Regentschaft Des Stahls . Морган Райс
dass alle vier aussahen, wie Überlebende eines Krieges: Mit eingefallenen Wangen starrten sie in die Flammen und rieben die Hände darüber im mehr oder weniger erfolgreichen Versuch, sich in der nichtendenwollenden Kälte aufzuwärmen.
Es war bereits tiefe Nacht, und sie hatten den ganzen Tag über ohne Feuer ausgeharrt, aus Angst, entdeckt zu werden. Schließlich waren sie alle so kalt, müde und niedergeschlagen gewesen, dass sie es doch wagten. Stara war sicher, dass seit ihrer Flucht genug Zeit vergangen war – und zudem würde es niemand wagen, den Abstieg zu den Klippen zu versuchen. Es war zu steil und der Boden viel zu rutschig. Wer auch immer es versuchen würde, würde sicher dabei sterben.
Doch sie waren in dieser Höhle gefangen. Wenn sie sie verließen, mussten sie damit rechnen, dass eine Arme von Inselbewohnern sie finden und alle töten würde. Ihr Bruder kannte keine Gnade. Es war hoffnungslos.
Sie saß neben dem geistig abwesenden, grübelnden Reece, und dachte über die Geschehnisse nach. Sie hatte im Fort Reeces Leben gerettet, und er hatte sie an der Klippe vor dem Tod bewahrt. Empfand er noch das gleiche für sie wie früher? So wie sie für ihn empfand? Oder war er bitter wegen dem, was Selese zugestoßen war? Gab er ihr die Schuld? Würde er ihr vergeben?
Stara konnte sich den Schmerz kaum vorstellen, den er verspüren musste, als sie ihn beobachtete: Er hatte den Kopf auf die Hände gestützt und starrte verloren ins Feuer. Sie fragte sich, was er gerade dachte. Er sah aus wie ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte, wie jemand, der die Grenzen des Leids erlebt hatte und den Weg nicht zurückgefunden hatte. Ein Mann zerfressen von Schuldgefühlen. Er ähnelte nicht mehr annähernd dem Mann, der vor wenigen Wochen hier abgereist war, der Mann, der so voller Liebe und Freude war, so gerne gelächelt hatte, der sie mit Liebe und Zuneigung überschüttet hatte. Er sah aus, als wäre etwas in ihm gestorben.
Stara sah ihn an. Sie hatte Angst seinem Blick zu begegnen, doch sie brauchte ihn jetzt. Insgeheim hoffte sie, dass er sie ansah und über sie nachdachte. Doch er blickte lediglich in die Flammen und wirkte schrecklich einsam.
Stara konnte die Frage nicht verdrängen, ob zwischen ihnen nun alles aus war, ihre Liebe ruiniert durch Seleses Tod. Immer wieder verfluchte sie ihre Brüder – und ihren Vater – dafür, dass sie einen derart perfiden Plan in die Tat umgesetzt hatten. Natürlich hatte sie Reece für sich alleine haben wollen; doch sie hätte niemals dieser hinterhältigen Verschwörung zugestimmt, die letztendlich zu Seleses Tod geführt hatte. Sie hatte nie gewollt, dass Selese getötet oder auch nur verletzt wird. Sie hatte gehofft, dass Reece ihre die Nachricht schonen beibringen würde, doch dass sie, auch wenn sie natürlich traurig sein würde, ihn verstehen konnte – doch nicht, dass sie sich selbst umbringen, oder Reeces Leben zerstören würde.
Doch nun waren all ihre Pläne vor Staras Augen zu Staub zerfallen, dank ihrer schrecklichen Familie. Matus war der einzige normale Mensch in ihrer Blutlinie. Doch Stara fragte sich, was aus ihm werden würde, aus ihnen allen. Würden sie in dieser Höhle sterben? Irgendwann würden sie sie verlassen müssen. Und die Männer ihres Bruders waren erbarmungslos, das wusste sie.
Er würde nicht ruhen, bevor er sie alle umgebracht hatte, besonders jetzt, nachdem Reece seinen Vater getötet hatte.
Stara wusste, dass sie Bedauern empfinden sollte darüber, dass ihr Vater tot war – doch sie empfand nichts. Sie hasste den Mann, hatte ihn schon immer gehasst. Wenn sie überhaupt etwas fühlte, dann war es Erleichterung und Dankbarkeit gegenüber Reece. Tirus war sein Leben lang ein ehrloser Krieger und König gewesen. Er hatte sich ihr gegenüber nie wie ein Vater verhalten.
Stara betrachtete die drei Krieger, die neben ihr am Feuer saßen. Sie sahen verzweifelt aus, und seit Stunden hatte keiner von ihnen auch nur ein Wort gesagt. Sie fragte sich, ob sie irgendeinen Plan hatten. Srog war schwer verwundet, und Matus und Reece waren ebenfalls lädiert, auch wenn ihre Verletzungen geringfügiger Natur waren.
Sie sahen alle erfroren aus, schwer mitgenommen vom Wetter an diesem unwirtlichen Ort.
„Wollen wir für immer in dieser Höhle sitzen und hier sterben?“, fragte Stara, und brach damit die angespannte Stille. Sie konnte die Monotonie und den Schwermut nicht mehr ertragen.
Langsam wandten Srog und Matus ihr den Blick zu. Doch Reece rührte sich nicht.
„Und wo sollen wir deiner Meinung nach hingehen?“, fragte Srog. „Die Insel ist voller Gefolgsleute deines Bruders. Welche Chance haben wir schon gegen sie? Besonders jetzt, nachdem sie aufgebracht sind durch den Tod deines Vaters und unsere Flucht.“
„Du hast uns ganz schön in die Bredouille gebracht, mein lieber Cousin“, sagte Matus lächelnd und legte dabei die Hand auf Reeces Schulter. „Das war mutig. Vielleicht die mutigste Tat, die ich je in meinem Leben gesehen habe.“
Reece zuckte mit den Schultern.
„Er hat meine Braut ermordet. Er hatte den Tod verdient.“
Das Wort Braut widerstrebte Stara zutiefst. Es brach ihr das Herz. Seine Wortwahl zeigte ihr deutlich, dass Reece Selese noch immer liebte. Er wollte Stara noch nicht einmal ansehen. Ihr war zum Weinen zumute.
„Mach dir keine Sorgen, Reece“, sagte Matus. „Ich bin froh, dass mein Vater tot ist, und ich bin froh, dass du derjenige bist, der ihn getötet hat. Ich nehme es dir nicht übel. Im Gegenteil, ich bewundere dich, auch wenn wir alle dabei fast gestorben wären.“
Reece nickte. Er war dankbar für Matus‘ Worte.
„Keiner hat mir bisher geantwortet“, sagte Stara. „Was ist der Plan. Sollen wir hier alle sterben?“
„Was ist dein Plan?“, schoss Reece zurück.
„Ich habe keinen“, sagte sie. „Ich habe meinen Beitrag im Fort geleistet, als ich uns alle gerettet habe.“
„Das hast du“, gab Reece zu, wobei er immer noch in die Flammen starrte. „Ich schulde dir mein Leben.“
Bei Reeces Worten spürte Stara einen Anflug von Hoffnung, auch wenn er sich nach wie vor weigerte, sie anzusehen. Sie fragte sich, ob er sie vielleicht doch nicht hasste.
„Und du hast meines gerettet“, antwortete sie. „An den Klippen. Du schuldest mir nichts.“
Reece starrte weiter in die Flammen.
Sie wartete darauf, dass er etwas erwiderte, dass er sagte, dass er sie liebte, irgendetwas. Doch er schwieg und Stara wurde rot.
„Das war’s dann?“, fragte sie. „Haben wir uns sonst nichts zu sagen?“
Reece hob seinen Kopf und sah ihr zum ersten Mal in die Augen.
Stara konnte es nicht länger ertragen. Sie sprang auf und stürmte aus der Höhle hinaus an den Rand der Klippe. Sie blickte in die Nacht hinaus, in den Regen, den Wind und fragte sich: War alles aus zwischen ihr und Reece? Wenn dem so war, gab es keinen Grund mehr für sie zu leben.
„Wir können zu den Schiffen fliehen“, sagte Reece schließlich nach einer unendlichen Stille. Seine Worte hallten durch die Nacht.
Stara drehte sich um und sah ihn an.
„Zu den Schiffen fliehen?“, fragte sie.
Reece nickte.
„Unsere Männer sind da unten im Hafen. Wir müssen irgendwie dorthin gelangen. Das ist das einzige Gebiet, das noch in MacGil Händen ist.“
Stara schüttelte den Kopf.
„Ein tollkühner Plan“ sagte sie. „Die Schiffe dürften umstellt sein, wenn sie sie nicht schon zerstört haben. Wir müssten an den Männern meines Bruders vorbeikommen. Wir sollten versuchen uns irgendwo auf der Insel zu verstecken.“
Reece schüttelte entschieden den Kopf.
„Nein“, sagte er. „Das sind unsere Männer. Wir müssen zu ihnen gelangen, egal wie. Wenn sie angegriffen werden, werden wir kämpfend mit ihnen untergehen.“
„Du scheinst mich nicht zu verstehen“, sagte sie genauso entschlossen. „Beim ersten Tageslicht werden tausend Männer meines Bruders die Küste belagern. Es gibt keinen Weg an ihnen vorbei.“
Reece