Luves - Die Magier von Cimala. Bianca Schäfer

Luves - Die Magier von Cimala - Bianca Schäfer


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und alleine zurückgelassen. Damals hatte er zum ersten Mal in seinem jungen Leben begriffen, was Einsamkeit und Hilflosigkeit bedeuteten. Doch das hätte er Reget gegenüber niemals zugegeben.

      Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her und verließen den Marktplatz. Sie durchschritten eine schattige Gasse und ließen den Lärm der Menschenmenge hinter sich.

      »Eigentlich wollte ich dich nicht grundlos begleiten«, begann Reget. »Vor allem wollte ich mich bei dir entschuldigen, weil ich in der Bibliothek so schlecht über dich geredet habe.«

      Luves hielt inne und sah ihn erstaunt an. Reget war ein stolzer Jäger, der niemals freiwillig einen Fehler eingestanden hätte. Schon früher hatte es zwischen ihnen Auseinandersetzungen gegeben. Luves' Strebsamkeit stellte immer wieder einen Angriffspunkt dar und seine Mitschüler zogen ihn gerne damit auf, verhöhnten ihn für jeden seiner Misserfolge. Er war daran gewöhnt, nahm es nicht mehr bewusst wahr, aber diese Entschuldigung traf ihn völlig unvorbereitet. Reget scharrte mit den Sohlen über den Dreck, der das Pflaster bedeckte.

      »Ich wollte mich bei dir bedanken, weil du dich um Kilian kümmerst, ihn bei seinen Studien unterstützt und ihm Mut zusprichst. Er bewundert dich sehr und schaut zu dir auf.«

      »Wir teilen uns ein Zimmer, seit er zu den Gilden gekommen ist. Ich helfe vielen meiner Mitschüler bei ihren Übungen, also ist es nichts Besonderes.«

      »Ich rechne es dir trotzdem hoch an, denn er ist mein Neffe.«

      »Du bist mit ihm verwandt? Das wusste ich nicht.«

      »Niemand weiß es. In unserem Stammbaum gab es viele Magier, die sich den Gilden anschlossen. Aber innerhalb der drei Häuser ist es unbedeutend, wenn man aus einer Familie stammt. Deshalb bin ich froh, dass du dich seiner angenommen hast, seitdem ich den Jägern beigetreten bin und den Trakt der Schüler verlassen habe.«

      »Ich habe ihn nicht ganz freiwillig unter meine Fittiche genommen, sondern er hat sich eher mir zugewandt.«

      »Es ist trotzdem nicht selbstverständlich. Du hast es schließlich selbst erfahren, wie die älteren Schüler mit den jüngeren umgehen. Ich war früher auch nicht sonderlich freundlich zu dir.«

      Verlegen wich Luves seinem Blick aus und wandte sich von ihm ab. Sie hatten damals dasselbe Zimmer bewohnt, und so wie Kilian nun zu ihm aufschaute, hatte er Reget bewundert. Der Magier galt als der Talentierteste seines Jahrgangs und Luves hatte versucht, ihm nachzueifern. Doch es war egal gewesen, wie sehr er sich auch bemühte. Nie gelang es ihm, dessen Können im Schwertkampf zu erreichen oder die Kraft, die in seinen Zaubersprüchen lag, zu übertreffen. Reget, mit seiner hochgewachsenen, kräftigen Statur und seiner stolzen Haltung, hatte alle übertrumpft. Trotzdem hatte Luves immer wieder versucht, sich mit ihm zu messen und ihn herausgefordert. Die Antwort darauf war, dass man ihm eine Vielzahl an dummen Streichen spielte und ihn verhöhnte, doch das war ihm gleich gewesen.

      »Ich muss gestehen, du warst mir früher etwas unheimlich«, riss der Jäger ihn aus seinen Gedanken.

      »Warum war ausgerechnet ich dir unheimlich? Es gibt niemanden, der harmloser ist als ich.«

      Ungläubig sah Luves ihn an und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.

      »Dein unermüdlicher Ehrgeiz war vielen suspekt. Du hast nie aufbegehrt, egal, was man dir aufgebürdet hat und du hast jede Herausforderung angenommen, auch wenn du wusstest, dass du scheitern würdest. Ich habe mich immer gefragt, was dich dazu antreibt.«

      »Du hast dich selbst gefragt, aber nie mich. Ich habe mir ständig neue Ziele gesetzt und daran gearbeitet, sie zu erreichen.«

      »Gehörte dazu auch der vorzeitige Erhalt des Siegels?«

      »Ich wollte einfach beweisen, dass es möglich ist, diese Prüfungen zu bestehen, auch wenn es nicht dem Alter entspricht.«

      »Aber gebracht hat es dir nicht sonderlich viel. Du hast das Mal erhalten und danach ging deine Ausbildung doch nur den üblichen Weg.«

      »Ich muss gestehen, damit hatte ich nicht gerechnet. Heute weiß ich nicht mehr, was ich mir davon versprochen habe, aber zumindest hatte ich es hinter mir, ein Brandeisen aufgesetzt zu bekommen.«

      Reget lachte kurz und gezwungen auf, rieb sich fahrig über die Stirn.

      »Kilian wird die Prüfungen nicht bestehen«, sagte er und sah Luves ernst an.

      »Wie kommst du auf diesen Gedanken? Er herrscht über zwei der Elemente. Ein solches Talent gab es zuletzt vor rund hundert Jahren, wenn ich mich recht erinnere. Selbst ich beneide ihn darum. Es ist wahr, dass er unsicher im Gebrauch der Kräfte ist, über die er befiehlt. Alles was er braucht, ist etwas mehr Übung und Selbstvertrauen. Er muss sich besser auf die Sprüche konzentrieren, aber das wäre auch schon alles.«

      »Er beherrscht alle erforderlichen Sprüche, aber er will sie nicht einsetzen. Ich habe eingehend mit ihm gesprochen und das nicht nur heute. Sein Talent liegt darin, magische Utensilien wie Amulette oder Zaubertränke zu fertigen und nicht im Kampf. Er ist als Jäger völlig ungeeignet und fürchtet sich geradezu davor«, erklärte Reget.

      »Dann könnte man ihn zu den Kesselrührern schicken. Dort wäre er am besten aufgehoben. Er trägt noch nicht das Siegel unserer Gilde. Somit wäre es möglich, dass er zwischen den Häusern wechselt.«

      »Das Haus ist bereits gefüllt und sie nehmen keine weiteren Anwärter auf. Ebenso wie die Spruchweber in der Bibliothek. Es gibt einen neuen Beschluss vom Rat, der heute unter den Jägern bekanntgegeben wurde.«

      »Warum weiß ich nichts davon?«

      »Du bist nur ein Anwärter und kein vollwertiger Jäger. Das bist du erst nach deinem ersten erfüllten Auftrag.«

      »Dieser Aufnahmestopp ist doch Unfug. Sollen alle Schüler zukünftig Jäger werden? Das glaube ich dir nicht.«

      »Es wird dir nicht gefallen, Luves, aber dieses Vorgehen hat durchaus seine Gründe. Es liegt nicht nur daran, dass die anderen Häuser gefüllt sind. Vielmehr ist es so, dass wir mehr Jäger, also Krieger, brauchen werden. Wenn die vier Mächte es nicht verhüten mögen, dann wird es zukünftig nur noch Schüler in unserer Gilde geben.«

      »So viele brauchen wir doch niemals. Oder befürchtet der Rat eine Rückkehr all der Geistwesen, die aus Aestra vertrieben wurden?«

      »Es wird bald ein Krieg ausbrechen.«

      »Woher weißt du das?«

      Reget sah sich vorsichtig um, als ob er fürchtete, belauscht zu werden. Mit einer unauffälligen Geste bedeutete er ihm, leiser zu sein.

      »Mach deine Augen auf, Luves«, raunte er ihm zu.

      »Die Wesen, die wir jagen, fliehen nicht einfach nur in die freien Lande. Sie sammeln sich dort und warten auf eine Gelegenheit, uns anzugreifen.«

      »Hast du dafür Beweise? Weiß der Rat davon?«

      »Schau doch nur, wohin wir Jäger ausgesandt werden. Wir bewegen uns nur noch entlang der Grenzen und fangen diejenigen ab, die die Sommerlande verlassen wollen. Vor ein paar Tagen haben wir einen Dämon aus den kleineren Rassen gefangen und verhört. Erst wollte er nicht reden, aber die Folter hat seine Zunge gelockert. Er hat uns keine genauen Pläne verraten, bevor er gestorben ist, aber wir haben genug erfahren, um zu erahnen, was vor sich geht. Die geächteten Wesen bringen in den Städten hinter den Grenzen von Aestra ihre Familien in Sicherheit und jeder, der kämpfen will, scheint sich den aufständischen Truppen anzuschließen. Aber das betrifft nicht nur die Wesenheiten. Es gibt auch großen Unmut innerhalb der Bevölkerung. Die Menschen sind unzufrieden und begehren immer öfter auf. Das merkt man daran, dass sie sich weigern, ihre in der Magie begabten Kinder den Gilden zu übergeben. Du hast selbst auf dem Marktplatz gesehen, wie wenige es nur noch sind. Es ist schon lange keine Ehre mehr, zu den Magiern zu gehören. Sieh dich vor, wenn du auf den Straßen unterwegs bist. Man kann nicht sagen, wie die Dinge sich entwickeln werden.«

      Luves blieb stehen und hielt den Atem an. Reget legte


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