Zielobjekt Null . Джек Марс

Zielobjekt Null  - Джек Марс


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Sie ihn mir“, sagte Cicero.

      Bradlee führte sie zu der Stelle ausgehobenem Permafrosts. In den Permafrost zu graben – und dabei so vorsichtig zu sein – war keine leichte Aufgabe, wusste Renault. Die obersten Schichten gefrorener Erde tauten gewöhnlich im Sommer auf, aber die tieferen Schichten wurden so genannt, weil sie in den Polargebieten dauerhaft gefroren waren. Das Loch, welches Bradlee und ihr Team gegraben hatten, war fast zwei Meter tief und breit genug, sodass ein ausgewachsener Mann darin liegen konnte.

      Nicht viel anders als ein Grab, dachte Renault grimmig.

      Und wie sie gesagt hatte, waren die eingefrorenen Überreste eines menschlichen Arms am Boden des Loches sichtbar, gewunden, fast skelettartig und durch die Zeit und die Erde geschwärzt.

      „Mein Gott“, sagte Cicero fast flüsternd. „Wissen Sie, was das ist Renault?“

      „Eine Leiche?“, vermutete er. Zumindest hoffte er, dass an dem Arm noch mehr dranhing.

      Cicero sprach schnell und gestikulierte mit seinen Händen. „In den 1880er Jahren gab es nicht weit von hier direkt am Ufer des Kolyma eine kleine Siedlung. Die ursprünglichen Siedler waren Nomaden, aber aufgrund ihrer wachsenden Bevölkerungszahl beabsichtigten sie, hier ein Dorf zu errichten. Dann geschah das Undenkbare. Eine Pockenepidemie brach aus und tötete vierzig Prozent ihres Stammes innerhalb von wenigen Tagen. Sie glaubten, der Fluss sei verflucht, und die Überlebenden flüchteten schnell.

      „Aber bevor sie dies taten, begruben sie ihre Toten – genau hier, in einem Massengrab am Ufer des Kolyma-Flusses.“ Er zeigte in das Loch und auf den Arm. „Die Fluten zerstören die Ufer. Der schmelzende Permafrost würde diese Leichen bald aufdecken und danach würde es nicht mehr als die einheimische Fauna benötigen, um an ihnen zu nagen und um dadurch ein Träger der Krankheit zu werden, durch die wir einer völlig neuen Epidemie ausgesetzt werden würden.“

      Renault vergaß für einen Moment zu atmen, während er einen der in Gelb gekleideten Forscher in dem Loch dabei beobachtete, wie er Proben von dem zerfallenden Arm kratze.

      Die Entdeckung war ziemlich aufregend; bis vor fünf Monaten war der letzte bekannte Ausbruch dieser Pocken in 1977 in Somalia gewesen. Die Weltgesundheitsorganisation hatte die Krankheit 1980 für ausgerottet erklärt. Und doch standen sie nun am Rand eines Grabes, von dem bekannt war, dass es mit einem gefährlichen Virus infiziert war, der die Bevölkerung einer Großstadt innerhalb weniger Tage stark verringern könnte – und ihr Job war es, ihn auszugraben, zu überprüfen und Proben an die WHO zurückzuschicken.

      „Genf wird es bestätigen müssen“, sagte Cicero leise. „Aber wenn meine Spekulationen korrekt sind, dann haben wir gerade einen achttausend Jahre alten Pockenstamm entdeckt.“

      „Achttausend?“, fragte Renault. „Ich dachte, Sie sagten, die Besiedlung sei Ende des 19. Jahrhunderts gewesen.“

      „Ja, das habe ich“, sagte Cicero. „Aber dann stellt sich die Frage, woher sie – ein isoliertes Nomadenvolk – den Virus bekommen haben. Auf ähnliche Weise, würde ich mir vorstellen. Sie gruben im Boden und stießen auf etwas, das seit langer Zeit gefroren war. Der Pockenstamm, der vor fünf Monaten in dem aufgetauten Karibu Kadaver gefunden wurde, konnte bis zum Beginn der Holozänepoche zurückverfolgt werden.“ Der ältere Virologe schien seinen Blick nicht von dem Arm abwenden zu können, welcher aus dem gefrorenen Schmutz herausragte. „Renault, holen Sie bitte den Behälter.“

      Renault holte den Probenbehälter aus Stahl und stellte ihn auf die gefrorene Erde nahe der Lochkante. Er öffnete die vier Verschlüsse, die ihn verriegelten, und hob den Deckel. Dort, wo er sie vorhin versteckt hatte, befand sich eine MAB PA-15. Es war eine alte Pistole, die mit ihrem vollem fünfzehn Schuss-Magazin und einem in der Kammer mit einem knappen Kilogramm allerdings nicht allzu schwer war.

      Die Waffe hatte seinem Onkel gehört, einem Veteranen der französischen Armee, der in Maghreb und Somalia gekämpft hatte.

      Der junge Franzose mochte Waffen jedoch nicht; sie waren ihm zu direkt, zu diskriminierend und viel zu künstlich für seinen Geschmack. Nicht wie ein Virus – die perfekte Maschine der Natur, die in der Lage war, eine komplette Spezies auszulöschen, sowohl systematisch als auch kritiklos zugleich. Emotionslos, unnachgiebig und plötzlich; genau das, was er jetzt sein musste.

      Er griff in die Stahlkiste und schlang seine Hand um die Waffe. Er schwankte leicht. Er wollte die Waffe nicht benutzen. Er hatte tatsächlich Gefallen an Ciceros ansteckendem Optimismus und dem Funkeln in den Augen des älteren Mannes gefunden.

      Aber alle Dinge müssen ein Ende haben, dachte er, die nächste Erfahrung wartet bereits.

      Renault stand dort mit der Pistole in der Hand. Er entfernte die Sicherung an der Pistole und schoss den beiden Forschern, die auf der anderen Seite des Loches standen, emotionslos direkt in die Brust.

      Dr. Bradlee stieß wegen des plötzlichen Schusses der Pistole einen erschrockenen Schrei aus. Sie stolperte zwei Schritte rückwärts, bevor Renault ebenfalls zweimal auf sie schoss. Der englische Arzt, Scott, machte einen schwachen Versuch, aus dem Loch zu klettern, bevor der Franzose es mit einem einzigen Schuss in den Kopf zu seinem Grab machte.

      Die Schüsse waren donnernd und ohrenbetäubend, aber es war für über hundertfünfzig Kilometer niemand um sie herum, der sie hätte hören können.

      Cicero war wie versteinert und vor Schock und Angst gelähmt. Renault hatte nur sieben Sekunden gebraucht, um vier Leben zu nehmen – nur sieben Sekunden, um die Forschungsexpedition in einen Massenmord zu verwandeln.

      Die Lippen des älteren Arztes zitterten hinter seiner Atemmaske, als er versuchte, zu sprechen. Nach einer Weile stotterte er ein einziges Wort: „Wi-wieso?“

      Renaults eisiger Blick war stoisch, so distanziert, wie jeder Virologe sein musste. „Doktor“, sagte er sanft. „Sie hyperventilieren. Nehmen Sie Ihre Maske ab, bevor Sie ohnmächtig werden.“

      Ciceros Atemzüge waren unregelmäßig und schnell – zu schnell für sein Beatmungsgerät. Sein Blick schweifte von der Waffe in Renaults Hand, die er locker an seiner Seite hielt, zu dem Loch hinüber, in dem der nun tote Dr. Scott lag. „Ich … das kann ich nicht“, stotterte Cicero. Seine Atemschutzmaske abzunehmen, würde ihn möglicherweise der Krankheit aussetzen. „Renault, bitte …“

      „Mein Name ist nicht Renault“, sagte der junge Mann. „Ich heiße Cheval – Adrian Cheval. Es gab einen Universitätsstudenten namens Renault, der dieses Praktikum erhielt. Er ist jetzt tot. Es sind seine Aufzeichnungen und seine These, die Sie gelesen haben.“

      Ciceros blutunterlaufene Augen öffneten sich noch weiter. Die Ränder seines Blicks verschwommen und wurden dunkel und er drohte, sein Bewusstsein zu verlieren. „Ich … ich verstehe nicht … warum?“

      „Dr. Cicero, bitte. Nehmen Sie die Atemmaske ab. Wenn Sie schon sterben, würden Sie es nicht vorziehen, dies in Würde zu tun? Mit der Sonne im Gesicht, als hinter einer Maske? Wenn Sie Ihr Bewusstsein verlieren, dann versichere ich Ihnen, dass Sie nie wieder aufwachen werden.“

      Mit zitternden Fingern griff Cicero langsam nach seiner gelben Kapuze und zog sie über seine weißen Haare. Dann packte er die Atemschutzmaske und das Beatmungsgerät und nahm es ab. Der Schweiß, der sich auf seiner Stirn geformt hatte, kühlte sofort und fror.

      „Ich möchte, dass Sie wissen“, sagte der Franzose, „dass ich Sie und Ihre Arbeit respektiere, Cicero. Das hier macht mir keinen Spaß.“

      „Renault – oder Cheval, wer auch immer Sie sein mögen – hören Sie auf Ihre Vernunft.“ Ohne das Atemgerät und die Maske hatte Cicero genug Kraft zurückerlangt, um eine Bitte zum Ausdruck zu bringen. Es konnte nur eine einzige Motivation geben, die den jungen Mann vor ihm zu einer solch grausamen Tat treiben würde. „Was auch immer Sie damit vorhaben, bitte, überdenken Sie es noch einmal. Es ist extrem gefährlich –“

      Cheval seufzte. „Ich bin mir dessen bewusst, Doktor. Sehen Sie, ich war tatsächlich ein Student der Universität in Stockholm und ich verfolgte wirklich meinen Doktortitel. Letztes Jahr habe ich jedoch einen Fehler gemacht. Ich habe Fakultätsunterschriften auf einem


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