Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie


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hob ich meine Hand und strich mit dem Daumen über meine Finger. Menards Blut daran war noch frisch und feucht.

      Ich konnte nicht glauben, dass er tot war.

      Jemand räusperte sich und ich hob langsam den Kopf. Vor den steinernen Treppenstufen der Zufluchtstür stand die Bruderschaft und sah zu mir auf. Lazlo bildete die Spitze.

      Ich starrte ihm vollkommen gefühllos entgegen.

      »Mein Bruder«, begann Lazlo, doch er sprach es ohne jegliche Betonung aus, so als sei es nur eine Floskel, die ihm zuwider war. »Wo ist dein treuer Schamane?«

      Dank Menard war ich am Leben. Nur wegen ihm haben Derrick und ich solange überleben können. Selbst diese Bruderschaft würde ohne Menard nicht existieren. Meine Männer hatten stets Angst vor der Magie meines Schamanen gehabt, nun war dieser aber tot ...

      »Ich habe ihn von seinem Leid erlöst«, antwortete ich.

      Lazlo nickte, ich konnte die Herausforderung von seinen Augen ablesen.

      »Willst du es versuchen, mein Bruder?«, provozierte ich und ballte mit der blutigen Hand eine Faust. »Muss ich euch alle daran erinnern, weshalb ihr mir folgt?« Mein Blick zuckte zu Egid, der nur noch ein Auge hatte, und ich sprach weiter: »Der letzte, der glaubte, ich sei nur ein Bengel, der besiegt werden kann, verlor ein Auge.«

      Egid hielt meinem Blick stand, auch als ihn alle belustigt ansahen.

      Lazlo nickte mit dem Kopf. »Wir folgen, weil du dir unseren Respekt verdient hast.«

      »Wo liegt also dein Problem?«, verlangte ich zu wissen.

      Lazlo breitete die Arme aus. »Hier liegt mein Problem. Die königlichen Truppen sind mein Problem! Was in aller Welt wollten diese Bastarde hier?«

      »Sie wollte mich«, erwiderte ich gelassen.

      »Mel, nicht!«, bat Derrick hinter mir.

      »Wieso nicht?«, fragte ich ihn. »Es ist an der Zeit, dass sie die Wahrheit erfahren.«

      »Das sehe ich auch so«, mischte Lazlo sich ein.

      Ich wandte mich boshaft lächelnd an meine Brüder. »Ihr denkt, ihr müsst mir nicht mehr folgen, jetzt da Menard tot ist, aber ich gebe Euch einen verdammt guten Grund, mir zur Seite zu stehen ...«

      »Es geht nicht um dich, nicht wirklich«, warf Egid ein. »Wir fragten uns nur ... wer sollen uns jetzt schützen? Menard hat unser Zuhause mit Zaubern verteidigen können ... aber selbst Magie hat ihn nicht vorm Tod bewahrt.«

      »Ach, darum geht es hier?« Ich musste laut lachen. »Ihr habt Schiss?«

      »Wir sind nur beunruhigt«, zischte Lazlo sauer.

      »Ihr habt Schiss«, beharrte ich und lachte über sie alle. »Ihr macht euch wegen ein paar königlichen Soldaten in die Hose? Obwohl wir vor nicht einmal fünf Tagen hundert Elkanasai getötet haben?«

      »Vor fünf Tagen glaubten wir auch noch, die Wolfshöhle wäre sicher«, warf Kostja ein. »Jetzt aber müssen wir uns fragen, wann sie das nächste Mal kommen und unser Zuhause angreifen.«

      »Das hier ist nicht länger unser Zuhause«, konterte ich ernst.

      Sie sahen fragend zu mir auf.

      Lazlo sprach für sie alle: »Und wo sollen wir hin? Ohne Auftrag, keine Bezahlung! Und in letzter Zeit hast du uns nur für deine eigenen Belange missbraucht. Wir sehen kein Silber für die lange Reise, die hinter uns liegt, geschätzter Bruder.«

      »Ihr habt euch ja auch nicht in die Stadt geschlichen und einen Tempel bestohlen«, schrie ich zu ihnen hinab. Die Ader an meiner Schläfe begann wieder zu pulsieren, ich bekam Kopfschmerzen davon.

      Ich hatte gerade jemand verloren, der mir einst sehr wichtig gewesen war, ich hatte keinen Nerv für derlei Diskussionen.

      »Vielleicht sollte ich euch einfach alle töten, wenn ich an eurer Treue zweifeln muss.«

      »Du bist allein«, Lazlo zog grinsend sein Schwert, »wir sind dir zahlenmäßig überlegen.«

      Janek, der ohnehin abseitsgestanden hatte, machte nun einen weiteren Schritt zurück und entfernte sich von der Gruppe.

      Lazlo schnaubte abfällig über ihn: »Feigling.«

      Janek stellte sich nicht gegen mich, aber er zog auch nicht den Bogen für mich, er hielt sich einfach raus.

      Lazlo wandte sich wieder an mich. »Na, willst du uns herausfordern ... oder trittst du friedlich ab? Dann lassen wir dich vielleicht gehen.«

      Es war amüsant, das Lazlo davon ausging, das die anderen Brüder ihm beistünden, allerdings sah ich in Kostjas, Corins, Egids und Manolos Augen große Zweifel. Sie wollten sich nicht wirklich gegen mich stellen.

      Ich zog mein Schwert. »Das ist meine Bruderschaft!«

      Lazlo lachte ein dreckiges Lachen. ›He. He. He.‹ »Das kannst du nicht gewinnen. Du bist allein, gegen mehr als siebzig Schwertkämpfer.«

      »Zu zweit!« Derrick zog ebenfalls sein Schwert und trat entschlossen neben mich.

      Lazlo grinste ohne jede Freude. »Ich hielt dich für klüger, Derrick.«

      »Das geht nicht gegen dich persönlich, Lazlo«, erwiderte Derrick gelassen. »Es ist nur so, dass meine Treue ausschließlich meinem Prinzen gehört.«

      Lazlo und die anderen Brüder stockten sofort.

      Ich schmunzelte Derrick an. »Danke, für diese vortreffliche Einleitung, Sir Derrick Einar.«

      Derrick neigte sein Haupt, ehe er spöttisch zurück schmunzelte: »Mit dem größten Vergnügen, Eure königliche Hoheit!«

      »Was quatscht er da?«, verlangte Lazlo zu wissen. Er starrte mich mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck an, sein Schwert sank herab und lag nur noch locker in seiner Hand.

      Ich lächelte die Bruderschaft an. »Als ich den Großteil von euch verwahrlosten Dreckskötern vor vielen Jahren davor bewahrte, blind in ein Trollnest zu rennen, stellte ich mich als Namenloser vor. Heute möchte ich aus den Schatten treten und das Geheimnis um meine Person lüften.«

      Noch einmal warf ich einen Blick auf Derrick. Er nickte mir nun auffordernd zu, obwohl ich Sorge in seinen Augen lesen konnte.

      »Meine Brüder«, wandte ich mich wieder an die Männer zu meinen Füßen. »Ich bin Melecay Wiglaf von Carapuhr, der erstgeborene Sohn König Amons aus der Ehe mit Königin Olia Radga von Carapuhr, einstige Olia Radga von Zadest, die auf widerlichste Weise verraten und ermordet wurde.«

      Nun blickte auch die Sklavin auf, die ich befreit hatte.

      Lazlo schüttelte den Kopf, sein Schwert rutschte aus seiner Hand und landete klappernd auf dem Boden zu seinen Füßen, sein Mund stand offen. »Nein, das kann nicht sein. Alle Erben sind tot!«

      »König Amon verriet sein eigenes Land und ließ seine Familie abschlachten, um eine Elkanasai Schlampe zu ehelichen«, berichtete ich mit lauter Stimme, damit mich auch ja alle hören konnten. Wut beflügelte meine Worte. »Ich und meine Leibwache, Sir Derrick Einar, entkamen und suchten Zuflucht bei meinem Lehrer, Menard. Der Schamane floh mit uns hier her und versteckte mich vor meinem Vater.« Ich sah Lazlo fest in die Augen. »Es ist wahr, mein Bruder, ich bin der rechtmäßige Erbe.« Ich begann grimmig zu lächeln. »Ich bin Kronprinz Melecay.«

      Meine Brüder atmeten fassungslos aus und starrten mich an, als sei ich die Personifizierung Gottes.

      Man konnte es ihnen nicht verübeln, der Mord an meiner Mutter und an meinen Geschwistern hatte im ganzen Land große Trauer ausgelöst. Angeblich ein Komplott interner Rebellen, so hatte mein Vater es den Leuten glauben machen. Damit hatte er gerechtfertig, mehrere rebellierende Adelige zu vernichten und ein Bündnis mit den Elkanasai einzugehen, angeblich um das Land zu schützen. Verräter! Was hatte er damit erreicht? Das gute Männer ihr täglich Brot mit bezahltem Morden verdienen mussten. Demnach war die


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