Luves - Die Magier von Cimala. Bianca Schäfer

Luves - Die Magier von Cimala - Bianca Schäfer


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Friebert zuerst über die größte Straße, die sich von Norden bis Süden durch ganz Aestra zog, reisen. Erst am Rande des Gebietes der Sommerfelder mussten sie kleinere Nebenstraßen oder Feldwege nutzen, um an ihr Ziel zu gelangen. Meister Bukov tippte auf einen bestimmten Bereich.

      »Ungefähr hier soll sich der Faun aufhalten. Ein reisender Händler soll von ihm ausgeraubt worden sein und ist nur knapp mit dem Leben davongekommen. Er hat das Wesen den Wachen gemeldet, konnte ihn allerdings nur unzureichend beschreiben.«

      »Wie nennt man diese Gegend?«

      Bukov zuckte mit den Schultern und deutete auf eine andere Stelle, wo eine kleine Ansiedlung eingezeichnet war. Ein zierlicher Schriftzug leuchtete auf.

      »Das nächstgrößte Dorf heißt Solagri. In diesem Landesteil gibt es praktisch keine Städte und die Dörfer sind lediglich dicht beieinander liegende Bauernhöfe. Ihr werdet euch durchfragen müssen, aber das wird euch schon gelingen. Friebert weiß schließlich, was zu tun ist und wie man diese dummen Bauern zum Reden bringt.«

      Mit einem schweren Seufzen ließ Luves sich auf einen Stuhl sinken.

      »Das Gebiet ist riesig und es gibt keine Anhaltspunkte, wie er aussehen könnte. Wenn er wenigstens Hörner hätte oder Flügel …«

      Mit einem schnarrenden Lachen setzte Bukov sich neben ihn und stützte sich mit den runzeligen Händen auf seine Krücke.

      »Benutz deinen Verstand. Wahrscheinlich weißt du aus den Büchern, die du studiert hast, mehr über dieses Wesen als der Händler, der ihm gegenüberstand.«

      Nachdenklich lehnte Luves sich zurück und blickte zu der hölzernen Decke über sich auf, während der Meister ihn erwartungsvoll ansah.

      »Auf den Bauernhöfen leben seit Generationen die gleichen Familien und man kennt einander gut«, begann er langsam. »Jemand Fremdes, wie ein fahrender Händler oder eine umherstreunende Person, würde ihnen sofort auffallen.«

      »Diese Bauern sind ein eigenbrötlerisches Volk und werden nur ungern mit jemandem reden, den sie nicht kennen. Doch es gibt genug Wirtshäuser, in denen sich die Männer nach getaner Arbeit versammeln, um zu zechen. Das lockert ihre Zungen. Hör ihnen aufmerksam zu und achte auf jede Kleinigkeit.«

      »Ein Faun wirkt wie ein normaler Mensch, aber man sagt, dass er von besonderer Schönheit ist und jeden verzaubert, der ihn trifft«, fuhr Luves fort.

      »Deswegen solltest du ihm nicht zu nahe kommen. Darf ich dir einen gutgemeinten Rat mit auf den Weg geben?«

      »Natürlich. Ich bin für jeden Hinweis dankbar, der mir diese Aufgabe erleichtert.«

      »Es sind hinterhältige Kreaturen voller Arglist und Mordlust. Am besten spaltest du ihm mit einem Blitz den Schädel, sobald du ihn siehst, und schickst ihn durch die erste Pforte der neun Höllen!«

      Luves lachte gezwungen auf, doch der Meister behielt seine ernste Miene.

      »Halt die Ohren und die Augen offen, dann wird dir deine Mission gelingen und du wirst die wundersamsten Dinge erleben. Alle Zauber, die du benötigst, sind dir bekannt und was du noch benötigst, bekommst du von Meister Riudan in den Werkstätten der Kesselrührer. Du solltest dich jedoch beeilen, denn der alte Schwätzer wird dich ewig aufhalten. Am Ende findest du dich noch zu spät zu den Gebeten in deiner Gilde ein. Das würde deinem Ausbilder sicherlich missfallen.«

      Luves nickte und rollte schnell die Landkarte zusammen, um sie zurück in das Regalfach zu legen. Aufmunternd klopfte der Alte ihm auf die Schulter.

      »Mach dir keine Sorgen. Ich bin überzeugt, dass du diese Prüfung mit Leichtigkeit bestehen wirst. Du bist nicht auf den Kopf gefallen und von guter Gesundheit. Was soll dir da schon geschehen?«

      »Ich danke Euch für Eure guten Wünsche«, sagte Luves und deutete eine respektvolle Verbeugung vor dem Meister an.

      »Wenn du zurückkehrst, musst du mir von deinen Abenteuern berichten. Auf meine alten Tage sehe ich nicht mehr viel von der Welt.«

      »Ich verspreche es. Mein erster Weg wird mich zu Euch führen, um Bericht zu erstatten.«

      Bukov lachte und stieß ihn mit der Krücke an.

      »Du sollst mir nicht Bericht erstatten, sondern mir von deinen Abenteuern erzählen, du Holzkopf. Verschwinde jetzt, sonst mach ich dir Beine!«

      Kapitel 4

      Eilig lief er die Treppen hinab in das Erdgeschoss und ging auf den Ausgang zu. Zu seinem Erstaunen erwartete Reget ihn, der sich an den Türrahmen lehnte.

      »Gehst du zurück zur Anlage der Gilde?«, fragte er und deutete in die ungefähre Richtung des Stadttores.

      »Erst muss ich bei Meister Riudan vorsprechen und die Amulette abholen, die er für mich vorbereitet hat.«

      Reget stutzte und sah Luves skeptisch an.

      »Hat man dir etwa deinen ersten Auftrag erteilt?«

      Luves nickte bejahend. Der Jäger reichte ihm mit einem anerkennenden Lächeln die Hand, um ihm zu gratulieren.

      »Ich soll in den Sommerfeldern einen Faun stellen.«

      »Das dürfte sich nicht allzu schwierig gestalten. Ein Faun leistet kaum Gegenwehr. Mein erstes Ziel war ein Troll. Ich kann dir gar nicht sagen, wie mühsam es war, ihn einzufangen. Reist du alleine?«

      »Nein, Meister Friebert begleitet mich. Wir brechen morgen früh auf.«

      »Friebert?« Reget lachte laut auf. »Die Mächte mögen dir beistehen! Sprich ihn bloß nicht unaufgefordert an, ansonsten wird er ziemlich ungemütlich. Er kann es nicht ausstehen, wenn man redet, sich in seiner Nähe aufhält, existiert oder atmet. Versuch also, all das zu vermeiden.«

      »Ich werde mir Mühe geben.« Luves seufzte schwer und Reget klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

      »Das wird schon. Du hast ihn nur für ein paar Tage am Hals und musst dich danach nie wieder mit ihm herumärgern«, versuchte der Jäger ihn aufzumuntern.

      Gemeinsam verließen sie die Bibliothek und traten hinaus auf den Marktplatz. Rund um die gewaltige Säule sammelte sich eine große Gruppe Jungen. Alle waren nicht älter als fünf Jahre und trugen die Uniform der Schüler mit ihren langen Umhängen. Nachdenklich ließ Reget seinen Blick über sie wandern, als sie sich unsicher umsahen und sich dichter zusammendrängten. Sie schienen den Schutz der Gruppe zu suchen wie eine Schar Küken, die sich um die Glucke sammelte. Sie verteilten sich nach den Anweisungen der Meister um die gewaltige Säule und knieten sich auf den Boden. Die gebieterische Stimme von Meister Zudu schallte zu ihnen herüber. Zaghaft wiederholten die zukünftigen Schüler die Gebetsformeln. Die dünnen Stimmen, die jetzt noch so unsicher klangen, würden in einigen Wochen weitaus kräftiger erklingen. Die unsteten Blicke würden voller Stolz und Selbstsicherheit auf die Säule aus schwarzem Marmor gerichtet sein, die für die Macht und die Fähigkeiten eines jeden Einzelnen stand und das Symbol für die Einigkeit der vier Elemente war.

      »Bilde ich es mir ein, oder werden die neu angeworbenen Schüler immer jünger?«, fragte er Luves gedankenverloren.

      »Soweit ich weiß, hat sich am Eintrittsalter nichts geändert.«

      »Dann täusche ich mich wohl. Für mich wirken sie mit jedem Jahr kleiner und jünger. Weißt du noch, wie es war, in den Gilden aufgenommen zu werden?«

      »Das liegt schon so lange zurück, dass ich mich nicht mehr daran erinnere.«

      Luves versuchte seine Lüge mit einer gleichgültigen Miene zu überspielen. Gerade der Anblick dieser verängstigten Jungen erinnerte ihn an sich selbst, als er von seiner Mutter zu den Magiern in die Hauptstadt gebracht worden war, um den Gilden beizutreten. Der überwältigende Anblick der Stadt hatte ihn in Furcht versetzt. Eine solch gewaltige Ansammlung von Häusern, Menschen und Gefährten hatte er aus dem kleinen Dorf, aus dem er stammte, nicht gekannt.


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