Der Sohn des Gaucho. Franz Treller

Der Sohn des Gaucho - Franz Treller


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des Reiters bewahrte diesen vor dem Sturz. Cid hatte sich nicht verletzt, er stürmte weiter, aber der Strauß hatte Vorsprung gewonnen.

      »Adelante! Adelante!« rief Aurelio, das Pferd anfeuernd, da bog der Vogel plötzlich nach links aus, Aurelio stieß einen Jubelruf aus, gab dem Pferd die Sporen und war mit wenigen Sätzen dem Nandu in der Flanke. Die Bolas wirbelten um den Kopf, entflogen, umwickelten die armdicken Ständer des Straußes, der wie vom Blitz getroffen zu Boden stürzte.

      Aurelio brachte Cid zum Stehen und sprang ab. Die Beine des Nandus waren zerschlagen. Gegen die Bolas gibt es, wenn sie ihr Ziel erreichen, keine Rettung. Jetzt galt es, das Tier schnell zu töten. Das ist, wenn es mit dem Messer geschehen muß, keine ungefährliche Sache, denn der Strauß versteht, kräftige Schnabelhiebe zu führen. Das Tier hob den Kopf; Aurelio wollte sich eben herunterbeugen, als eine Büchse krachte, und es, durch das Auge geschossen, leblos zurücksank. Staunend wandte Aurelio den Kopf; an der Stelle, wo der Strauß so plötzlich abgebogen war, stand ein hochgewachsener Mann, die noch rauchende Büchse in der Hand. Neben ihm erhob sich soeben ein Maultier aus dem Gras.

      »Oh, Señor«, rief Aurelio sichtlich erfreut, »ich danke Euch. Ihr erspartet mir, das Tier abzustechen.« Ohne weiter seiner Beute zu achten, ging er auf den Mann zu, der ihn erwartete.

      Es war dies ein hochgewachsener, kräftiger Mann, größer als die Männer spanischer Abkunft; langes blondes Haar fiel unter einer Pelzmütze herab, die Augen über der kräftigen Nase waren von lichtem Blau. Er trug ein grünes Jagdhemd, hirschlederne Beinkleider und hohe, derbe Reitstiefel. Seine Augen waren mit freundlichem Ausdruck auf Aurelio gerichtet.

      »Ich freue mich sehr, Euch hier so unvermutet begrüßen zu können«, sagte Aurelio und nahm die Hand, die der Fremde ihm entgegenstreckte. »Ihr habt lange nicht mehr von Euch hören lassen.«

      »Auch ich freue mich, mein Junge«, sagte der Mann. »Bist du etwa ganz allein in der Pampa?«

      »Nein, Señor. Mein Vater ist auch hier und mehrere unserer Peons. Wir wollten Nandus jagen.«

      »Du bist ein prächtiger Reiter, mein Junge, und du hast da, scheint mir, ein großartiges Pferd.«

      »Nicht wahr, Señor!« Aurelios Augen strahlten. »Cid ist das beste Pferd in der ganzen Pampa. Vater hat ihn für mich aufgezogen und selbst zugeritten.«

      »Du bist wahrhaftig ein erstaunlicher Bursche«, sagte der Mann. »Wie du die Bolas handhabst, das muß man gesehen haben.«

      »Nun«, wehrte Aurelio ab, »der Wurf war wohl nicht schlecht, aber an meines Vaters Kunst darf ich mich nicht messen.«

      »Du wirst es deinem Vater schon noch gleichtun, mein Junge.«

      »Ich habe mich auch mit der Lanze geübt«, sagte Aurelio, »so, wie Ihr es mich gelehrt habt. Neulich habe ich im vollen Jagen bei zehn Versuchen nur einmal den Ring gefehlt.«

      »Gut«, lobte der Blondbärtige, »gut, mein Junge, du wirst die Lanze vielleicht eines Tages noch brauchen. Aber wie steht‘s mit der Wissenschaft?«

      Aurelio lachte und schien ein wenig verlegen. »Ich kann nicht sagen, daß es mir Vergnügen macht, über den Büchern zu sitzen«, versetzte er. »Aber immerhin, Don Estevan ist ganz zufrieden mit mir.«

      »Lerne, hijo mio«, sagte der Fremde. »Dein Vater hat klug getan, als er Don Estevan kommen ließ. Auch das Wissen wirst du eines Tages noch brauchen.«

      »Ich glaube Euch gern, Señor«, lächelte der Junge, »aber warum habt Ihr Euch solange nicht bei uns sehen lassen? Wo habt Ihr gesteckt? Ich war selbst dreimal in Eurer Behausung, ohne Euch anzutreffen.«

      »Ich habe die Pampa nach Süden zu durchstreift«, sagte der Mann. »Eben komme ich zurück und war auf dem Wege zu Euch.«

      »Großartig!« strahlte der Junge. »Ich hab Euch schon mächtig vermißt.«

      Der Mann hob die Hand. »Da kommt dein Vater«, sagte er.

      Tatsächlich sprengte der Gaucho soeben mit verhängten Zügeln heran. Er rief schon von weitem: »Seid mir gegrüßt, amigo. Ich freue mich, Euch zu treffen.«

      »Das ist beiderseits, Don Juan«, sagte der Fremde und streckte dem vom Pferde Gesprungenen die Hand entgegen, die Juan Perez mit offensichtlicher Freude ergriff. Gleich darauf wandte er sich dem Jungen zu. »Gut gemacht, Aurelio«, sagte er. »Und Cid? Was sagst du zu Cid?«

      »Oh, Vater, er ist ein großartiger Raumverschlinger, ich habe es ja gewußt.«

      »Kein Caballero in Buenos Aires hat ein besseres Pferd«, sagte der Gaucho.

      Die Peons kamen nun heran. Es waren noch zwei weitere Strauße erlegt worden; die Hirten hatten sie bereits abgebalgt und führten die Bälge mit. Pablo machte sich sogleich daran, auch den von Aurelio niedergestreckten Riesenvogel abzuziehen. Die Kadaver nahm man nicht mit; das wäre mühsam und zwecklos gewesen.

      »Nun seht euch aber nach Brennmaterial um und macht Feuer«, sagte Juan Perez, »ich verspüre erheblichen Appetit. Seht, daß wir Mate bekommen und öffnet den Beutel.«

      »Dort drüben wächst Brea«, sagte der Fremde und deutete auf die Stelle, wo er mit seinem Maultier gerastet hatte. Es dauerte nicht lange, da brannte das Feuer, Wasser lieferte ein unscheinbares Rinnsal, das dem Fremden und seinem Maultier bereits Erquickung geboten hatte, und bald darauf verbreitete der Paraguaytee seinen angenehmen Duft.

      Die Männer streckten sich ins Gras, füllten ihre Becher und ließen sich die Speisen munden; der Fremde hatte seinerseits ein gebratenes Kaninchen zu dem Festmahl beigesteuert. Sie sprachen zunächst über die Jagd. »Ihr habt den Strauß durch den Kopf geschossen, Estrangero«, sagte Don Juan, »es ist staunenswert.«

      »Es ist eine Sache der Übung«, entgegnete der andere gleichmütig. »Ihr wißt dafür besser mit Lasso und Bolas umzugehen; ich bin froh, daß ich mich auf meine Büchse verlassen kann.«

      »Glaubt Ihr, daß auch Aurelio schießen lernen wird?«

      »O gewiß. Warum nicht? Hand und Auge sind gut. Schickt ihn wieder mal für ein paar Wochen zu mir in die Berge. Da kann er sich üben.«

      »Ja, Vater, ja!« rief Aurelio begeistert.

      »Also«, sagte Don Juan, »ich habe nichts dagegen. Der Junge kann nicht genug lernen, und bei Euch weiß ich ihn in guten Händen. Er wird also kommen.«

      »Ich werde mich freuen«, sagte der Fremde. Er griff nach der neben ihm liegenden Doppelbüchse, wies zum Himmel und sagte: »Siehst du den Raubvogel dort oben, Aurelio?«

      Aurelio folgte mit den Augen der weisenden Hand. »Ja, Señor«, antwortete er.

      »Ich verfolge ihn schon den ganzen Tag«, sagte der Fremde. »Es ist ein Kondor der Anden; er streicht so weitab von seiner Heimat. Der Kadaver deines Straußes lockt ihn an, deshalb streicht er so niedrig. Hier, nimm die Büchse. Ich denke, er wird in Schußweite kommen; dann versuche dein Glück.« Aurelio griff nach der Waffe und spannte die Hähne.

      »Langsam mit dem Lauf von unten nach oben gehen und etwas vorhalten, wenn er kommt«, sagte der Mann.

      Aller Blicke waren nun auf den mächtigen Vogel gerichtet, den bisher niemand beachtet hatte. Verhältnismäßig niedrig zog er in majestätisch gleichmäßigem Fluge dahin. Schweigend, in atemloser Spannung warteten die drei; Aurelios Hand zitterte im Jagdeifer. Jetzt kam der Kondor in Schußnähe; Aurelio legte an, hob langsam den Lauf und drückte ab. Der Kondor zuckte sichtbar zusammen, flog aber weiter. Beschämt ließ der Junge die Büchse sinken.

      »Gut gemacht, mein Freund«, sagte indessen der Fremde, »der Kondor gehört dir.« Aurelio sah ihn zweifelnd an, da senkte sich schon der König der Lüfte, geriet ins Flattern, überschlug sich einige Male und stürzte gleich darauf zur Erde nieder. Dort schnellte er gleich einem Federball auf und ab. Die Gauchos stimmten ein Freudengeschrei an.

      Glücklich lief Aurelio von allen Peons gefolgt nach der Beute. Das Tier war inzwischen verendet; sie betrachteten es staunend. Noch keiner von ihnen hatte bisher einen so gewaltigen Raubvogel in der Nähe gesehen. Der Beifall über den sicheren Schuß gab sich in lauten Ausrufen kund. Die Kugel war dem Kondor


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