Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк

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heran und tat das Entehrendste, was es für einen Mann gibt; er schlug Schäfer mit der flachen Hand links und rechts ins Gesicht.

      Der Wachmann röchelte und sprang auf ihn los. Steiner wich zur Seite und landete einen linken Schwinger auf Schäfers Nase, die sofort blutete. „Hurensohn!“ knurrte er. „Jammervoller Scheißer! Feiges Aas!“

      Er zerschlug ihm mit einem trockenen Geraden die Lippen und fühlte die Zähne unter seinen Knöcheln knacken. Schäfer taumelte. „Hilfe!“ schrie er dann mit einer fetten, hohen Stimme.

      „Halt’s Maul!“ knurrte Steiner und setzte einen scharfen Rechten aufs Kinn und gleich darauf die kurz geschlagene Linke genau auf den Solarplexus. Schäfer gab einen froschähnlichen Laut von sich und stürzte wie eine Säule zu Boden.

      Ein paar Fenster wurden hell. „Was ist denn da schon wieder los?“ schrie eine Stimme.

      „Nichts“, erwiderte Steiner aus dem Dunkel. „Nur ein Besoffener!“

      „Der Teufel soll die Saufbrüder holen!“ rief die Stimme ärgerlich. „Bringen Sie ihn doch zur Polizei!“

      „Da soll er gerade hin!“

      „Hauen Sie ihm vorher noch ein paar in das versoffene Maul!“

      Das Fenster klappte zu. Steiner grinste und verschwand um die nächste Ecke. Er war sicher, dass Schäfer ihn mit seinem veränderten Gesicht im Dunkel nicht erkannt hatte. Er kreuzte noch ein paar Straßenecken, bis er in eine belebte Gegend kam. Dann ging er langsamer.

      Wunderbar und gleichzeitig zum Kotzen, dachte er. So ein bisschen lächerliche Rache! Aber es wiegt Jahre der Flucht und Geducktheit auf! Man muss die Gelegenheit nehmen, wie sie kommt! Er blieb unter einer Laterne stehen und holte seinen Pass heraus. Johann Huber! Arbeiter! Du bist tot und verfaulst irgendwo in der Erde von Graz – aber dein Pass lebt und ist gültig für die Behörden. Ich, Josef Steiner, lebe; aber ich bin ohne Pass tot für die Behörden. Er lachte. Tauschen wir, Johann Huber! Gib mir dein papierenes Leben und nimm meinen papierlosen Tod! Wenn die Lebenden uns nicht helfen, müssen die Toten es tun!

      6

      Kern kam Sonntag abend ins Hotel zurück. In seinem Zimmer stieß er auf Marill, der sehr aufgeregt war. „Endlich irgend jemand!“ rief er. „Verdammte Bude, in der ausgerechnet heute kein Aas zu finden ist! Alles ausgegangen! Alles unterwegs! Sogar der verfluchte Wirt!“

      „Was ist denn los?“ fragte Kern.

      „Wissen Sie, wo eine Hebamme wohnt? Oder ein Arzt, irgendein Frauenarzt oder so was?“

      „Nein.“

      „Natürlich nicht!“ Marill starrte ihn an. „Sie sind doch ein vernünftiger Mensch, Kern. Kommen Sie mit. Irgend jemand muss bei der Frau bleiben. Ich werde dann losgehen und eine Hebamme suchen. Können Sie das?“

      „Was?“

      „Aufpassen, dass sie sich nicht zuviel bewegt! Mit ihr reden. Irgendwas tun!“

      Er schleppte Kern, der nicht verstand, was los war, den Korridor entlang in den unteren Stock und öffnete die Tür eines kleinen Zimmers, in dem nicht viel mehr als ein Bett stand. Darin lag eine Frau und stöhnte.

      „Siebenter Monat! Fehlgeburt oder so was! Beruhigen Sie sie, wenn Sie können! Ich hole einen Arzt.“

      Er war draußen, ehe Kern etwas erwidern konnte.

      Die Frau im Bett stöhnte. Kern trat auf Zehenspitzen heran.

      „Kann ich Ihnen etwas geben?“ fragte er.

      Die Frau stöhnte weiter. Sie hatte klatschnasse, verschwitzte Haare von einem verblichenen Blond und ein graues Gesicht, aus dem dicke Sommersprossen sonderbar dunkel hervorschimmerten. Die Augen waren verdreht; unter den halbgeschlossenen Lidern war fast nur das Weiße zu sehen. Die dünnen Lippen waren zurückgezogen, die Zähne gefletscht und fest aufeinandergebissen. Sie leuchteten sehr weiß aus dem Halbdunkel.

      „Kann ich Ihnen etwas geben?“ fragte Kern noch einmal.

      Er sah sich um. Ein billiger, dünner Staubmantel hing über einem Stuhl, wie hingeworfen. Vor dem Bett standen ein Paar ausgetretene Schuhe. Die Frau lag mit ihren Kleidern im Bett, wie hineingestürzt. Auf dem Tisch stand eine Flasche mit Wasser und neben dem Waschtisch ein Koffer.

      Die Frau stöhnte. Kern wusste nicht, was er tun sollte. Die Frau warf sich hm und her. Er erinnerte sich an das, was Marill ihm gesagt hatte, und an das wenige, was er von dem einen Jahr an der Universität wusste, und versuchte, die Schultern der Frau festzuhalten. Aber es war, als wollte er eine Schlange festhalten. Während er sich bemühte und sie ihm entglitt und ihn wegstieß, riss sie plötzlich die Hände hoch und krallte sich augenblicklich mit aller Kraft an seinen Armen fest.

      Er stand wie festgeschmiedet. Er hätte nie geglaubt, dass die Frau eine solche Kraft haben könnte. Sie drehte den Kopf langsam, als wäre er eine Schraube, und stöhnte grauenvoll, als käme ihr Atem aus der Erde.

      Der Körper zuckte, und plötzlich sah Kern unter der Bettdecke, die sich verschoben hatte, einen schwarzroten Fleck hervorkriechen, das Leintuch entlang, größer werden und sich ausbreiten. Er versuchte, sich loszumachen, aber die Frau hielt ihn eisern fest. Wie gebannt starrte er auf den Fleck, der zu einem breiten Streifen wurde, bis er die Kante des Leintuchs erreichte und von da zur Erde tropfte und eine schwarze Lache bildete.

      „Loslassen! Lassen Sie los!“ Kern wagte nicht die Arme zu bewegen, weil er dann den Körper der Frau geschüttelt hätte. „Loslassen!“ knirschte er. „Loslassen!“

      Plötzlich erschlaffte der Körper der Frau. Sie ließ los und fiel in die Kissen. Kern griff nach der Decke und hob sie etwas hoch. Ein Schwall Blut quoll hervor und klatschte auf den Boden. Er sprang auf und rannte hinauf zu dem Zimmer, in dem Ruth Holland wohnte.

      Sie war da. Sie saß allein auf ihrem Bett zwischen ihren aufgeschlagenen Büchern. „Kommen Sie!“ rief Kern. „Unten verblutet eine Frau!“

      Sie liefen hinunter. Das Zimmer war dunkler geworden. Im Fenster flammte das Abendrot und warf einen düsteren Schein über den Boden und den Tisch. Ein roter Reflex funkelte wie ein Rubin in der Wasserflasche. Die Frau lag jetzt ganz still. Sie schien nicht mehr zu atmen.

      Ruth Holland hob die Bettdecke auf. Die Frau schwamm in Blut. „Machen Sie Licht“, rief das Mädchen.

      Kern lief zum Schalter. Das Licht der schwachen Birne mischte sich mit dem Abendrot zu einer trüben Helligkeit. In diesem gelbroten Brodem lag die Frau auf dem Bett. Sie schien nichts zu sein als ein unförmiger Bauch mit verschobenen, blutigen Kleidern, unter denen die Beine mit herabgerutschten, schwarzen Strümpfen herausragten, sonderbar in sich verdreht und erschlafft.

      „Geben Sie das Handtuch! Sie muss aufhören zu bluten! Vielleicht finden Sie irgend etwas!“

      Kern sah, wie Ruth die Ärmel hochschob und die Kleider der Frau zu lösen versuchte. Er gab ihr das Handtuch vom Waschtisch. „Der Arzt muss gleich kommen! Marill ist unterwegs.“

      Er suchte nach Verbandszeug und stülpte den Koffer hastig um.

      „Geben Sie her, was Sie finden“, rief Ruth.

      Auf dem Boden lag ein Haufen Säuglingswäsche – kleine Hemden, Windeln, Tücher und dazwischen ein paar Jäckchen, gestrickt aus rosa und hellblauer Wolle, mit Schleifen und Seide geschmückt. Eins war noch nicht fertig; ein paar Stricknadeln steckten noch drin. Ein Knäuel weiches, blaues Wollgarn fiel heraus und rollte lautlos über den Boden.

      „Geben Sie her!“ Ruth warf das blutige Handtuch weg. Kern gab ihr die Windeln und die Tücher. Dann hörte er Schritte auf der Treppe. Gleich darauf ging die Tür auf, und Marill kam mit einem Arzt herein.

      „Ja, was ist denn da… verdammt!“

      Der Arzt machte einen langen Schritt, schob Ruth Holland beiseite und beugte sich über die Frau. Nach einiger Zeit wandte er sich um zu Marill. „Rufen Sie sofort Nummer 2167 an. Braun soll eiligst kommen und alles mitbringen für Narkose, Braxton-Hicks-Operation. Verstanden? Außerdem alles für schwere Blutungen.“

      „Gut.“

      Der


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