Getting Pro. Andreas Mistele

Getting Pro - Andreas Mistele


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      Andreas Mistele, im August 2012

      2Einleitung

      Damit du gleich zu Anfang mit dem in diesem Buch angestrebten Grundverständnis geimpft wirst, möchte ich dir fünf in meinen Augen und Ohren essentielle Aussagen vorstellen:

       1. Musik ist Kunst und in der Kunst gibt es keine Regeln!

      Sicher, es gibt sogenannte Studiostandards und im Zweifel empfiehlt es sich auch, sich erst einmal an die gängige Methode zu halten. Falls du aber die Möglichkeit hast, auch andere Verfahren zu prüfen, solltest du diese Chance unbedingt nutzen.

      Zum einen kann eine Alternativtechnik zu einem sehr eigenständigen und überraschend authentischen Klang führen und zum anderen eröffnet das Ausprobieren auch neue Erkenntnisse zur gängigen Methode.

       2. Presets sind böse!

      Jeder Song funktioniert anders und braucht daher individuelle Einstellungen. Darum sind in diesem Ratgeber auch alle Parameterangaben als Orientierungsmarken zu sehen und nicht als Fixwerte.

       3. Shit in means shit out!

      Der oft gehörte Ansatz „We will fix it in the mix“ ist nicht zielführend.

      Kein Effekt der Welt kann aus einem miesen Eingangssignal ein gutes Ausgangssignal zaubern. Daher solltest du beim Aufnehmen deiner Rohsignale die größte Sorgfalt walten lassen.

       4. Der Ton macht die Musik!

      Solltest du hier auf Produkttipps hoffen, muss ich dich leider gleich enttäuschen. Die angegebenen Methoden sind nicht an bestimmte Produkte gebunden, sondern allgemein anwendbar.

      Letztlich wirst du in diesem Ratgeber lernen, dass die richtige Methode wichtiger ist als das eingesetzte Equipment an sich! Der Ton macht die Musik und nicht der Preamp oder Wandler.

      Es gilt: Ein guter Song ist ein guter Song. Jedoch mit dem richtigen Einsatz des richtigen Equipments wird aus dem guten Song ein fantastischer Song! Diese Aussage ist aber nicht an spezielle Marken und Produkte gebunden.

       5. Effekte sind nur Make-Up!

      Ein Instrument muss schon ohne Effekte gut klingen, aber mit Effekt fantastisch! Bevor du also in die Effekttrickkiste greifst, sollten die Ursignale an sich schon perfekt sein.

      3Technik und andere Mittel zum Zweck

      3.1No Gearslut!

      Als Gearslut bezeichnet man jemanden, der sich ständig neues, immer hochwertigeres und damit stetig teureres Equipment zulegt. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Wir spielen alle gerne mit teurem Spielzeug. Häufig wird aber an den falschen Stellen investiert.

      Es mag für die Musikalienhändler hart sein, aber hochwertiges und teures Equipment macht noch lange keinen guten und teuer klingenden Sound! Eigens durchgeführte Tests mit unterschiedlichem Equipment (Preamps, Mikrofone, Kabel, Wandler, …) zeigten, dass der klangliche Vorteil von sündhaft teurem Equipment gegenüber gutem Mittelklasse-Gerät weit geringer ist als der Preis suggeriert. Er steht auf jeden Fall in einem großen Missverhältnis zum Kostenunterschied. In Zahlen gesprochen: 100 % Preissteigerung führt meist nur zu 10 % Klangvorteil!

      Zur Verdeutlichung möchte ich dir ein Ranking an klangbeeinflussenden Faktoren über den Produktionsprozess vorstellen. Die Skala reicht von eins bis zehn, je wichtiger ein Faktor ist, umso höher ist dessen Punktzahl:

      Raum: 10

      Interpret: 10

      Mikrofonposition: 9

      Monitoring: 8

      Mikrofon: 7

      Effekte im Mix: 6

      Preamp: 5

      Wandler: 3

      Host-Software: 1

      Kabel: unter 1

      Wie du siehst: Die wichtigste Basis für professionellen Klang ist immer noch ein guter Musiker in einem gut klingenden Raum, dessen Leistung korrekt aufgenommen und über eine gute Monitoranlage abgehört wird!

      Wenn du also Geld in besseren Sound investieren willst, fange bei der Raumakustik, den Mikrofonen und den Monitoren an. Erst wenn du hier das für dich maximal Mögliche rausgeholt hast, brauchst du über weitere Anschaffungen nachzudenken.

      Glücklicherweise bietet Recording-Equipment heutzutage schon im unteren bis mittleren Preisniveau eine überraschend gute Qualität. Es lohnt sich also, zu testen und zu vergleichen. Bevor du dich für ein High-End-Produkt zu einem ebenso High-End-Preis entscheidest, solltest du sicherstellen, dass du dessen Klangvorteil überhaupt hören und umsetzen kannst. Denn wie so oft gilt auch hier: Die Aufnahmekette ist nur so gut wie ihr schwächstes Glied.

      Hast du bereits in gutes Mittelklasse-Equipment investiert, kannst du dich eigentlich entspannt zurück lehnen. Ab einer gewissen Mindestqualität hängt die Klangbeurteilung eher von deinem persönlichen Geschmack als von objektiven Gesichtspunkten ab. Ein „besser“ oder „schlechter“ gibt es hier nicht mehr. Mit einer Mindestqualität meine ich zum Beispiel:

       Großmembran-Kondensatormikrofone ab 500,- EUR

       Monitoranlage ab 800,- EUR

       Mikrofon-Preamps ab 400,- EUR

      Daher habe ich beispielsweise lieber zwei Mikrofone für je 500,- EUR im Pool als ein Mikrofon für 1000,- EUR. Dies heißt nicht, dass Geräte unterhalb dieses Preisniveaus unbrauchbar wären. Wie oben beschrieben, verfügt heute schon günstiges Equipment über eine erschreckend gute Qualität. Aber irgendwo muss man schließlich eine grobe Grenze ziehen, ab welcher wir uns nicht mehr im Einsteigerbereich befinden.

      Noch ein paar Sätze zum Reizthema Kabel: Kein Mensch propagiert den Einsatz von Billigstrippen, die ein Werbegeschenk für ein Abo einer Musikzeitschrift waren. Dennoch muss ein Mikrofonkabel von 10 m nicht mehr als 15,- EUR kosten, um hochwertig zu sein.

      Ich sage es frei heraus: ich glaube nicht an Kabelklang. Wichtig sind in meinen Augen und Ohren solide verarbeitete und gut geschirmte Kabel mit stabilen Steckern samt Zugentlastung. An den Steckverbindungen finden im Übrigen die größten Verluste statt.

      Da man ja nicht in Kabel rein schauen kann, wird in diesem Bereich leider viel Unsinn erzählt. Besonders verdächtig finde ich, wenn Hersteller mit verminderten Skin-Effekten und besonders sauberen Metallkristallen werben oder gar auf Laufrichtungen der Signale hinweisen.

      Absurd, wo doch jeder Schüler ab der Oberstufe weiß, dass Metall kein kristalliner Stoff ist und die Leitungs-Elektronen frei im Metallgitter umher wandern können. Zudem sind praktisch alle analogen Audiosignale Wechselspannungen und können daher gar keine Laufrichtung haben!

      Zu den Skin-Effekten ist zu sagen, dass sich diese messbar nur im Ultrahoch-Frequenzbereich bemerkbar machen, also ab ca. 1 Mhz. Unabhängig davon, dass dies keine Monitoringanlage und kein AD/DA-Wandler abbilden kann, sind dies Frequenzen, die mehr als 15 Oktaven über dem Band liegen, das wir Menschen überhaupt hören können.

      Ebenso blumig werden auch besondere Netzkabel beworben, welche die Verbindung zwischen Steckdosen und deinem Equipment optimieren sollen. Bei der Bewertung über Sinn oder Unsinn dieser Produkte sollte man sich vor Augen halten, dass der Netzstrom Hunderte von Kilometern über ungeschirmte Hochspannungsleitungen und Trafostationen zurücklegt, bevor er in die Jahrzehnte alten Verteiler deines Wohnbezirks gespeist wird. In deinem Haus angekommen, wandert er durch Stromzähler, Sicherungskasten und über mehrere Stockwerke durch ebenfalls ungeschirmte Hausstromleitungen. Wie sich die letzten 1,5 m von der Steckdose zum Verbraucher dann noch auswirken sollen, entzieht sich meinem Verständnis.

      Letztlich kann und soll das jeder


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