Die Mumie von Rotterdam. Döring Georg

Die Mumie von Rotterdam - Döring Georg


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so behaupteten sie dagegen mit einem wahrhaft teuflischen Gelächter: das sey erlogen, die Dukaten gehörten ihnen und wenn der Herr van Daalen sie haben wolle, so solle er sie nur von ihnen abfordern. O, mein hochedler Patron, ich habe mich ihnen zu Füßen geworfen, ich habe geheult, wie ein altes Weib, für die Dukaten! Aber die Tigerherzen waren nicht zu rühren. Sie spotteten meiner und schimpften mich einen spanischen Holländer, den man von Rechtswegen aufknüpfen müsse.«

      Herr Jan blieb stumm. Er konnte die Größe der Schreckenspost, die ihm gebracht wurde, nicht fassen. Tobias war dagegen ganz Ohr geworden. Bei dem Blicke, den er mit einemmale in das Handelsgeheimniß des Herrn van Daalen warf, hatte er den Domine, den Götzen sammt dem Gottseybeiuns vergessen. So war denn endlich entschleiert, was der geheimnißvolle Patron im Stillen getrieben, so wußte man denn nun, nach so vielem vergeblichen Sinnen und Rathen, wodurch er Geld und Gut gewonnen! Er war, wie viele andere niederländische Kaufleute, bei den spanischen Gold- und Silberflotten interessirt gewesen, indessen war der Krieg zwischen Spanien und Holland ausgebrochen, die vereinigten Holländer und Engländer nahmen die spanischen Schiffe, wo sie sie fanden, und durch einen besonders glücklichen Zufall gerieth ihnen auch die im Haven von Vigos liegende reich beladene Flotte in die Hände.

      »Also von dort her erwartetet Ihr die zweimalhunderttausend Dukaten, welche die Differenz in der Mitgift ausgleichen sollten?« sagte jetzt mit finsterem Angesichte und in einem sehr gedehnten Tone Herr van Vlieten. »Und sie sind nun hin und fort und werden eingehen am Nimmerstage, wo alle insolvente Gläubiger ihre Wechsel bezahlen? Lasset zu Euch reden, Myn Heer van Daalen, wie es mir ums Herz ist in dieser Sache! Euere ganze Handelschaft ist eitel Schwindelwesen und Ihr habt mehr Glück als Verstand gehabt, daß Ihr nicht schon längst zu Grunde gegangen seyd. Zucker und Kaffee, das ist solid, aber Schmuggelei mit dem spanischen Erbfeinde kann nicht Segen haben auf die Dauer! Freilich ist es Euch noch gut genug gegangen, daß Ihr durch die Kriegsjahre und Kriegstroublen glücklich hindurch gesegelt seyd mit Euern Silberschiffen; allein der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht, und Ihr gemahnt mich jetzt gerade, wie so ein zerbrochener Krug, der keinen Henkel mehr hat, an dem ihn unsereins anfassen mag, und dem der Boden ausgefallen ist, auf dem der Inhalt geruhet.«

      Der Handelsherr, an welchen diese Worte gerichtet waren, hatte indessen einigermaßen die verlorene Fassung wiedergewonnen. Er sah ein, daß er noch ohne die zweimalhunderttausend Stück Dukaten ein reicher Mann blieb, er ahnete aber auch zugleich, daß diese unausgefüllte Lücke in seiner Casse eine Kluft bilden könnte, welche sich störend zwischen die Verbindung der Häuser van Vlieten und van Daalen drängen dürfte. In dieser schlimmen Ahnung wurde er durch die Reden des Herrn Tobias noch bestärkt. Er warf einen zornigen Blick auf den Buchhalter:

      »Hoontschoten, Er ist ein Esel!« sagte er ingrimmig. »Wäre Er nicht so alt, daß Ihm die Natur bald den Abschied aus dem Leben geben dürfte, so gäb ich Ihm den Abschied aus dem Dienste.«

      »Mein Gott und Heer!« versetzte bebend Jeremias: »worin habe ich denn gefehlt? Gebot es nicht Pflicht und Gewissen, meinen wohlmögenden Patron sogleich in Kenntniß zu setzen von einem solchen Unglücksfalle? Und darin habe ich nicht gesäumt, nach den schwachen Kräften, welche mir mein Alter vergönnt. Ich habe Euch gesucht wie eine Stecknadel, im Hause und am Haven, im Prinzencollegium und am Boompjes, bis mich endlich ein scharmanter Herr, ein Professor aus Leyden, dem ich Euere und Herrn van Vlietens Personen weitläuftig beschreiben mußte, hierher verwieß.«

      »Verdammter Hazenbrook!« schalt Herr Tobias für sich hin, und die große Ader auf seiner Stirn schwoll in zorniger Erinnerung höher an: »Das Gespenst des verruchten Professors verfolgt mich allenthalben und wenn ich mir ihn einmal aus dem Sinne geschlagen habe, so bringt ihn mir ein verwünschter Zufall wieder in den Wurf.«

      »Ich hätte Ihn nicht für so dumm gehalten, Hoontschoten!« zürnte indessen der alte van Daalen zu seinem Untergebenen. »Er meint noch Wunder wie gut er’s gemacht hat und wäre am Ende im Stande gewesen, die Sache auf dem großen Markte auszuschreien! Myn Heer van Vlieten,« wandte er sich jetzt gänzlich umgewandelt, mit sanfter Stimme und lächelndem Angesichte, zu diesem: »der Verlust einer solchen Kleinigkeit wird keinen Einfluß auf Euere gütigen Gesinnungen für mich und meinen Cornelius haben, wir bleiben die besten Freunde, wie bisher, und Clötje wird meine Tochter und Cornel Euer Sohn.«

      »Prosit!« versetzte mit einem herben Gesichte Herr Tobias. »Aus der Heirath kann ein für allemal nichts werden, wenn die Gelder nicht bis auf einen Deut al pari stehen, und dazu ist, unter den gegenwärtigen Auspicien, auf lange hin kein Anschein. Lebt wohl, Myn Heer van Daalen! Siebenmalhunderttausend ist das Wort. Ohne das geht die Braut nicht fort. Da habt Ihr in Reimen meine Meinung. Gott befohlen, Heer Jan! Ich kann meinen Thee allein trinken. Besucht mich über’s Jahr wieder!«

      »Wie?« rief der Fortgewiesene mit einer Miene, in der sich Staunen und Unwille aussprachen: »Ihr wollt das alte Freundschaftsband zerreißen; Ihr könntet um des lumpigen Geldes Willen die edlern Gefühle des Herzens verleugnen? Thut das nicht, Myn Heer Tobias! Fürchtet die Rache Schiwa’s, unter dessen Augen Ihr diesen Frevel begeht!«

      In seiner Herzensangst griff Herr van Daalen zu diesem letzten Mittel, die Furcht des Widerwilligen auf’s Neue zu erregen und sie zum Hülfsweg bei dem Sturme auf Tobias Herz anzuwenden. Dieser aber hatte, unter den neu eingetretenen Umständen, das Entsetzen, welches ihm der Götze früher eingeflößt, rein vergessen und rief im Fortgehen:

      »Was Schiwa, was Brama! Geld ist die Bank. Morgen brennt der Schiwa im Ofen und auf dem Herde und der Kaffee, der an dem Satan gekocht wird, soll mir wohl schmecken. Trag den Thee in mein Zimmer, Clötje!« herrschte er der entgegentretenden Tochter zu, die mit großem Schrecken den Zorn des Vaters wahrnahm und im ersten Augenblicke sich und den Geliebten verrathen glaubte. »Herr van Daalen wird uns ein anderes Mal die Ehre schenken, heute trinke ich allein.«

      Er schritt so rasch nach seinem Zimmer, daß ihm die gehorchende Clelia kaum folgen konnte. Herrn van Daalens Geduld war nun auch erschöpft. Ohne weiter des Sohnes im Schiwa zu gedenken, stürmte er die Treppe hinab und zum Hause hinaus. Aengstlich und sehr gedrückt trippelte der Buchhalter hinter ihm her.

      »Er ist an Allem schuld, Tölpel!« schrie ihn noch auf der Straße Herr Jan an. »Warum hat Er erstlich die entsetzliche Dummheit begangen, sich die zweimalhunderttausend Dukaten nehmen zu lassen, warum begeht Er zweitens die noch entsetzlichere, die ganze Geschichte im Beiseyn des unersättlichen van Vlieten auszuplaudern?«

      Jetzt erst ging dem armen Jeremias Hoontschoten ein Licht auf. Er hatte bisher nicht einmal geahnt, warum sein hochedler Prinzipal ihm zürne. Nun sah er es ein und es kam auch zugleich eine solche Reue über ihn, daß er anfing zu weinen und laut zu schluchzen. Er machte sich selbst im jämmerlichsten Tone die heftigsten Vorwürfe über seine unzeitige Schwatzhaftigkeit. Er gerieth nach und nach in eine so verzweiflungsvolle Stimmung, daß Herr van Daalen, der im Grunde ein sehr gutes Herz besaß, bald sehr gerührt wurde und in der Furcht, der alte Mann könne sich ein Leid thun, ihn zu trösten begann. Es fruchtete aber Alles nichts. Jeremias gebehrdete sich immer kläglicher, das mitfühlende Herz seines Patrons wurde immer weicher, er mußte am Ende auch weinen und als Beiden der Hausknecht die Thüre des van Daalenschen Hauses auf ihr Klopfen öffnete, war dieser nicht wenig erstaunt, seinen Gebieter und den alten Buchhalter in Thränen auf der Straße zu finden.

      3

      Clelia van Vlieten war ein Mädchen von einigem Verstand und einiger Ueberlegungskraft, aber nur für die gewöhnlichen Fälle ihrer sehr beschränkten Lebensweise. Wenn Junker Cornelius ihr darüber etwas Schmeichelhaftes sagte, so lag der Grund dazu theils in seiner eigenen, einem liebenden Herzen entsprossenen Ueberzeugung, theils in dem allgemeinen Glauben der Rotterdammer, des reichen


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