Три товарища / Drei Kameraden. Эрих Мария Ремарк

Три товарища / Drei Kameraden - Эрих Мария Ремарк


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wohl stimmen.«

      Er stand auf und klappte Karls Motorhaube auf. Ich holte meine Rumflasche und ein Glas und stellte sie auf den Tisch. Otto ließ den Wagen an. Der Motor schlurfte ganz tief und verhalten. Lenz hatte die Füße auf der Fensterbank und starrte hinaus. Ich setzte mich neben ihn.

      »Warst du schon mal betrunken, wenn du mit einer Frau zusammen warst?«

      »Oft«.

      »Und?«

      Er sah mich aus schrägen Augen an. »Nie entschuldigen, Baby. Nie reden. Blumen schicken. Ohne Brief. Nur Blumen. Die decken alles zu.«

      Ich sah ihn an. »Könnte nun eigentlich ruhig etwas trinken«, sagte ich und machte die Flasche auf.

      Ich ging früh nach Hause. Als ich die Korridortür aufschloß, hörte ich Musik. Es war das Grammophon Erna Bönigs, der Sekretärin. Eine leise, klare Frauenstimme sang. »Wie hab‘ ich nur leben können ohne dich«, sang die Stimme, ein paar Schritte weiter hinter der Tür. Ich zuckte die Achseln und ging in mein Zimmer. Nebenan hörte ich erregtes Gezänk. Ein paar Minuten später klopfte es bei mir und Hasse kam herein.

      »Störe ich Sie?« fragte er müde.

      »Gar nicht«, sagte ich. »Wollen Sie was trinken?«

      »Lieber nicht. Nur etwas sitzen.« Er sah stumpf vor sich hin. »Sie haben‘s gut«, sagte er, »Sie sind allein…«

      »Ach Unsinn«, erwiderte ich. »Immer so allein‚ rumsitzen, das ist auch nichts – können Sie mir schon glauben…«

      Er saß zusammengesunken in seinem Sessel.

      »Hab‘ mir das Leben ganz anders vorgestellt«, sagte er nach einer Weile.

      »Haben wir alle«, sagte ich.

      Nach einer halben Stunde ging er wieder hinüber, um sich mit seiner Frau zu vertragen. Ich gab ihm ein paar Zeitungen und eine halbe Flasche Curaçao mit, die noch von irgendwann auf meinem Schrank herumstand – ein unangenehmes, süßes Zeug, aber für ihn ganz gut. Er verstand doch nichts davon.

      Ich setzte mich ans Fenster. Draußen lag der Friedhof im blauen Mondlicht. Ich saß ziemlich lange und dachte an allerlei Dinge. Auch daran, wie wir damals zurückgekommen waren aus dem Kriege, jung, ohne Glauben, wie Bergleute aus einem eingestürzten Schacht. Die Zeit der großen Menschen- und Männerträume war vorbei. Die Betriebsamen triumphierten. Die Korruption. Das Elend.

      Am nächsten Morgen brach ich frühzeitig auf und klopfte den Besitzer eines kleinen Blumenladens aus seiner Wohnung, bevor ich zur Werkstatt ging. Ich suchte einen Busch Rosen bei ihm aus und sagte ihm, er möge sie gleich fortschicken. Es war ein wenig sonderbar für mich, als ich die Adresse langsam auf die Karte schrieb: Patrice Hollmann.

      5

      Köster war in seinem ältesten Anzug zum Finanzamt gefahren. Er wollte versuchen, unsere Steuern herunterzukriegen. Lenz und ich waren allein in der Werkstatt.

      »Los, Gottfried«, sagte ich, »‘ran an den dicken Cadillac.«

      Am Abend vorher war unser Inserat erschienen. Wir konnten also heute mit Kunden rechnen – wenn überhaupt jemand kam. Es galt, den Wagen vorzubereiten. Gottfried hob Lenz die Hände zum Himmel. »Nun komm, gesegneter Kunde! Komm, lieblicher Brieftaschenbesitzer!

      Ein paar Stunden arbeiteten wir ruhig, ohne viel zu reden. Dann hörte ich Jupp von der Benzinpumpe her das Lied: »Horch, was kommt von draußen‚ rein…« pfeifen. Ich kletterte aus der Grube und schaute durchs Fenster. Ein kleiner, untersetzter Mann strich um den Cadillac herum. Er sah bürgerlich und solide aus.

      »Schau mal, Gottfried«, flüsterte ich.

      »Sieh dir das Gesicht an. Der ist schon mißtrauisch, bevor jemand da ist. Los, ran! Ich bleibe hier als Reserve. Komme nach, wenn du es nicht schaffst. Denk an meine Tricks!«

      »Gut.«

      Ich ging‚ raus. Der Mann sah mir aus klugen schwarzen Augen entgegen. Ich stellte mich vor.

      »Lohkamp.«

      »Blumenthal.«

      Das war Gottfrieds erster Trick: sich vorzustellen. Er behauptete, es gäbe gleich eine intimere Atmosphäre. Sein zweiter Trick war, sehr reserviert zu beginnen und den Kunden auszuhorchen, um dann da einzuhaken, wo es richtig war.

      »Sie kommen wegen des Cadillacs, Herr Blumenthal?« fragte ich. Blumenthal nickte. »Da drüben ist er«, sagte ich und zeigte hinüber.

      »Das sehe ich«, erwiderte Blumenthal. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu.

      Wir gingen über den Hof. Ich öffnete eine Tür des Wagens und ließ den Motor an. Dann schwieg ich, um Blumenthal Zeit zur Besichtigung zu lassen. Aber Blumenthal besichtigte nicht. Er kritisierte auch nicht. Er schwieg. Ich begann langsam und systematisch, den Cadillac zu beschreiben, wie eine Mutter ihr Kind, und versuchte dabei herauszukriegen, ob der Mann irgend etwas verstand. War er Fachmann, dann mußte ich mehr auf Motor und Chassis gehen – verstand er nichts, auf Komfort. Doch er verriet auch jetzt nichts. Er ließ mich reden, bis ich mir vorkam wie ein Luftballon.

      »Wozu wollen Sie den Wagen haben? Für die Stadt oder für die Reise?« fragte ich schließlich, um vielleicht da einen Punkt zu finden.

      »Für alles mögliche«, erklärte Blumenthal.

      »Aha! Und wollen Sie ihn selbst fahren oder mit Chauffeur?«

      »Je nachdem.«

      Antworten gab der Mann wie ein Papagei. Um ihn aufzumuntern, versuchte ich, ihn irgend etwas probieren zu lassen. Gewöhnlich wurden Kunden zugänglicher dadurch. Ich fürchtete, daß er mir sonst einschlief.

      »Das Verdeck geht für ein so großes Kabriolett besonders leicht«, sagte ich. Blumenthal probierte nicht.

      Vielleicht wollte er gar nicht zu uns, vielleicht hatte er sich nur geirrt und wollte etwas ganz anderes kaufen, eine Maschine oder einen Radioapparat.

      »Machen wir eine Probefahrt, Herr Blumenthal«, schlug ich schließlich vor.

      »Probefahrten zeigen nichts. Was am Wagen fehlt, merkt man immer erst hinterher.«

      Der Mann wollte nicht, das war klar. Aber da sah er mir voll in die Augen und sagte leise und scharf und sehr rasch:

      »Was kostet der Wagen?«

      »Siebentausend Mark«, sagte ich, wie aus der Pistole geschossen.

      »Viel zu teuer!«

      In diesem Augenblick kam ein eleganter Stutzer durch das Hoftor. Er zog eine Zeitung aus der Tasche, verglich die Hausnummer noch einmal und schritt auf mich zu.

      »Ist hier der Cadillac zu verkaufen?« Ich nickte. »Könnte ich ihn mal sehen?«

      »Das ist er hier«, sagte ich, »aber vielleicht warten Sie einen Moment, ich habe noch zu tun.«

      Ich ging dann rasch zu Blumenthal zurück.

      »Wenn Sie den Wagen einmal gefahren haben, werden Sie anders über den Preis denken«, sagte ich. »Sie können ihn gern so lange probieren, wie Sie wollen. Vielleicht kann ich Sie auch abends zu einer Probefahrt abholen, wenn Ihnen das besser paßt.«

      Ich sah, daß vorläufig nichts weiter zu machen war. Dieser Mann war nicht zu bereden. Auf einmal rauchte er. Sogar Corona-Coronas – er mußte Geld wie Heu haben.

      Aber es war mir schon egal. Ich nahm die Zigarre. Er gab mir freundlich die Hand und ging. Dann ging ich zurück in die Werkstatt.

      »Na«, begrüßte mich der Stutzer Gottfried Lenz, »wie hab‘ ich das gemacht? Sah, wie du da herumwürgtest, und wollte mal etwas nachhelfen. Ein Glück, daß Otto sich hier fürs Finanzamt umgezogen hat! Sah seinen guten Anzug da hängen – sauste im Galopp‚ rein, durchs Fenster‚ raus und wieder hierher als seriöser Käufer! Gut gemacht, was?«

      »Idiotisch gemacht«, erwiderte ich, »der Mann ist schlauer als wir beide zusammen! Sieh dir die Zigarre an! Eine Mark fünfzig das Stück. Du hast mir einen Milliardär verjagt.«

      Gottfried


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