Gefesselte Lust - Teil 2. Kristina Schwartz
zu einem lustvollen Stöhnen wurde. Immer hektischer und wilder bewegte er sich in ihr. Sie hatte ihm ihren Körper ausgeliefert und er verstand es – Gummi hin, Schwanz her – ihr das zu geben, wonach es sie so sehr verlangte. Sie wand sich, bäumte sich auf, zerrte an den Seilen, konnte sich schließlich nicht mehr länger gegen die Wellen ihrer Lust wehren, die in immer kürzeren Abständen kamen. Ein erstickter, unkontrollierter Schrei elektrisierte den Raum, als sie kam.
Mit einem Lächeln auf ihren wollüstigen Lippen sank sie auf dem Bett zurück.
Als sie die Augen öffnete, saß Tobias auf ihr.
Es dauerte eine Weile, bis sie die Aufschrift auf seinem T-Shirt bemerkte. »Ich bin Arzt, ich bin Profi«, stand dort und das unterstrich er noch mit einem breiten Grinsen.
32
Mit hochhackigen Ankleboots, schwarzen Lederleggings und einem hautengen, dunkelroten Rollkragenpullover betrat sie die Praxis. Sie spürte, wie die Blicke der Therapeutin jeden Zentimeter ihres Körpers abtasteten. Ob sie wirklich so schön war, konnte sie nicht sagen, jedenfalls fühlte sie sich heute unwiderstehlich und begehrenswert. Sie betrachtete es als Kompliment, dass eine attraktive und sportliche Erscheinung wie Denise sie so eindringlich musterte und kaum den Blick von ihr lassen konnte. Es lag eine Art von Bewunderung in diesen Blicken, die sie in den männlichen niemals gesehen hatte. Es waren zärtliche Berührungen, die ihre Beine, ihre Brüste, ihr Gesicht und ihr Haar liebkosten. Es waren nicht die aggressiven, fordernden, ausziehenden Blicke des anderen Geschlechts, die sie so anwiderten. In diesen Augen war etwas Liebevolles und Wohlwollendes, das ihr weder vom gleichen noch vom anderen Geschlecht im Übermaß in ihrem Leben entgegengebracht worden war. Sie war mit sich zufrieden und fühlte sich ausgeglichen, als sie sich auf den massiven Sessel sinken ließ.
»Wollen Sie auch eine Tasse Tee?«, fragte Denise, die gerade einen Becher mit dem dampfenden Inhalt vor sich auf den Tisch stellte.
»Ja, bitte.«
»Einen Schuss Rum vielleicht?« Ehe sie antworten konnte, hatte Denise ihn auch schon hineingekippt.
»Kann ja nicht schaden, bei dem nasskalten Wetter.«
Sie nahm einen kräftigen Schluck und spürte, wie die Wärme sich in ihrem Leib ausbreitete und bis in ihre schlanken Beine hinunterkribbelte.
»Wie ist es Ihnen diese Woche ergangen?«
»Ja, ich habe mich, wie Sie vorgeschlagen hatten, Ihrer Aufgabe gestellt.«
»Sehr schön.« Denise jonglierte einen Bleistift zwischen den Fingern der linken Hand.
»Ich habe mir wirklich ganz bewusst dafür Zeit genommen. Hab’ das Telefon, das iphone, den ipod, das ipad, den imac, das ibook, die Eieruhr und die Türglocke abgestellt, um ja nicht gestört zu werden und habe versucht, mich in Ihre Position – wenn ich das mal so sagen darf – zu versetzen.« Sie legte eine kunstvolle Pause ein, in der sie einen großzügigen Schluck von ihrem alkoholisierten Tee nahm, dann stellte sie die Tasse ab, strich mit der schlanken Hand über ihre belederten Oberschenkel, ehe sie beide Arme vor ihrem flachen Leib verschränkte. »Es war eine ... interessante Erfahrung. Ambivalent möcht’ ich sagen.«
Ambivalent möcht’ ich sagen, äffte Denise – so ein dämliches Gequatsche. »Inwiefern?«
»Ich stellte mir vor, an den Tisch gefesselt und Ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Es war ziemlich aufregend und wie soll ich sagen – geil. Sie kümmerten sich um mich und meine Bedürfnisse und ich hab’ dabei eine Lust erlebt, wie selten zuvor. Ich habe es genossen, mich einfach fallen zu lassen und mich zu ergeben.«
»Wie weit ging Ihre Fantasie? Konnten Sie sich auch vorstellen, dass ich Sie dann alleine zurücklasse?« Denises bohrender Blick ruhte auf ihrer Patientin, während sie vom Tee nippte.
Auf einmal fühlte sich die Patientin erschöpft und müde. Seltsam, es war erst knapp nach 18:00 Uhr und heute war sie auch nicht früher aufgestanden als sonst. Ihr Arbeitstag war so anstrengend – oder auch nicht – wie immer gewesen. Eine Schwere machte sich in ihren Beinen breit. »Ich stellte mir vor, Sie gingen dann einfach und ließen mich allein. Zuerst war ich panisch, dann stinksauer. Schließlich fühlte ich nur noch Enttäuschung.« Enttäuschung, dass du es mir nicht noch drei Mal besorgt hast, sondern gleich nach dem ersten Orgasmus abgehauen bist – Schlampe. Die Gedanken gingen mit ihr durch.
Die Schlampe – wie sie dachte – gefiel ihr heute ausnehmend gut. Mit den hohen, grazilen Pumps, dem Leinenrock, der im Stehen gerade mal den halben Oberschenkel bedeckte und im Sitzen noch weiter zusammenschrumpfte. Dazu die weiße Bluse, deren offenstehende Knöpfe, wie unbeabsichtigt, den Blick auf die Spitze ihres BHs sowie die makellose Haut ihrer Brüste lenkten.
»Es freut mich, dass Sie meine Emotionen offenbar nachempfinden konnten.«
Die Patientin schreckte hoch. Beinahe wäre sie eingenickt. Ihr Kopf lag schläfrig an der Lehne und ihr dunkelbraunes Haar umrahmte sanft die Rundungen ihres Busens.
»Ich hole mir noch Tee. Wollen Sie auch noch welchen?«, sagte Denise und verschwand in der Kochnische.
Dunkelheit hatte nicht nur ihren Geist umfangen. Sie wusste nicht mehr, was sie zuerst fühlte. War es die Kugel, die ihren Mund ausfüllte, die Fesseln, die ihre Beine in gespreizter Position hielten, die Fläche, die kalt und erbarmungslos ihre Brüste zu zerquetschen drohte oder die Verschnürung der Arme, die sie keinen Zentimeter bewegen konnte. War diese Nacht dunkler als eine Sonnenfinsternis auf der Schattenseite des Mondes? Waren ihre Augen verbunden? Wo war sie? Sie ließ ihrem Geist Zeit, wieder auf den roten Faden ihres Leben aufzuspringen. Sie war bei ihrer Therapeutin gewesen. Dann war sie immer müder geworden. Der Alkohol im Tee? Oder war es etwas anderes gewesen?
»Mmmh«, sie hob ihren Kopf. »Mmmh« etwas lauter.
Sie lauschte. Nichts rührte sich. Gab es weniger als nichts?
»Mmmh!«
Plötzlich waren ihre Sinne vollkommen klar. Sie versuchte, die Beine zu schließen, spürte jedoch nur einen Schmerz oberhalb ihrer Knöchel. Sie riss an den Armfesseln, doch die schnürten ihre Handgelenke unbarmherzig ein. Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen, um nicht an dem Knebel zu ersticken.
Denise hat mir die Sache mit dem Gedankenexperiment wohl nicht ganz abgekauft, dachte sie. Sie war in der Tat eine ausgezeichnete Therapeutin. Offensichtlich hatte sie bemerkt, dass ich ihr nur das erzählt hab’, von dem ich dachte, dass sie es hören wollte. »Mmmh!«, verdammter Mist. Vermutlich sitzt sie irgendwo nebenan in ihrem Schlafraum und lässt mich eine Stunde schmoren, bevor sie mich befreit. »Mmmh!«
Vielleicht geht es so schneller. »Ahngh!!!« Immer lauter, atemloser und panischer klangen ihre erstickten Schreie. Sie zerrte an den Fesseln, trat mit den Beinen gegen den Tisch, stärker und kraftvoller – besinnungslos vor Angst. »Mmmh«, durchfuhr ein stechender Schmerz ihren rechten Fuß. Als ob die artistisch anmutende Stellung der Beine in den hohen Hacken nicht schon schmerzhaft genug wäre. Diese zarten Ankleboots waren eben doch keine Bergschuhe.
Zeit sei relativ, hatte ein ehemaliger Patentamtsangestellter, der gerne seine Zunge rausstreckte, mal gesagt, doch, dass sie auch stillstehen konnte, erfuhr die Patientin erst jetzt. Die Augen zeigten ihr immer noch dieses Schwarz, das Kohle im Vergleich dazu jungfräulich weiß erscheinen ließ. War sie vor Erschöpfung eingenickt? Sie spürte ihren feuchten String tief zwischen ihren Arschbacken. Schwitzte sie vor Erschöpfung oder Angst? Oder gab es tief in ihr etwas, das auf diese Situation mit Lust reagierte? Aber das war Quatsch – ganz und gar unmöglich. Sie stand kurz vor einer ausgewachsenen Panik.
Plötzlich vernahm sie das Klackern von grazilen Absätzen, das sich ihr näherte. Gott sei Dank, atmete sie auf. Jemand trat hinter sie. Sie spürte zwei Schläge die hart auf ihrem Arsch landeten, sie roch den dezenten Duft von Denise, fühlte deren Haar auf dem ihren, glaubte, die gehauchten Worte »Gute Nacht« vernommen zu haben, spürte nochmals zwei kräftige Hiebe auf ihrem knackigen Hinterteil, ehe sich die Schritte entfernten und die Praxis abgeschlossen wurde.