E-Books im Handel. Группа авторов
zu entwickeln und vor allem den technischen Rahmen dafür zu bilden; die Verlage sind für Inhalte und ihre Bereitstellung verantwortlich. Und der Handel muss mit seinem spezifischen Know-how dazukommen. Wir selbst haben keine Erfahrungen in der Kundenberatung oder den täglichen Fragen im Verkauf, das Wissen um diese ist aber von zentralem Interesse für uns.
Aktuell dominieren die großen E-Book-Shops, die alle Genres bedienen. Rechnen Sie mit einer Ausdifferenzierung der Shops, mit Spezialisierung auf einzelne Büchergenres?
Unsere Vision ist eine andere. Uns geht es weniger um eine Spezialisierung auf ein Genre, sondern eher um die spezielle Zielgruppe Kinder. Tigerbooks ist ein geschützter Raum für Kinder, in dem sie sich frei bewegen können, ohne dass sich die Eltern Sorgen um nicht kindgerechte Inhalte machen. Tigerbooks macht Spaß und fördert das Lesen ohne zu fordern; wir sehen, dass die Nachfrage nach einem solchen Angebot groß ist. Die seit November 2011 laufende Betaversion hat rund 50 000 aktive User, ohne dass wir bisher großartig die Werbetrommel dafür gerührt haben. Zudem ist ein echter Pluspunkt, dass wir mit dem Tigerbooks-Format für die Verlage eine kostengünstige Möglichkeit bieten, ihre digitalen Produkte Kindern anzubieten. Wir gehen davon aus, dass wir mit der 2.0-Version, die wir für das laufende Jahr planen, schnell eine größere Reichweite erzielen können. Dabei hilft uns natürlich auch, dass wir Inhalte von vielen großen Verlagen wie z.B. Oetinger, Carlsen, Tessloff oder Thienemann anbieten können.
Kinderbuchladen im App-Format: Tigerbooks
Perspektiven auf dem E-Book-Markt _Kommentar
Joachim Leser: Im Digital der Tränen
Der digitale Wandel wird vom Gros der Händler als bedrohlich empfunden. Dabei ist der Transformationsprozess auch für Sortimenter gestaltbar.
Niemand will sie, niemand braucht sie, niemand mag sie: E-Books. Wie ein digitaler saurer Regen haben sie sich übers Sortiment ergossen und drohen ganze Handelslandstriche zu veröden. Diese menschengemachte Naturkatastrophe kommt fortschrittsbemäntelt daher und stopft seine Bits und Bytes in jede Ritze der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Lyrikabteilung ist verschwunden, die Hotline ist da. An Stelle der leinengebundenen Schmuckausgabe der „Ilias“ glitzert nun das Bookeen Cybook Odyssey. Wir hadern mit dem Schicksal, das unserer Generation diesen Gang durch das Digital der Tränen abverlangt, sahen wir uns doch für würdigere Aufgaben gerüstet. Mit einem Zauberwort stemmen wir uns dieser feindlichen Übernahme entgegen, das wir etwas trotzig inmitten des Kabelsalats murmeln: „Haptisch.“ Gesundheit!
Buchhändler verliert Herrschaft
Der entscheidende Umbruch, den der Buchhandel heute erlebt, ist vermutlich nicht einmal der Wechsel des Aggregatzustandes seiner Produkte - von Print zu Digital. Vielmehr verliert er zunehmend die Herrschaft und den Überblick über sein Angebot. Mancher mag dies als eine Art zweiter Entfremdung empfinden: Während der Industrialisierung wurde der Arbeiter als Gestalter des Produktionsprozesses entmachtet; der Händler verliert nun im Rahmen der Digitalisierung die Macht über sein Angebot. Mit den Werken, die über den virtuellen Ladentisch gehen, kommt er meist nicht mehr in Berührung. Das Empfinden einer Entfremdung mag sich noch verstärken, wenn ihm nach Lektüre und Unterzeichnung der fingerdicken Verträge klar wurde, dass er keine E-Books verkauft, sondern Lizenzen vermittelt.
Zwei Möglichkeiten für E-Shops
Für die Ausgestaltung eines E-BookShops hat der Sortimenter heutzutage zwei Möglichkeiten: Er kann die vorgefertigten Kataloge der digitalen Auslieferungen in seinen Online-Shop übernehmen. Sein Sortiment wird über Nacht somit um mehrere Hunderttausend E-Books erweitert. Er offeriert und verkauft diese E-Books mit den Werkzeugen, mit denen er auch bislang Printprodukte in seinem Online-Shop verkauft hat. Die Auswahl, die im stationären Handel dem Kunden als Orientierung diente, wird im Online-Handel durch die Suchfunktion ersetzt. Doch da die Algorithmen, die die Suchfunk-tionen bestimmen, durchweg quantitative Größen verarbeiten, ist eine qualitätsgeleitete Führung der Kundschaft durch den Online-Shop bislang nur sehr schwer möglich.
Eine zweite Möglichkeit besteht in der individuellen Gestaltung eines elektronischen Angebots für die Kundschaft. Für die Schulthess Buchhandlungen haben wir dies im Rahmen einer Applikation für das iPad umzusetzen versucht. Diese ist für Studierende der Rechtswissenschaften in der Schweiz konzipiert. Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass das Angebot selbstständig mit Titeln bestückt werden kann, die der Kunde in den gängigen E-Book-Katalogen nicht vorfindet.
Allerdings hat diese Lösung auch technische und strukturelle Grenzen: Die Titelanzahl, die im Shop untergebracht werden kann, ist auf einige Hundert Werke begrenzt. Auch ist ein solches Modell nur mit einer begrenzten Anzahl von Verlagen umsetzbar, da der Shop nicht mit einer digitalen Auslieferung verknüpft ist, die für die Abrechnung mit den Lieferanten zuständig sein könnte. Dies erfolgt in - auch für Verlage - aufwendiger Handarbeit.
Es deutet sich an, dass der Handel mit elektronischen Produkten von dem Sortimenter einen Paradigmenwechsel verlangt. Nicht die Breite des Angebots wird zukünftig die Attraktivität eines E-Bookshops bestimmen, sondern eine plausible Auswahl, eine sinnvolle Such-funktion, überschaubare und vertiefende Informationen zu den Titeln und ausgewählte Titelverknüpfungen.
Kundenorientierter Shop fehlt
Die Strategie des Verbandes zielte bislang in die Richtung, jedem stationären Buchhändler die Integration von EBooks in den Online-Auftritt zu ermöglichen. 4000 stationäre Buchhandlungen sollten 4000 Online-Shops inklusive E-Book-Verkauf führen. Das Angebot wird derart standardisiert und konfektioniert, dass auch die Integration des E-Book-Kataloges in den Online-Auftritt eines Lebensmittel-Discounters problemlos möglich ist.
Was völlig vernachlässigt wurde, ist die Schaffung von Grundlagen für einen kundenorientierten E-Book-Ver-kauf. Es braucht womöglich keine 4000 Online-Shops, aber 100 bis 200 spezialisierte E-Book-Shops, von denen jeder ein klares Profil herausbilden kann und in denen die Kernwarengruppen des jeweiligen Angebotes intensiv gepflegt werden. Diese könnten tatsächlich mal ein spürbares Gegengewicht zur Marktmacht der Global Player darstellen.
Was braucht ein E-Book-Handel, in dem ein Sortimenter seinen Kunden ein qualitätsorientiertes Angebot bieten mag? Ich sehe vier Aspekte:
Individuelle Katalogpflege: In der Regel sind die Katalogdaten, mit denen E-Books ausgestattet sind, kaum ausreichend, um eine qualitätsorientierte Nutzerführung durch den Shop zu bewerkstelligen. Die Katalogdaten der einzelnen Titel müssen in der Regel mit Verschlagwortung, Inhaltsverzeichnissen, Pressestimmen, Leseproben und vielem mehr angereichert werden. Auch droht im E-Book-Handel die Gefahr, dass zunehmend veraltete Titel das Angebot verstopfen. Durch die Ergänzung des Angebotes mit Titeln, die nicht in den standardisierten Katalogen untergebracht sind, kann künftig eine Profilierungsmöglichkeit des spezialisierten E-Book-Handels sein.
Neue Suchfunktionen: Die Suchfunk-tionen, die bislang in elektronischen Plattformen zur Verfügung gestellt werden, basieren auf Algorithmen. Die Suchergebnisse können wahlweise nach Verkaufszahlen, Lagermengen, Erscheinungsdatum und anderen Größen sortiert werden. Was der Nutzer erhält, sind Listen, die aus Informationen entstanden sind. Buchhändlerisches Wissen wird kaum abgebildet. Mitentscheidend für den Erfolg sortimentergeführter E-Book-Plattformen ist, ob der Anspruch, ein Sortiment mit Wissen zu gestalten, auch auf das elektronische Angebot transferiert wird.
Flatrate-Angebote: Es gibt inzwischen schon einige Flatrate-Angebote, die sich auf dem Markt etabliert und ihre Kundschaft gefunden haben. Ob Skoo-be, das sich ans breite Publikum wendet, oder Jurion, das für den Anwalt via Flatrate Zugriff auf relevante Werke zu seinem Arbeitsschwerpunkt anbietet, das Modell hat sich rasch durchgesetzt. Es ist die Frage, ob sich die Flatrate-Angebote derart diversifizieren können, dass sie sich auch ins Portfolio des E-Book-Händlers begeben. Aber warum sollte nicht der E-Book-Händler mit Verlagen kooperieren und entsprechende Angebote seinen Kunden offerieren können?
Plattform statt E-Book-Handel: