Der Sohn des Gaucho. Franz Treller

Der Sohn des Gaucho - Franz Treller


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sie Gelegenheit haben, ihre Liebe zur Föderation zu beweisen.«

      »Wir haben bereits für die Republik gefochten, Señor«, sagte der Gaucho. »Jedermann weiß, daß alle Gauchos auf den ersten Ruf Don Manuels bereit stehen.«

      »Laß dich nur nicht betören, Vater«, kreischte der Bursche, der diesen ganzen Vorgang heraufbeschworen hatte. »Sicher sind das Spione der Unitarier, die von Uruguay herübergekommen sind, um hier zu kundschaften.«

      »Wir werden bald wissen, wer sie sind«, sagte Don Francisco. »Bindet die Burschen!« rief er den weiter zurück haltenden Leuten zu, von denen einige sogleich von den Pferden sprangen.

      Juan bewahrte auch jetzt seine Ruhe, dagegen schien Pati, seiner Miene nach, entschlossen, sich nicht so ohne weiteres fesseln zu lassen. »Ruhig!« zischte ihm Juan zu, »später!« Und Pati schluckte seinen Zorn einstweilen hinunter.

      Die Diener führten den Befehl aus; sie banden beiden Männern die Hände auf dem Rücken zusammen, nachdem sie ihnen vorher die Messer abgenommen hatten. Sie ließen es ruhig, mit finsteren Mienen geschehen.

      »So, du Cochino!« schrie der junge Salis und trat auf Don Juan zu. »Du wolltest das Messer ziehen gegen mich? Ich werde dich Demut lehren, du bissiger Hund!« Und seine Reitpeitsche fuhr dem Gaucho einige Male quer durch das Gesicht. Das veränderte nicht einen Zug, aber ein Strahl furchtbaren, unversöhnlichen Hasses brach aus seinen Augen und traf den Burschen, der unwillkürlich betroffen zurückwich und die Peitsche sinken ließ.

      Don Francisco hatte dem kleinen Zwischenspiel gleichmütig zugesehen, jetzt wandte er sich ab. »Setzt sie fest und laßt sie gebunden«, sagte er, »es scheinen verwegene Burschen zu sein.«

      »Was soll mit dem alten Halunken hier geschehen, Vater?« fragte der Sprößling und wies auf den Neger, der sich mit einem Taschentuch sein blutüberströmtes Gesicht hielt.

      »Er hat morgen die Estancia zu verlassen!« sagte der Estanciero. Die alte Negerin stürzte mit gerungenen Händen auf ihn zu; die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Oh, Don Francisco«, jammerte sie, »stoßt doch alte unglückliche Leute nicht ins Elend hinaus! Wir sind hier geboren, wir haben deinem Vater, deinem Bruder und dir treu gedient, wir sind alt und schwach in diesem Dienst geworden; wo sollen wir denn hin? Mein Mann hat nichts Böses getan, er hat den Befehl des jungen Herrn nicht mißachtet, er hat dem Majordomo gehorchen müssen!«

      »Der rebellische Schuft lügt!« sagte der Junge.

      »Geht zum Henker, wohin ihr gehört!« schrie der Estanciero die alte Frau an. »Seid ihr morgen noch hier, lasse ich euch aus meinem Gebiet herauspeitschen!«

      Der alte Antonio hörte stumpf sein Verbannungsurteil an. Er und seine Frau waren als Sklaven auf der Estancia aufgewachsen. Seit der Aufhebung der Sklaverei hatte er sich zur Familie de Salis gehörig betrachtet; die Verbannung von der Estancia war für ihn gleichbedeutend mit der Vernichtung. Er war gebrochen, es war kein Widerstandsfunke mehr in ihm. Anders aber war es mit seiner Frau. Die Alte, in der die tiefste Verzweiflung tobte, hob mit leidenschaftlicher Gebärde die Arme zum Himmel. »Gut!« schrie sie, »gut, Don Antonio! Jage uns fort! Wir gehen; Gott wird alten Menschen gnädig sein, sie werden ein Obdach finden. Aber wir kommen wieder, Don Francisco! Wir kommen wieder, Antonio und ich. Wir kommen mit den Erben Don Fernandos, Don Carlos und Don Aurelio! Die Kinder deines Bruders werden dich eines Tages jagen, wie du uns heute jagst! Gott ist gerecht!«

      Der Estanciero stieß eine wilde Verwünschung aus, er hob die Reitpeitsche zum Schlag. Aber er ließ sie wieder sinken. Die Szene hatte eine größere Anzahl Arbeiter von den Feldern herbeigelockt, unter denen auch mehrere Neger waren. Dort erhob sich Jetzt ein so drohendes Gemurmel, und nicht nur unter den Schwarzen, daß es Don Francisco geraten schien, fürs erste nicht weiter in diese glimmende Glut zu blasen. »Du bist ein Weib«, knurrte er, »aber Gnade euch Gott, wenn ich euch morgen noch hier finde!« Damit wandte er sein Roß und sprengte, von seinem Sohn und den anderen Reitern gefolgt, dem Schloß zu.

      Der alte Neger Antonio und sein Weib sahen sich alsbald von zahlreichen Leuten umringt, die teilnahmsvoll auf sie einsprachen und sie in ihrem Unglück zu trösten suchten. »Glaubst du wirklich, Mutter«, fragte ein alter Arbeiter, »daß die Kinder Don Fernandos noch am Leben sind?«

      »Gott ist gerecht!« sagte die Alte. »Glaubt es mir: Don Carlos wird kommen und die Räuber seines Eigentums, die Mörder seiner Mutter verjagen. Sie sind mir oft im Traum erschienen, die lieben Kinder, und haben mir zugelächelt. Ich habe mehr als einmal den alten Zauber meines Volkes befragt; ich weiß, sie leben und kommen eines Tages zurück. Gebe Gott, daß Antonio und ich sie noch mit unseren alten Augen sehen.«

      Während sie noch so beieinander standen und über ihre nächste Zukunft berieten, wurden Don Juan und Pati von den Dienern de Salis‘ zu einem kleinen, aus Balken gefügten Hause gebracht, das in der Sklavenzeit dazu gedient hatte, widerspenstige Neger zu züchtigen. Es lag an dem Waldsaum, der sich entlang des Parana dahinzog. Man stieß die beiden gefesselten Männer in den Raum, schlug die schwere Balkentür hinter ihnen zu und schob den Riegel vor.

      Juan und sein Gefährte sahen sich in einem halbdunklen Raum, der sein schwaches Licht nur durch einige hochgelegene, mit Eisenstäben vergitterte Luken erhielt. Sie sahen sich um. Kein Stuhl, kein Schemel, keine Bank war vorhanden; nichts als die nackten Wände, an denen hier und da eiserne Ketten mit Handschellen befestigt waren, und der kahle Erdboden bot sich ihren Blicken. In einer Ecke lag ein Haufen fast verfaulten Maisstrohs. Die Luken waren zu hoch angebracht, als daß sie hätten hinausschauen können.

      »Da säßen wir ganz hübsch in der Falle«, knurrte Pati.

      Der Gaucho antwortete nicht; er stand gegen eine der Wände gelehnt und war tief in Gedanken versunken. »Es ist kein Zweifel«, sagte er nach einer Weile. »Er war es. Ich habe diese Stimme nur einmal gehört, aber sie tönt mir noch heut in den Ohren. Du hast die Stimme doch auch wiedererkannt?« fragte er.

      »Der Estanciero ist der Mann in der Maske, der die Frau niederschoß«, sagte Pati, »es ist gar kein Zweifel.«

      »Es ist nicht auszudenken!« Der Gaucho begann ruhelos im Raum auf und ab zu gehen. »Die Frau und die Kinder des eigenen Bruders«, flüsterte er. »Man sollte es nicht glauben!« Er blieb vor dem Rotblonden stehen. »Es steht schlimm um unser Kind, Pati«, sagte er, »gegen einen solchen Feind können wir nicht kämpfen!«

      »Warum nicht, Don Juan?« fragte Pati. Die Gefangenschaft schien ihm weiter keine Sorgen zu machen.

      Der Gaucho ließ die Frage unbeantwortet; seine Gedanken waren schon weiter. »Eins haben wir jedenfalls erreicht«, sagte er, »wir wissen: der Junge ist ein de Salis, der Sprößling einer der ältesten Familien des Landes, der Erbe dieses Bodens hier. Es ist alles klar. Der Vater war gestorben, die Frau und die Kinder mußten aus dem Weg geräumt werden, um dem Wechselbalg, der mich zu schlagen wagte, zur Herrschaft zu verhelfen. Darum kamen die Mörder, die man dann für Unitarier ausgab, über das Wasser. Es sind aber zwei Erben. Wo mag der andere sein, der älteste? Wahrscheinlich längst irgendwo vermodert!«

      »Ich verstehe das alles nicht«, sagte Pati. »Wenn unser Kind der Erbe dieser Estancia ist, warum rufen wir dann nicht die Entscheidung Don Manuels an?«

      »Ja, das wäre einfach! Manches wäre einfach auf der Welt!« Der Gaucho winkte ab; er nahm seine Wanderung wieder auf. »Ich täusche mich da nicht mehr«, sagte er, »ich habe zuviel erfahren. Dieser Don Francisco ist der Freund des Diktators. Don Manuels Freunde können tun, was sie wollen. Wer weiß, vielleicht stand der verstorbene Bruder de Salis auf der gegnerischen Seite, und seine Beseitigung kam dem Herrn da oben gerade recht. Die Kinder Don Fernandos gelten als tot. Wer aber sind wir? Ich, ein einfacher Gaucho, du, ein Mann ohne Eltern und Heimat! Was denkst du, was geschähe, wenn wir jetzt, nach fast drei Jahren, aufträten und sagten: dies ist der Sohn Don Fernando de Salis‘! Erfährt dieser saubere Oheim hier von der Existenz des Kindes, ich bin überzeugt, wir können es nicht einmal schützen. Don Manuel ist allmächtig, und seine Freunde sind es auch. Nein, der kleine Junge ist als de Salis tot; nur ein Wunder kann ihn wieder zum Leben erwecken. Er wird wohl unser Kind bleiben müssen.«

      »Nun, Don Juan«, sagte Pati, »wir wollen ihn liebhaben und wollen ihn reich machen.«

      »Reich


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