.

      Natürlich wollte Vanessa weiter Reitunterricht nehmen, ob Johnny nun ein Zauberpferd war oder nicht. Das stand jedenfalls fest!

      Schon befanden sie sich wieder im Auto und fuhren heim.

      “Glaubst du an Dinge, die es eigentlich nicht geben kann?”, fragte Vanessa plötzlich.

      “Wenn du damit übersinnliche Dinge meinst, glaube ich schon, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir uns träumen lassen! Aber wie kommst du denn darauf?”

      “Nur so”, beschwichtigte sie und sah Mamas fragende Augen im Rückspiegel. Sie fuhren schweigend den Rest des Weges heim.

      Vanessa versuchte, nun nicht mehr an die rätselhafte Geschichte zu denken. Tagelang schon hatte das Pferd sie im Traum nicht besucht und als am Mittwoch die nächste Reitstunde bevorstand, war sie eigentlich ganz froh, dass Johnny einfach Johnny war und nichts weiter. Wie sehr sie sich doch täuschen sollte!

      Dann kam ein regnerischer Samstagnachmittag. Vanessa saß in ihrem Zimmer auf der bunt gestreiften Couch und hatte sich gemütlich in eine Decke gehüllt. Draußen hörte sie den Wind ums Haus heulen und Regentropfen trommelten unablässig an die Fensterscheibe. Vanessa war vertieft in ihr neues Buch, das sie neulich zum Geburtstag von ihrer Schwester bekommen hatte.

      Mama war mit Hanna in die Stadt gefahren, um ein paar Besorgungen zu machen und so nutzte Vanessa die Zeit, sich in aller Ruhe ihrem Buch “Haltung und Pflege von Pferden” zu widmen.

      Plötzlich aber wurde, wie von Geisterhand, die Türe ihres Zimmers aufgerissen und ein fürchterlicher Sturm blies ihr ins Gesicht. Feine Staubkörnchen blieben ihr an Haar und Kleidung hängen und verteilten sich überall im Zimmer, so dass man beinahe die Hand vor Augen nicht mehr sah.

      Vanessa erschrak zu Tode und wollte schreien, da sah sie ihn, inmitten des ganzen Wirbels. Erst schemenhaft, dann immer deutlicher werdend, stand Sirius vor ihr.

      “Was ist denn das für ein Auftritt? Ist es immer deine Art, Menschen zu erschrecken?”

      Sie schrie ihn an, während sie noch den Schreck in den Gliedern hatte. “Womit wir gleich beim Thema wären”, antwortete er grinsend.

      “Nun hör’ mir zu, Vanessa”, versuchte er es nun in ruhigerem Ton, als er ihre finstere Miene sah.

      “Ich höre dir nicht mehr zu, nie mehr! Glaubst du, du könntest mich an der Nase herumführen?! Während der letzten Reitstunde hast du so getan, als wärest du ein ganz normales Pferd und bist nächtelang nicht mehr erschienen. Was soll das, Sirius?”

      “Also gut!”, versuchte er, Vanessa zu beruhigen.

      “Ich will dir alles erklären. Aber wir haben nicht viel Zeit, denn bald kommt deine Mutter nach Hause”, sagte er mit Blick zum Wecker, der auf dem Nachtkästchen stand.

      “Du wunderst dich also über mein Verhalten! Ich will dir nun die ganze Wahrheit über mich und den “Kreis der Cavallos” erzählen. Es mag dir seltsam vorkommen, aber ich kann nur zu dir sprechen, wenn wir alleine sind und niemand uns hören kann. Ich hatte dich ja gewarnt, keiner Menschenseele von mir zu erzählen, da derjenige sonst ums Leben kommt! Das ist eines unserer Gesetze! Aber ich will dir alles von Anfang an erzählen.

      Nun höre also:

      “Diejenigen, denen ich angehöre, stammen vom

      PLANETEN DER PFERDE, der weit entfernt von unserem Sonnensystem in einer unbekannten Galaxie liegt. Er existiert seit Urzeiten, aber kein Mensch hat bisher davon erfahren und darf es auch in Zukunft nicht, es könnte sonst das Ende der Welt bedeuten ...!”

      Sirius zog die Nüstern hoch und schnaubte sichtlich bewegt. Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr.

      “Die Bewohner des Planeten, die “Cavallos”, sind alle durchsichtige, fliegende Pferde mit riesigen Flügeln und langer, silbrig glänzender Mähne. Alle tausend Jahre reiten sie durchs Weltall und zur Erde hinab, um sich ein neues Mitglied unter den Pferden zu suchen, welches sie in ihren Kreis aufnehmen. Das geschieht so: Während ihres nächtlichen Besuchs auf der Erde verursachen sie ein schlimmes Unwetter, bei dem es Unmengen von winzigen Glas-Splittern hagelt, die für euch Menschen jedoch wie gewöhnlicher Eisregen aussehen. Nun befand ich mich gerade auf meiner Koppel. Es war schon beinahe dunkel, als plötzlich eines dieser besagten Gewitter aufzog und ich von einem der Splitter getroffen wurde. Eben diesen hast du ja an meinem linken Fuß auch entdeckt. Ich empfand einen kurzen, höllischen Schmerz, doch dann war alles vorbei. Der Splitter jedoch steckt seit dieser Zeit fest in mir. Ich wusste zuerst nicht, wie mir geschah, denn plötzlich stand Cornelius, der Anführer der Cavallos, vor mir. Er stand nicht, nein, er schwebte knapp über dem Erdboden und ich war mir nicht sicher, ob er wirklich da war, denn ich konnte durch ihn hindurch sehen. Ja, man konnte nur die Umrisse erkennen und seine lange, silberne Mähne hing wallend hinunter. Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben ein so schönes Pferd gesehen!

      Er erklärte mir, dass ich ab jetzt zu ihnen gehören und kein gewöhnliches Pferd mehr sein würde. Ich könnte von nun an auch die Sprache der Menschen verstehen, bräuchte jedoch einen Verbündeten unter ihnen. Es müsste aber jemand sein, der etwas Gemeinsames mit mir hat. Darum habe ich dich, Vanessa, ausgewählt, denn ich fand heraus, dass nur DU am gleichen Tag, exakt zur gleichen Uhrzeit und im gleichen Jahr wie ich, während eines fürchterlichen Gewitters mit Hagelschlag im Tierkreiszeichen des Pferdes geboren wurdest. Es war also vorherbestimmt, was geschehen ist! Du musstest den Splitter bemerken, denn nur DU konntest ihn sehen, niemand sonst auf der Welt! Wir gehören nun für immer zusammen, was auch passiert und werden gut miteinander auskommen. Wenn du nur alles für dich behältst, werde ich dir ein wahrer Freund sein! Für andere Menschen bin ich, wie bisher das Pferd “Johnny”. So haben sie mich genannt.

      Da war mit einem Mal der Zauber vorbei. Vanessa fand sich wieder, immer noch auf ihrer bunt gestreiften, kleinen Couch sitzend, die Händen zusammen gepresst. Alles war wieder wie vorher und Vanessa starrte in die Richtung, aus der sie noch zwei Sekunden zuvor diese unglaublichen Worte vernommen hatte. Kein noch so kleines Staubkörnchen hätte man mehr finden können und keine Menschenseele hätte glauben können, was sich eben in Vanessas Zimmer abgespielt hatte.

      Da


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