Ehre wem Ehre gebührt. Морган Райс

Ehre wem Ehre gebührt - Морган Райс


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Armen und als ein neuer Stoß die Tür erschütterte, wusste sie, dass er Recht hatte. Sie konnte ihn hier nicht sterben lassen.

      „Was ist mit Ihnen?“ stöhnte sie. „Sie werden Sie auch töten.“

      Er nickte resigniert.

      „Ich habe viele Sonnenzyklen gelebt“, antwortete er. „Wenn ich so ein wenig Zeit für dich gewinnen kann, sodass du einen sicheren Ort finden kannst, werde ich gerne das geben, was mir von meinem Leben noch bleibt. Geh jetzt! Lauf in Richtung des Flusses. Nimm eines der Boote und flieh von hier! Schnell!“

      Er zerrte sie hinaus noch bevor sie die Chance hatte darüber nachzudenken. Er führte sie zu einem Seiteneingang seiner Festung und enthüllte eine hinter der Wandverkleidung verborgen liegende Tür, die in den Stein gehauen worden war. Er lehnte sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen und sie öffnete sich mit einem Krächzen. Muffige und kalte Luft schlug ihnen entgegen.

      Kaum hatte er sie geöffnet, da stieß er sie und das Baby auch schon hinaus.

      Rea befand sich nun wieder mitten im Schneegestöber. Sie stolperte ihr Kind fest an sich gedrückt das steile, schneebedeckte Ufer entlang. Sie schlitterte und rutschte, glaubte die Welt würde jeden Augenblick unter ihr zusammenbrechen und war kaum im Stande, sich zu bewegen. Als sie so voranstolperte, schlug in einem nahegelegenen Baum der Blitz ein. Flammen loderten auf.

      Rea fiel zu Boden, und als sie sich zusammenrollte, um so ihr Kind vor dem harten Aufprall schützen zu können, spürte sie, wie sich die Kette, die der Ritter ihr für das Kind gegeben hatte, von ihrem Hals löste und in die Flamen fiel. Rea griff nach einem Zweig, um sie aus den Flammen zu retten. Der Zweig fing Feuer und doch gelang es ihr, die Kette aus den Flammen zu ziehen. Einen Moment lang baumelte sie an dem Stöckchen in der Luft. Mit Grauen musste sie mitansehen, wie der Arm ihres Kindes sich nach der Kette ausstreckte.

      Das Baby schrie auf, und Rea warf die Kette zur Seite ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, wer sie ihr gegeben hatte. Ensetzt erblickte sie den makellosen Umriss des Anhängers auf dem Arm des Kindes. All das erschien ihr ein weiteres Vorzeichen zu sein.

      Rea stolperte ein weiteres Mal und rutschte den Abhang hinab. Dieses Mal landete sie auf ihrem Hintern. Sie flog ein Stück und schrie als der Abhang sie geradewegs zum Ufer hinab beförderte.

      Sie atmete erleichtert auf, denn sie erkannte, dass es ihr ohne die Rutschpartie wohl nicht gelungen wäre, den ganzen Weg hinabzulaufen. Sie blickte ehrfürchtig den Hang hinauf, erschrocken über den weiten Weg, den sie bereits zurückgelegt hatte und musste entsetzt feststellen, dass die Ritter Fioths Festung in Brand gesteckt hatten. Die Flammen schlugen trotz des Schnees bereits hoch und eine furchtbare Welle der Schuld überkam sie bei dem Gedanken, dass der alte Mann sein Leben für sie gelassen hatte.

      Einen Moment später strömten Ritter durch die Hintertür und Pferde galoppierten um die Festung herum auf sie zu. Sie sah, dass sie entdeckt worden war und sie auf sie zustürmten ohne auch nur eine Sekunde Luft zu holen.

      Rea drehte sich herum und versuchte davonzulaufen, doch es ging nicht weiter. Ihr Zustand machte das Davonrennen außerdem sowieso unmöglich. Das einzige was sie tun konnte, war es, am Ufer auf ihre Knie zu sinken. Sie wusste, dass sie hier sterben würde. Es gab keinen anderen Ausweg mehr.

      Dennoch hegte sie noch Hoffnung für ihr Kind. Sie blickte sich um und sah einen Haufen kleiner Stöcke, vielleicht das Nest eines Bibers, der so gebaut worden war, dass er einem Körbchen ähnelte. Sie griff danach und legte flink ihr Kind hinein. Sie testete es und stellte erleichtert fest, dass es schwamm.

      Rea holte aus und bereitete sich darauf vor, das Körbchen auf die sanften Wogen des Flusses zu setzen. Wenn der Strom es fing, würde er es von hier forttragen. Den Fluss hinab. Wie weit und wie lang er es tragen würde, das wusste sie nicht. Doch war eine kleine Chance das Leben ihres Babys zu retten besser als keine.

      Rea weinte und beugte sich hinab, um die Stirn ihres Kindes zu küssen. Sie weinte bitterlich und drückte die kleinen Händchen ihres Sohnes.

      „Ich liebe dich“, sagte sie schluchzend. „Vergiss mich nicht.“

      Das Baby stieß einen Schrei aus, als würde es verstehen. Es war ein markerschütternder Schrei, der über das Grollen von Blitz und Donner erscholl und sogar das herannahende Pferdegetrappel übertönte.

      Rea wusste, dass sie nicht länger warten durfte. Sie gab de Körbchen einen Schubs und kurz darauf trug der Strom es davon. Sie blickte ihm weinend nach während die Dunkelheit es langsam verschluckte.

      Sie hatte es gerade aus den Augen verloren, da tauchten hinter ihr die Rüstungen auf – sie wandte sich um und erblickte mehrere Ritter, die nicht weit von ihr entfernt gerade von ihren Pferden stiegen.

      „Wo ist das Kind?“ fragte einer. Sein Visier war nach unten geklappt und seine Stimme schnitt durch den Sturm. Sein Visier war nicht wie das jenes Mannes, der sie in jener Nacht genommen hatte. Der Mann trug eine rote Rüstung, die eine andere Form hatte und nichts liebliches Schwang in seiner Stimme mit.

      „Ich…“ begann sie.

      Dann spürte sie Wut in sich aufsteigen – die Wut einer Frau, die wusste, dass sie sterben würde. Die nichts zu verlieren hatte.

      „Er ist weg“, spie sie ihn herausfordernd an. Sie grinste. „Und ihr werdet ihn niemals haben. Niemals.“

      Der Mann grunzte verärgert, tat einen Schritt auf sie zu, zog sein Schwert und erstach sie.

      Rea spürte den ungeheuerlichen Schmerz des Stahls in ihrer Brust und sie keuchte atemlos. Die Welt um sie wurde lichter und sie spürte wie sie Teil dieses Lichts wurde und sie wusste, dass es der Tod war.

      Doch war da keine Angst. Vielmehr spürte sie Zufriedenheit. Ihr Kind war sicher.

      Sie landete mit dem Gesicht im Fluss. Das Wasser färbte sich rot und sie wusste, dass es vorbei war. Ihr kurzes und schweres Leben war vorbei.

      Doch ihr Junge würde für immer leben.

*

      Die Bäuerin Mithka kniete am Ufer des Flusses neben ihrem Ehemann. Beide waren ganz in ihre Gebete versunken, denn diese erschienen ihnen die einzige Zuflucht in diesem unheimlichen Sturm. Es fühlte sich an, als sei das Ende der Welt gekommen. Der blutrote Mond allein war wie ein denkwürdiges Omen – doch in Verbindung mit solch einem Sturm war er mehr als nur unheimlich. So etwas hatte es zuvor noch nie gegeben. Etwas Bedeutsames war auf dem Weg, das wusste sie.

      Sie knieten zusammen dort, Wind und Schnee schlug ihnen ins Gesicht und sie beteten, dass ihre Familie den Sturm sicher überstehen würde. Um Gnade. Für die Vergebung ihrer Sünden.

      Mithka war eine fromme Frau und hatte viele Sonnenzyklen erlebt, zahlreichen Kinder das Leben geschenkt und ein gutes Leben gehabt. Ein armes doch gutes Leben. Sie war eine anständige Frau. Sie hatte sich um ihr Geschäft gekümmert, hatte sich um Andere gesorgt und hatte niemandem etwas zu Leide getan. Sie rief Gott an, damit er ihre Kinder, ihren Haushalt und ihre bescheidenen Habseligkeiten beschützen würde. Sie beugte sich nach vorne, platzierte ihren Handinnenflächen im Schnee, schloss ihre Augen und neigte ihr Haupt, sodass ihre Stirn den Boden berührte. Sie bat Gott, ihr ein Zeichen zu schicken.

      Langsam hob sie ihren Kopf. Währenddessen weiteten sich ihre Augen und ihr Herz begann beim Anblick dessen, was sie vor sich erblickte, schneller zu schlagen.

      „Murka!“ zischte sie.

      Ihr Mann drehte sich zu ihr und blickte auf. Kniend und durchfroren starrten sie voller Erstaunen auf das, was sie dort sahen.

      Das konnte nicht möglich sein. Sie blinzelte mehrere Male, sie bildete es sich nicht ein. Vor ihnen schwebte ein von der Strömung herbeigespültes Körbchen auf dem Wasser.

      Und in dem Körbchen lag ein Baby.

      Ein Junge.

      Seine Schreie durchdrangen die Nacht, erhoben sich sogar über das Brausen des Sturms und das Krachen von Blitz und Donner und drangen ihr direkt ins Herz.

      Sie sprang in den Fluss, watete durch das tiefe eisige Wasser, dessen messerartige Stiche ihr gleichgültig waren und angelte nach dem Körbchen. Sie blickte


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