Humoresken (Zweites Bändchen). Eckstein Ernst

Humoresken (Zweites Bändchen) - Eckstein Ernst


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wiederholt, nichts sei für den Bruder eines Napoleon zu groß und zu vornehm: ich dagegen habe mich nie mit einer großen Dame vermählen wollen. – Sie werfen mir vor, ich halte nicht genug auf eine meiner Stellung entsprechende Repräsentation. – Wissen Sie, das Repräsentiren ist erstens langweilig, und zweitens verträgt es sich nicht recht mit meiner Figur und meiner Tournüre – zwei Dinge, die in unserer Familie nicht besonders imposant genannt werden können‹ …«

      »Das ist ein malitiöser Hieb, der ihn schwer ärgern wird,« sagte Jérôme mit hämischem Lächeln. »Du bist in der That ein beißender Satiriker, Pigault. – Ich sehe, ich darf mich in Acht nehmen, daß ich bei dir nicht in Ungnade falle.«

      Der Bibliothekar mußte laut auflachen.

      »Hören Sie nur weiter, Sire! – ›Übrigens habe ich meine Hofhaltung ganz nach dem Vorbilde der Ihrigen eingerichtet. Ich kleide mich, wie Sie: was wollen Sie mehr? – Der Prinz von Paderborn bringt mich mit seinen ewigen Predigten und endlosen Messen zum Gähnen. Ich werde ihn behalten, da Eure Majestät mir ihn gegeben; aber nichts verpflichtet mich dazu, mit ihm über Kirchenangelegenheiten und andere Dinge zu sprechen, von denen ich nichts verstehe und nichts verstehen will. Ich überlasse das dem Herrn Cultusminister. – Was Merfeldt anlangt, so habe ich ihn zum Präfecten von Hannover ernannt, denn er ist ein vorzüglicher Verwaltungsbeamter, ohne ein angenehmer Chambellan zu sein. Im Übrigen liebe ich es, die für meinen persönlichen Dienst bestimmten Personen ganz nach meinen augenblicklichen Bedürfnissen auszuwählen. Gezeichnet: Jérôme Napoleon.‹«

      »›Gezeichnet‹ …?« rief der König. »Aber das ist ja der brutalste Kanzleistil.«

      »So schreiben wir: ›Genehmigen Sie die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung.‹«

      »Mit dieser Formel begrüßt man seine Untergebenen.«

      »›Ihr treuverbundner Bruder‹ … Was halten Sie davon?«

      »Sehr gut! Das sagt eigentlich gar nichts! Schreiben wir: ›Ihr treuverbundener Bruder.‹«

      Der König ließ sich nunmehr das Manuscript ins Bett reichen, und studirte es mit vielem Eifer. Hierauf legte er's unter das Kopfkissen und bedeutete dem Bibliothekar sich zu entfernen.

      Jérôme ließ sich ankleiden und hatte nach eingenommenem Dejeuner nichts Eiligeres zu thun, als den Brief Pigault's zu copiren. – Er zerriß zwei, drei Bogen, bis der vierte zu seiner Zufriedenheit ausfiel. – Als er das kühne Schriftstück siegelte, spielte ein schadenfrohes Lächeln um seine Lippen.

      »Kein Zweifel,« murmelte er vor sich hin, »dieser Schröpfkopf wird ziehen! Ich gäbe etwas darum, wenn ich sein verblüfftes Gesicht, seinen brennenden Ärger genießen könnte! – Früher oder später mußte die Sache ja doch einmal zum Brechen kommen! – Ich will dem erstaunten Europa zeigen, daß ich nicht bin, was ich scheine. Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Würde, – das sind doch wohl die unerläßlichen Vorbedingungen der Achtung, deren sich ein Thron zu erfreuen wünscht! Zum Schleppenträger meines Herrn Bruders halte ich mich zu gut. Entweder oder! Der Würfel ist gefallen!«

      In dieser selbstbewußten Stimmung überreichte er den Brief einem seiner Kammerjäger zur sofortigen Übermittelung an den Courier.

      Wenige Stunden später war das verhängnisvolle Actenstück unterwegs.

      Jérôme! Jérôme!

      Vierzehn Tage waren verflossen.

      Von den Thürmen der Stadt Kassel schlug es Mitternacht. Die braven Unterthanen des westphälischen Gewalthabers schliefen den Schlaf der Gerechten. Melancholisch wandelte der Wärter durch die menschenleeren Gassen und entlockte seiner kurzen Weichselrohrpfeife eine qualmende Wolke nach der andern.

      Nicht ganz so lautlos ging es in dem sogenannten blauen Salon der Napoleonshöhe zu. Hier saß eine kleine, aber gewählte Gesellschaft um eine reichgedeckte Tafel. Man war beim Dessert. Prächtige Früchte, hochfeines Gebäck, perlender Champagner und andere unerläßliche Ingredienzen eines luxuriösen Mahles verbreiteten einen berauschenden Duft. Die Gläser klirrten in verwegner Ungezwungenheit wider einander. Das lärmende Chaos der Stimmen wurde nur durch die Salven eines schallenden Gelächters oder durch die Klänge eines lustigen Refrains unterbrochen. Mit einem Worte, der blaue Salon war wieder einmal Zeuge eines jener intimen Soupers, die gegen elf Uhr begannen und gewöhnlich bis drei, vier Uhr Morgens dauerten.

      »Die Gesundheit des Königs!« rief jetzt eine kleine, blauäugige Dame in prachtvoller Toilette.

      Sie ergriff das Glas, setzte es an den Mund und leerte es auf einen Zug.

      »Süßer Engel!« hauchte der König, indem er den Arm um ihre Taille legte. »Dafür sollst du einen Kuß haben.«

      Die Dame sträubte sich.

      »Herr Gott, wie spröde!« lachte Jérôme. »Was fällt dir ein, Lili? Wir sind ja hier unter uns! Nicht wahr, Fürstenberg, unsere kleine Heberti braucht Euretwegen ihren Gefühlen keinen Zwang anzuthun?«

      Die Gesellschaft kicherte.

      »Unsere liebenswürdige Freundin,« versetzte der Angeredete, »wäre im höchsten Grade thöricht, wenn sie sich aus irgend welcher äußern Rücksicht den schmeichelhaften Gunstbezeugungen Eurer Majestät widersetzen wollte.«

      »Wir sind ja, Gott sei Dank, keine deutschen Philister,« fügte der Graf Winzingerode hinzu.

      »Da hörst du's, Lili. Fürstenberg, zeigen Sie der Kleinen, wie die Sache gemacht wird. Küssen Sie Ihre Melanie!«

      Der Cavalier, der trotz des ihm aufgenöthigten deutschen Namens ein echter Pariser geblieben war, schlang den Arm ohne weiteres um den blendenden Nacken seiner Nachbarin, und küßte ihr die rothen Lippen, daß es laut durchs Gemach schallte.

      »Ah, das ist Unrecht, lieber Fürstenberg,« rief Pigault-Lebrun mit komischem Stirnrunzeln. »Sie machen unser Einem, der nicht so glücklich ist, wie Sie, das Herz schwer.«

      »Es thut jeder, was er kann; nicht wahr, Melanie?«

      »Eh bien, Lili?« fragte der König.

      »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie zwei Tage lang auf schmale Kost setze,« lautete die schnippische Antwort.

      »Wie? was?« erklang es im Chor. »Ein Zwist, ein Streit? Ich hätte bald gesagt, eine eheliche Differenz?«

      »Unser Täubchen ist eigensinnig,« rief Jérôme, ein Glas Schaumwein hinunterstürzend.

      »Nein, nein, nur standhaft!« entgegnete Fräulein Heberti.

      »Erzählen Sie! Was ist vorgefallen?«

      »Sehr einfach,« sagte die kleine Dame. »Ich habe Seine Majestät um eine Gefälligkeit ersucht und bin abschlägig beschieden worden.«

      »Ah, unerhört, Sire,« lachte Winzingerode. »Wie können Sie einem solchen Engel was abschlagen?«

      »Ein König, meine Herren,« erwiderte Jérôme, »ist nicht in allen Dingen souverain! Es giebt gewisse Rücksichten …«

      »Aber um was handelt es sich denn? Wir wissen ja noch gar nicht …«

      »Eine Bagatelle,« schmollte Lili. »Ich bat den König um die Entlassung des Grafen von Paderborn …«

      »Ah, der Aumônier,« sagte Fürstenberg; »eine unangenehme Persönlichkeit.«

      »Ein Spion,« ergänzte Fräulein Heberti.

      »Wo denkst du hin, Lili!« stotterte Jérôme.

      »Ein Spion, sage ich. Unser Aller Interesse erfordert, daß Sie ihm schleunigst den Laufpaß geben.«

      »Das ist unmöglich.«

      »Unmöglich? Sind Sie nicht König …?«

      »Das sagst du wohl … – aber …«

      »Was ›aber‹! Es giebt kein aber!«

      »Aber bedenke doch … Du weißt … Seine Majestät der Kaiser …!«

      »Der Kaiser! Was hat Ihnen der Kaiser zu sagen?«

      »Er


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