Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк

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gibt noch zwei Pässe von gestorbenen deutschen Flüchtlingen. Die kosten aber achthundert Schilling jeder. Völlig falsche sind nicht unter fünfzehnhundert zu haben. Die würde ich – Ihnen auch nicht empfehlen.“

      Tschernikoff klopfte seine Zigarette ab. „Vom Völkerbund ist für Sie ja vorläufig auf nichts zu hoffen. Für illegal ohne Pass Eingereiste schon gar nicht. Nansen ist tot, der uns unsere Pässe durchgesetzt hat.“

      „Vierhundert Schilling“, sagte Steiner. „Ich habe fünfundzwanzig.“

      „Man wird handeln können. Auf dreihundertfünfzig, schätze ich.“

      „Das ist gegen fünfundzwanzig dasselbe. Aber es hilft nichts; ich muss sehen, dass ich das Geld bekomme. Wo ist die ›Hellebarde‹?“

      Der Russe zog einen Zettel aus der Tasche. „Hier ist die Adresse. Auch der Name des Kellners, der die Sache vermittelt. Er ruft die Leute an, wenn Sie ihm Bescheid sagen. Er bekommt fünf Schilling dafür.“

      „Gut. Ich will sehen, wie ich es mache.“ Steiner steckte den Zettel sorgfältig weg. „Herzlichen Dank für Ihre Mühe, Tschernikoff!“

      „Aber ich bitte Sie!“ Der Russe hob abwehrend die Hand. „Man hilft sich doch, wenn es möglich ist. Man kann ja jeden Tag in dieselbe Lage kommen.“

      „Ja.“ Steiner stand auf. „Ich suche mal wieder nach Ihnen hier und sage Ihnen Bescheid.“

      „Gut. Ich bin oft um diese Zeit hier. Spiele Schach mit dem süddeutschen Meister. Drüben der Mann mit den Locken. Hätte nie gedacht, das Glück mit einer solchen Autorität in normalen Zeiten zu haben.“ Tschernikoff lächelte. „Schach ist eine Leidenschaft von mir…“

      Steiner nickte ihm zu. Dann stieg er über ein paar schlafende junge Leute weg, die mit offenen Mündern an der Wand lagen, und ging zur Tür. Am Tisch des Landgerichtsrats Epstein saß eine gedunsene Jüdin. Sie hielt die Hände gefaltet und starrte Epstein, der salbungsvoll dozierte, an wie einen unzuverlässigen Gott. Vor ihr auf dem Tisch lagen fünfzig Groschen. Epsteins haarige linke Hand lag dicht daneben wie eine große lauernde Spinne.

* * *

      Draußen atmete Steiner tief auf. Die weiche Nachtluft erschien ihm wie Wein nach dem toten Rauch und dem grauen Jammer des Cafés. Ich muss da ’raus, dachte er, ich muss ’raus um jeden Preis! Er sah nach der Uhr. Es war schon spät. Er beschloss, trotzdem noch zu versuchen, den Falschspieler zu treffen.

      Die kleine Bar, die der Falschspieler ihm als sein Stammlokal genannt hatte, war fast leer. Nur aufgedonnerte Mädchen hockten wie Papageien an der Nickelstange auf den hohen Stühlen.

      „War Fred hier?“ fragte Steiner den Mixer.

      „Fred?“ Der Mixer sah ihn scharf an. „Was wollen Sie denn von Fred?“

      „Das Vaterunser mit ihm beten, Bruder. Was sonst?“ Der Mixer dachte eine Zeitlang nach. „Er ist vor einer Stunde gegangen“, sagte er dann.

      „Kommt er nochmals wieder?“

      „Keine Ahnung.“

      „Schön. Da werde ich warten. Geben Sie mir einen Wodka.“

      Steiner wartete ungefähr eine Stunde. Er überlegte, was er alles zu Geld machen könne. Aber er kam nicht höher als auf etwa siebzig Schilling.

      Die Mädchen hatten ihn nur flüchtig gemustert. Sie saßen noch einige Zeit herum, dann stelzten sie hinaus. Der Mixer begann mit einem Knobelbecher vor sich hin zu würfeln. „Wollen wir einen austrudeln?“ fragte Steiner.

      „Von mir aus.“

      Sie würfelten und Steiner gewann. Sie spielten weiter. Steiner warf zweimal nacheinander in zwei Würfen vier Asse. „Mit Assen scheine ich Glück zu haben“, sagte er.

      „Sie haben überhaupt Glück“, erwiderte der Mixer. „Was sind Sie astrologisch?“

      „Das weiß ich nicht.“

      „Sie scheinen ein Löwe zu sein. Mindestens haben Sie die Sonne im Löwen. Ich verstehe ein bisschen davon. Letzte Runde, was? Fred kommt doch nicht mehr. Er ist noch nie um diese Zeit gekommen. Braucht Schlaf und ruhige Hände.“

      Sie knobelten, und Steiner gewann wieder. „Sehen Sie“, sagte der Mixer befriedigt und schob ihm fünf Schilling hinüber, „Sie sind bestimmt ein Löwe. Mit starkem Neptun, denke ich. In welchem Monat sind Sie geboren?“

      „August.“

      „Dann sind Sie ein typischer Löwe. Glänzende Chancen dieses Jahr!“

      „Dafür nehme ich einen ganzen Urwald voll Löwen auf mich.“ Steiner trank sein Glas aus. „Wollen Sie Fred sagen, dass ich hier war? Steiner hätte nach ihm gefragt. Ich komme morgen wieder vorbei.“

      „Schön.“

      Steiner ging zur Pension zurück. Der Weg war lang, und die Straßen waren leer. Der Himmel hing voller Sterne, und über die Mauern kam ab und zu der schwere Geruch blühenden Flieders. Mein Gort, Marie, dachte er, es kann doch nicht ewig dauern…

      4

      Kern stand in einer Drogerie in der Nähe des Wenzelplatzes. Er hatte im Schaufenster ein paar Flaschen Toilettewasser entdeckt, die das Etikett aus dem Laboratorium seines Vaters trugen.

      „Farr-Toilettewasser!“ Kern drehte die Flasche, die der Drogist vom Regal geholt hatte, in der Hand.

      „Wo haben Sie denn das her?“

      Der Drogist zuckte die Achseln. „Das weiß ich nicht mehr. Es kommt aus Deutschland. Wir haben es schon lange. Wollen Sie die Flasche kaufen?“

      „Nicht nur die eine. Sechs…“

      „Sechs?“

      „Ja, sechs zunächst. Später noch mehr. Ich handle damit. Natürlich muss ich Prozente haben.“

      Der Drogist sah Kern an. „Emigrant?“ fragte er.

      Kern stellte die Flasche auf den Ladentisch. „Wissen Sie“, sagte er ärgerlich, „diese Frage langweilt mich allmählich, wenn sie von Zivilisten gestellt wird.

      Besonders, wenn ich eine Aufenthaltserlaubnis in der Tasche habe. Sagen Sie mir lieber, wieviel Prozent Sie mir geben wollen?“

      „Zehn.“

      „Das ist lächerlich. Wie soll ich da etwas verdienen?“

      „Sie können die Flaschen mit fünfundzwanzig Prozent haben“, sagte der Besitzer des Ladens, der herangekommen war. „Wenn Sie zehn nehmen, sogar mit dreißig. Wir sind froh, wenn wir den alten Kram loswerden.“

      „Alten Kram?“ Kern blickte den Mann beleidigt an. „Das ist ein ganz hervorragendes Toilettewasser, wissen Sie das?“

      Der Besitzer des Ladens bohrte sich gleichgültig einen Finger ins Ohr. „Mag sein. Dann sind Sie sicher auch mit zwanzig Prozent zufrieden.“

      „Dreißig ist das mindeste. Das hat doch nichts mit der Qualität zu tun. Sie können mir dreißig Prozent geben, und das Toilettewasser kann trotzdem gut sein, oder nicht?“

      Der Drogist verzog die Lippen. „Alle Toilettewasser sind gleich. Gut sind nur die, für die Reklame gemacht wird. Das ist das ganze Geheimnis.“

      Kern sah ihn an. „Reklame wird für dieses bestimmt nicht mehr gemacht. Danach ist es allerdings sehr schlecht. Dann wären fünfunddreißig Prozent die richtige Provision.“

      „Dreißig“, erwiderte der Besitzer. „Ab und zu wird doch danach gefragt.“

      „Herr Bureck“, sagte der Drogist, „ich glaube, wir können sie ihm mit fünfunddreißig geben, wenn er ein Dutzend nimmt. Der Mann, der ab und zu danach fragt, ist immer derselbe. Er kauft auch nicht; er will uns nur das Rezept verkaufen.“

      „Das Rezept? Lieber Gott, das fehlt uns noch!“ Bureck hob abwehrend die Hände.

      „Das Rezept?“ Kern horchte auf. „Wer ist denn das, der Ihnen das Rezept verkaufen will?“

      Der Drogist


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