Der Sohn des Gaucho. Franz Treller

Der Sohn des Gaucho - Franz Treller


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Studium widmen. Sollte euch aber irgendwo eine breitblätterige Prionida unterkommen, so wäre ich dankbar, wenn ihr mir einige Exemplare mitbringen wolltet; hier in der Nähe wächst sie nämlich nicht.«

      Ihr habt Vorstellungen von einer Straußenjagd! hätte Aurelio am liebsten gesagt, aber er unterdrückte die Bemerkung. »Sollte ich die Pflanze entdecken, will ich gerne daran denken«, sagte er nur. Don Juan erhob sich. »Auf jetzt, Aurelio«, sagte er, »da kommt Pablo mit den Pferden.« Er schnürte die Bola um den Leib, warf den Poncho über und bestieg sein Roß, das von einem jungen Hirten vorgeführt wurde. Auch Aurelio nahm die Bolas von der Wand, befestigte sie an seinem Leib, warf den Poncho über und schwang sich auf den Schimmel. Der Lasso und das lange Messer fehlten natürlich bei keinem der Männer. Pablo führte einen hinter seinem Sattel befestigten ledernen Beutel mit Verpflegung bei sich.

      Nach fröhlichen Abschiedsworten ritten Juan Perez und Aurelio davon. Sancho Pereira sah ihnen mit strahlendem Lächeln nach; seine Blicke galten vor allem Aurelio.

      »Was für ein Reiter!« rief er begeistert, »und Lasso, Bolas und Lanze führt er bald besser als Señor Perez.«

      »Auch tapfer soll er sein«, äußerte der Gelehrte, »ja, es gibt Leute, die ihn tollkühn nennen.«

      »Tapfer ist er, der Bursche, das ist wahr«, versicherte Pati. »Vor zwei Jahren war er mit Juan Perez da drüben in den Bergen« – er deutete auf die Höhen von Cordoba – »zufällig scheuchte er einen Jaguar auf. Er warf die Bolas nach der Bestie, doch sein Arm war zu schwach, auch besaß er noch nicht Übung genug im Gebrauch dieser Waffe; er reizte das Tier nur zur Wut, und der Jaguar nahm ihn an. Da sprang der Junge entschlossen aus dem Sattel, wickelte blitzschnell den Poncho um seinen linken Arm, zog das Messer und erwartete den Ansprung der Bestie. Perez sah das alles, war aber zu weit entfernt, um selber eingreifen zu können, und halbtot vor Schreck. Er zittert noch heute, wenn er daran denkt, aber er sagt auch jedesmal, es sei bewundernswert gewesen, wie unerschrocken der Junge sich zum Kampf gestellt hätte.«

      Don Estevan kannte die Geschichte längst, doch gab er dem Majordomo gerne Gelegenheit, seiner Begeisterung über Aurelios Tapferkeit die Zügel schießen zu lassen.

      »Gott hat über den Jungen gewacht, Señor«, fuhr Pati fort, »denn die Gefahr, in der er schwebte, war entsetzlich, und ich weiß nicht, was aus der Sache geworden wäre, wenn nicht der fremde Jäger erschienen wäre und die Bestie abgeschossen hätte. Es war ein Estrangero«, fügte er hinzu, »ein Aleman.«

      »Ich habe schon öfter über diesen Estrangero sprechen hören«, sagte der Gelehrte, »was ist er für ein Mann?«

      »Ich kann nicht viel über ihn sagen«, antwortete Pati, »es wird viel Gutes und manches Sonderbare über ihn erzählt. Er ist noch jung, haust ganz allein in den Bergen und lebt von dem Ertrag seiner Büchse, denn er ist ein trefflicher Jäger. Wie er zu schießen versteht, hat er ja schon damals bewiesen, als er Aurelio vor dem Ansprung des Jaguars rettete. Der Señorito hat ihn seit damals einige Male besucht, und er war auch selber schon hier, aber man hört nur selten von ihm; er liebt die Einsamkeit.«

      »In Uruguay, in Entre Rio und auch in Buenos Aires leben viele Alemans; man sieht sie recht gern, und ich habe bisher nicht gehört, daß sie ungesellig sind«, sagte Don Estevan.

      »Auch nördlich von hier, am Rio Tercero, wohnen Landsleute des Estrangero«, bemerkte der Majordomo. »Nun, wir wollen uns über die Grillen des Mannes nicht den Kopf zerbrechen«, fügte er hinzu, »ich denke mir, Gott hat den Estrangero zur rechten Zeit damals des Weges geschickt, um unserem Aurelio das Leben zu retten.« Damit erhob er sich, um nach den Feldern zu sehen, auf denen bereits einige Schwarze ihre Morgenarbeit verrichteten, und auch Don Estevan verließ die Veranda, um sich an seinen Schreibtisch zu begeben.

      Don Juan, Aurelio und der junge Hirte waren indessen am Flußufer entlanggeritten, das auf einer großen Strecke weit von Baumwuchs frei war. An einer seichten Stelle kreuzten sie den Quinto. Drüben ließ Juan Perez den Blick über die Landschaft schweifen. Hier und da waren einzelne Gruppen weidender Pferde und Rinder zu sehen, nichts aber von dem Wild, das zu jagen sie ausgezogen waren. Der Gaucho prüfte den Wind; ein leichter Luftzug kam von Südwest. Er deutete in diese Richtung und sagte: »Da drüben sind sie, wir müssen zu ihnen reiten.«

      Sie setzten sich in Trab und mochten einige Stunden in der schnellen Gangart der Pampaspferde geritten sein, als Juan sich im Sattel erhob. »Seht ihr?« sagte er, »da drüben!« Und nun gewahrte auch Aurelio in weiter Ferne noch die hochragenden Tiere, die ruhig ihre Nahrung suchten.

      »Noch sind sie nicht aufgescheucht«, sagte der Gaucho. »Wenn unsere Burschen aufpassen und die Nandus nicht zu früh flüchtig werden, können wir sie nach Süden treiben. Dann mag Cid beweisen, was er kann.«

      Sie nahmen die Bolas von der Hüfte, Aurelios Augen funkelten im Jagdeifer.

      »Reite du nach links, Pablo«, befahl Juan Perez dem Hirten, »und du, mein Junge, halte dich rechts. Bleibt in gleicher Höhe mit mir und gebt acht, daß sie nicht nach Norden entkommen.«

      Die Jungen schwenkten nach links und rechts ab, und im Abstand von etwa zweihundert Metern galoppierten alsdann alle drei vorwärts. Bald schon wurden sie der Hirten ansichtig, die schon am Vorabend ausgesandt waren, um das Wild nach Süden und Westen hin einzukreisen.

      Sie mochten den Straußen vielleicht auf eine halbe Legua nahegekommen sein, als eines der großen Tiere plötzlich den Kopf hob und zu ihnen herüberäugte. Im gleichen Augenblick wurden die Riesenvögel, es mochten wohl ihrer zwanzig sein, nach Süden flüchtig. Von dorther aber nahten sich nun drei Reiter, die ihre Ponchos schwangen. Augenblicklich wandten die Nandus sich nach Westen, aber auch von dorther jagten ihnen drei Reiter mit flatternden Ponchos entgegen. Einen Augenblick verhielten sie, zu einem Trupp zusammengeschart, dann wandten sie und jagten nach Norden davon.

      Don Juan ließ einen hellen Schrei ertönen, das Zeichen zum Beginn der Jagd. Und während die Hirten nun in ausgedehntem Halbkreis dem dahinstürmenden Wild den Weg nach Süden und Westen verlegten, suchten Juan und seine zwei Begleiter ihm die Flucht nach Norden unmöglich zu machen.

      Die von allen Seiten bedrohten Tiere stutzten wieder, aber nur einen Augenblick, dann teilte sich der Trupp, und sie jagten nach Westen und Osten davon. Sie durchbrachen den Kreis, und nun galt es, ihnen nachzusetzen; jetzt kam es auf die Schnelligkeit der Pferde und auf die Geschicklichkeit der Reiter an. Mit Sporen und gellenden Rufen feuerten die Jäger ihre Pferde an. Doch unaufhaltsam stürmte das geängstigte Wild durch die Pampa, die Reiter hinter sich lassend.

      Von Todesangst gepeitscht, jagten die riesigen Vögel dahin. Durch hastige Schläge ihrer kurzen Flügel suchten sie ihren Lauf zu beschleunigen. Die Reiter kamen kaum näher, doch zeigte sich nun bald, daß Aurelios Schimmel die beiden anderen Rosse an Schnelligkeit weit übertraf; schon nach kurzer Zeit hatte er erheblichen Vorsprung gewonnen.

      Wilder und aufregender wurde die Jagd. Die Strauße schienen über die Pampa zu fliegen, und die schäumenden Pf erde gaben ihnen kaum nach. Einer der Strauße, der von Aurelio verfolgt wurde, zeichnete sich durch besondere Größe aus; er war auch an Schnelligkeit seinen Gefährten überlegen. Dich! Dich! dachte Aurelio, dich will ich haben! »Es gilt, Cid!« flüsterte er, »es gilt jetzt die Probe!« Und der Schimmel rechtfertigte alle Erwartungen, die ein so guter Pferdekenner wie der Gaucho auf ihn gesetzt hatte. Er verschlang förmlich den Raum.

      Bald blieben Juan und Pablo zurück; der Abstand zwischen ihnen und dem dahinjagenden Aurelio vergrößerte sich immer mehr. Der Junge, die Augen unverwandt auf das flüchtige Nandu gerichtet, hatte die Bolas wurfbereit in der Rechten. Er näherte sich bereits den ersten Straußen, die deutliche Zeichen der Ermattung erkennen ließen, doch beachtete er sie kaum; auf den voranjagenden großen Vogel hatte er es abgesehen. Die anderen Nandus stoben, von panischem Schrecken erfaßt, auseinander und suchten links und rechts ihren Weg, als der Schimmel an ihnen vorüberjagte. Aurelio sah sie gar nicht; einige hundert Schritt vor ihm stürmte das ersehnte Wild über die Pampa. »Cid!« flüsterte er, »Cid!« Und bald schon erkannte er: der Schimmel war schneller als der Vogel. Langsam aber sicher verringerte sich der Abstand zwischen Jäger und Wild. Jetzt galt es, die ganze Geschicklichkeit des Reiters zu zeigen. Wie ein Sturmwind brauste Cid dahin, immer näher kam er dem von Todesangst


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