Grossfuss. Edgar Wallace

Grossfuss - Edgar Wallace


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      »Hier stand er«, sagte Super und leuchtete das Gras ab. »Man kann keine Spuren entdecken, der Boden ist zu hart. Nichts ...« Plötzlich bückte er sich, nahm einen langen, dunklen Gegenstand auf und pfiff vor sich hin.

      »Was haben Sie?« fragte Cardew.

      »Einen Patronenrahmen von einer Zweiundvierziger-Repetierpistole, ganz voll Patronen«, sagte Super. »Vom Marinedepartment der Vereinigten Staaten – ist ihm aus der Schusswaffe gefallen.«

      Mr. Cardew erschrak. Jim glaubte wahrzunehmen, daß sein Gesicht blasser geworden war. Möglicherweise, dachte er, ist es das erste Mal, daß Mr. Cardew den nackten Tatsachen eines beabsichtigten Verbrechens Auge in Auge gegenübersteht. Stephen Elson schaute mit offenem Mund auf den Patronenrahmen.

      »Und er hat die ganze Zeit mit einer Pistole dort gesessen?« Er zitterte. »Haben Sie ihn denn genau gesehen?«

      Super wandte sich zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.

      »Machen Sie sich keine Gedanken darüber«, sagte er freundlich, fast teilnehmend. »Wenn ich ihn gesehen hätte, hätte ich ihn auch gefangen. Ich möchte einmal Ihr Telefon benützen, Mr. Cardew.«

      Sein Gastgeber führte ihn zum Arbeitszimmer.

      »Sind Sie dort, Lattimer? Lassen Sie alle Reservemannschaften ausrücken, halten Sie jeden an, der sich nicht ausweisen kann, besonders Landstreicher. Wenn Sie meinen Befehl ausgeführt haben, kommen Sie nach Barley Stack, und bringen Sie eine Schusswaffe und Handlampen mit!«

      »Was ist passiert, Super?«

      »Ich muß einen Kragenknopf verloren haben«, sagte er ruhig und hängte den Hörer ein.

      Er schaute in das ängstliche Gesicht Cardews, und seine Blicke wanderten von dem Anwalt zu den vollen Bücherschränken.

      »Da muß eine Menge drinstehen, das einem helfen kann, einen verrückten Landstreicher festzunehmen«, sagte er. »Und ich muß mich auf meine gewöhnlichen Hilfsmittel verlassen, und es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß wir ihn nie kriegen.«

      Er zwinkerte wie gewöhnlich mit den Augen. Cardew sah die Flecken auf seinem Hemd und nahm den Geruch wahr, den die Mottenkugeln dem Frack gegeben hatten. Dadurch erhielt er sein Selbstvertrauen und seine Haltung wieder.

      »Das ist einer von den Fällen, in denen die physischen Eigenschaften der Polizei bewundernswert sind, aber alles in allem ist nichts besonders Schwieriges darin, einen bewaffneten Landstreicher zu entdecken.«

      »Nichts Besonderes«, sagte Super und schüttelte traurig den Kopf. Er überschaute die vollen Bücherregale wieder und seufzte. »Der Kerl war hinter Elson her«, sagte er dann.

      Cardew schaute erstaunt auf.

      »Elson erwartete ihn auch«, sagte Super mit einem abwesenden Blick. »Warum hätte er sonst eine Waffe bei sich?«

      »Was? Elson hat eine Pistole bei sich? Woher wissen Sie das?«

      »Ich fühlte es an seiner hinteren Tasche, als ich nahe an ihn herantrat. Ist das nicht eine feine Beobachtung? Ich klopfte ihm auf die Schulter und lehnte mich mit meiner Hüfte an seine Tasche. Von der ganzen Polizeitruppe habe ich die Hüfte mit dem feinsten Gefühl. Was bedeutet das eigentlich in der Anthropologie?«

      Aber Mr. Cardew ging nicht darauf ein.

      »Warum folgten Sie dem Oberinspektor, Mr. Ferraby? War das nicht leichtsinnig von Ihnen?«

      Jim und die junge Dame waren allein auf dem Rasenplatz. Hanna war mit dem Amerikaner verschwunden. Obgleich Jim sich Vorwürfe machte, in der hereinbrechenden Dunkelheit mit Elfa draußen zu bleiben, wurden seine Bedenken doch von dem Reiz der Nacht und der geheimnisvollen Einsamkeit überstimmt.

      »Es war für mich kein größeres Wagnis als für Super«, sagte er. »Außerdem gebe ich gern zu, daß ich dachte, er habe sich durch einen Schatten täuschen lassen. Ich hatte vergessen, daß der alte Teufel Augen hat, mit denen er durch eine Wand sehen kann. – Mögen Sie diesen Elson eigentlich leiden?« fragte er plötzlich.

      »Elson? Nein – weshalb fragen Sie?«

      »Nun, er ist Amerikaner, und ich dachte, das sei natürlich, wenn sich Landsleute treffen«, sagte er etwas linkisch.

      »Wenn ich eine Engländerin wäre und einen englischen Taugenichts in New York träfe – würde ich ihn dann gern haben, weil er ein Engländer ist?« fragte sie lächelnd.

      »Einen Taugenichts? Ich wußte nicht, daß er das ist«, begann er.

      »Sie wissen nicht, wie unhöflich Sie jetzt zu mir sind«, sagte sie. »Ja, Mr. Elson ist ein Taugenichts, ich kann kein anderes Wort für ihn finden, obwohl es nicht hübsch klingt.«

      »Ich wußte nicht, daß Sie Amerikanerin sind«, murmelte er, als sie langsam auf dem kurzgeschnittenen Rasen auf und ab gingen.

      »Ich habe mir nie träumen lassen, daß Sie überhaupt bemerkten, daß ich jemand sei«, entgegnete sie kurz. »Höchstens eine von den Stenotypistinnen in King's Bench Walk. Wollen Sie einen Flirt mit mir beginnen?«

      Jim errötete bei der überraschenden Offenherzigkeit Elfas.

      »Nein, das will ich nicht«, sagte er und atmete schnell.

      »Dann will ich Ihren Arm nehmen. Ich fürchtete mich ein wenig«, gestand sie ihm dann. »Es war wirklich unheimlich. Das Licht ging aus, und man hatte das unangenehme Gefühl, daß man von draußen beobachtet wurde.«

      Ihr Arm lag auf dem seinen. Jim Ferraby hielt etwas verlegen den Ellenbogen in steifer Haltung, und sie lächelte, als sie merkte, wie er den Anstand wahren wollte.

      »Sie können ruhig Ihren Arm sinken lassen – so ist es gut, ich werde mich nicht anklammern. Ich finde nur eine gewisse Stütze und habe Vertrauen, wenn ich einen männlichen Arm fühle. Es kann der Arm irgendeines Mannes sein, mit Ausnahme von Mr. Elson.«

      »Ich verstehe.« Er wollte eisig zu ihr sein, aber ihr weiches Lachen ließ seinen Trotz verschwinden.

      »Ich liebe das Landleben nicht«, plauderte sie. »Mein armer Vater hatte es so gern. Er war gewöhnt, im Freien zu schlafen, selbst bei stürmischem Wetter.«

      »Ihr Vater ist während des Krieges gestorben?«

      »Ja.« Ihre Stimme war kaum hörbar. »Er starb im Krieg.«

      Wieder gingen sie schweigend auf und ab, und ihr Arm ruhte mit größerem Zutrauen in dem seinen. Ihre Fingerspitzen berührten wie zufällig den Rücken seiner Hand.

      »Wie lange werden Sie hierbleiben?« fragte er.

      »Bis morgen nachmittag – ich muß einen Zettelkatalog anfertigen. Aber Mr. Cardew wird mich nicht hierbehalten, wenn seine Haushälterin fortgegangen ist. Sie macht einen Wochenendausflug.«

      »Was denken Sie eigentlich von ihr?« fragte er.

      »Sie mag ganz nett sein, wenn man sie näher kennenlernt«, erwiderte sie vorsichtig. Supers lange Gestalt zeigte sich in der Türöffnung.

      »Kommen Sie herein, bevor die Gespenster Sie fassen, Mr. Ferraby. Es hat sich etwas Ungewöhnliches ereignet – mein Sergeant war tatsächlich auf dem Posten. Im allgemeinen denkt er, daß alle Zeit, die er nicht schläft, für ihn verloren ist. Mr. Cardew fragte nach Ihnen, Miss Leigh.«

      Sie ging ins Haus. Ferraby wollte ihr folgen, aber Super hielt ihn zurück.

      »Gehen Sie ein wenig mit mir auf und ab, Mr. Ferraby, und geben Sie mir Nachhilfestunden in Psychologie und Anthropologie.«

      Es war merkwürdig, wie gut Super alle diese Dinge kannte, wenn er nicht in der Gesellschaft Cardews oder seines Sergeanten war.

      »Elson muß heute Abend wieder nach Hause gehen, und ich vermute, daß dieser Mensch mit der Pistole ihm auflauern will. Die ganze Sache ist sehr kompliziert und geheimnisvoll. Ein Amerikaner versucht einen anderen Amerikaner niederzuknallen.«

      »Denken


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