Der Traum Der Sterblichen . Морган Райс

Der Traum Der Sterblichen  - Морган Райс


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sehen, wie er  bewusstlos, regungslos, mit jedem Augenblick, der verstrich, tiefer sank. Sie wusste, dass er binnen weniger Sekunden tot sein könnte. Doch sie wusste auch, dass er, wenn sie nicht vom Schiff gesprungen wäre, keine Chance hätte, zu überleben.

      Sie war fest entschlossen, ihn zu retten – selbst wenn es sie selbst das Lebe kosten würde, oder wenn sie dort unten mit ihm sterben sollte. Sie konnte es nicht wirklich verstehen, doch sie spürte eine tiefe Bindung mit Thor, seit dem Augenblick, als sie ihn das erste Mal auf der Insel gesehen hatte. Er war der einzige Mensch gewesen, der keine Angst vor ihrem Aussatz gehabt hatte, der sie trotzdem umarmt hatte, der nie eine Scheu vor ihr hatte, und der sie wie einen normalen Menschen behandelte. Sie fühlte sich tief in seiner Schuld, spürte eine intensive Loyalität ihm gegenüber, und war ohne zu überlegen bereit dazu, ihr Leben für ihn zu opfern.

      Das eiskalte Wasser stach auf ihrer Haut, als sein eintauchte. Es fühlte sich so an, als würden unzählige kleiner Dolche auf sie einstechen. Sie erschrak ob der Kälte und hielt den Atem an, als sie immer tiefer eintauchte. Sie öffnete ihre Augen, um im trüben Wasser nach Thor zu suchen. Sie konnte ihn in der dunklen Tiefe kaum sehen, doch als sie ihn entdeckte, schwamm sie mit einem energischen Stoß auf ihn zu und ergriff ihn am Ärmel.

      Er war schwerer, als sie gedacht hatte. Sie hielt ihn mit beiden Armen fest und strampelte mit ihren Beinen, um sie beide nach oben zu bringen. Angel war weder groß noch stark, doch sie wusste, dass ihre Beine stark waren. Ihre Arme waren schwach vom Aussatz, doch ihre Beine waren ihre Gabe – stärker und schneller als die eines Mannes – und sie nutzte sie nun, als sie um ihr Leben an die Oberfläche schwamm. Wenn es eines gab, das sie gelernt hatte, während sie auf der Insel aufwuchs, dann war es zu schwimmen.

      Komm schon! dachte sie. Nur noch ein paar Meter!

      Erschöpft und kaum noch in der Lage, den Atem länger anzuhalten, zwang sie sich dazu, stärker zu strampeln –  und mit einem letzten Stoß schaffte sie es an die Oberfläche.

      Angel reckte keuchend den Kopf und zog Thor mit sich. Sie hielt ihn mit beiden Armen fest, und hielt seinen Kopf über Wasser. Er schien immer noch bewusstlos, doch sie hatte Angst, dass er zwischenzeitlich ertrunken sein könnte.

      „Thorgrin!“, schrie sie. „Wach auf!“

      Sie ergriff ihn von hinten, wickelte ihre Arme um seinen Bauch und riss ihn fest zu sich heran, wie sie es bei den anderen auf der Insel gesehen hatte, wenn jemand beinahe ertrunken war. Genau so machte sie es jetzt und drückte mit Wucht auf sein Zwerchfell. Ihre dünnen Ärmchen zitterten dabei.

      „Bitte Thorgrin!“, weinte sie. „Du musst leben! Bitte lebe! Für mich!“

      Plötzlich hörte sie ihn husten, und wie er eine Menge Wasser ausspie, und war überglücklich, dass Thor zu ihr zurückgekommen war. Er hatte all das Meerwasser ausgespuckt und hustete sich nun die Lungen frei. Erleichterung machte sich in Angel breit.

      Und viel besser noch – Thor hatte das Bewusstsein zurückerlangt. All das schien ihn endlich aus seinem tiefen Schlummer gerissen zu haben. Vielleicht, so hoffte sie, war er sogar starkgenug, mit diesen Männern fertig zu werden, und sie beide in Sicherheit zu bringen.

      Angel hatte ihren Gedanken kaum zu Ende gedacht, als sie spürte, wie ein schweres Netz aus Seilen auf ihrem Rücken landete, und sie und Thorgrin einfing.

      Sie blickte auf und sah die Halsabschneider über ihnen an der Reling stehen. Sie zerrten und zogen das Seil hoch, als ob sie Fischer waren, die sie gerade gefangen hatten. Angel kämpfte und versuchte das Seil loszuwerden, und hoffte, dass Thor ihr dabei helfen würde. Doch auch wenn er hustete, hing er immer noch matt an ihr und sie konnte sehen, dass er offensichtlich keine Kraft hatte, sich zu verteidigen.

      Angel spürte, wie sie langsam aus dem Wasser gezogen wurden, höher und immer höher gezogen wurden, während das Wasser an ihnen herunterlief und sie wieder in Richtung der Reling zogen.

      „NEIN!“, schrie sie und schlug im vergeblichen Versuch, sich zu befreien, um sich.

      Einer der Halsabschneider streckte ihnen einen langen eisernen Haken entgegen, hakte ihn im Netz ein und zerrte sie mit einer abrupten Bewegung an Deck.

      Sie schwangen durch die Luft, die Seile wurden durchtrennt und Angel fiel und landete schmerzhaft frei Meter tiefer an Deck. Ihre Rippen taten vom Aufprall weh und sie zerrte an den Seilen, um zu versuchen, sich zu befreien.

      Doch es half nichts. Binnen weniger Augenblicke stürzten sich mehrere Piraten auf sie, hielte Thor und sie fest und zerrten sie aus dem Netz. Angel spürte mehrere grobe Hände, die sie packten und ihr mit einem rauen Seil die Hände hinter den Rücken fesselten, während sie sie tropfnass wie sie war auf die Beine zogen. Sie konnte sich kaum bewegen.

      Angel sah sich um Thorgrin besorgt um, und sah, dass auch er gefesselt war. Er war immer noch mehr bewusstlos als wach. Dann wurden sie über Deck gezerrt, zu schnell, sodass Angel stolperte.

      „Das wird dir eine Lehre sein, zu versuchen, vor uns zu fliehen!“, herrschte sie einer der Piraten an.

      Angel blickte auf und sah, wie vor ihr eine Holztür geöffnet wurde, die unter Deck führte und sie starrte in die Dunkelheit hinab. Sekunden später wurde sie von den Piraten hineingestoßen.

      Angel purzelte mit dem Kopf voran in die Tiefe. Sie schlug sich ihren Kopf am Holzboden auf und landete mit dem Gesicht voran. Dann spürte sie Thors Gewicht, der auf sie stürzte und sie beide weiter in die Finsternis rollen ließ.

      Die Holztür über ihnen wurde zugeworfen und mit einer Kette verschlossen, sodass sie sich in absoluter Dunkelheit wiederfand. Sie lag schwer atmend da und fragte sich, was das für ein Ort war.

      Am anderen Ende des Raumes fiel plötzlich Tageslicht hinein, als die Männer eine Luke öffneten, die mit eisernen Stäben vergittert war.

      Einige Gesichter erschienen und glotzten hinab. Einige von ihnen spuckte hinunter, bevor sie sich wieder entfernten. Bevor sie auch diese Luke wieder zuwarfen, hörte Angel eine tröstende Stimme in der Dunkelheit.

      „Es ist okay. Ihr seid nicht allein.“

      Angel erschrak, überrascht und erleichtert eine Stimme zu hören, und sie war erschrocken und erleichtert zugleich, als sie ihre Freunde dasitzen sah. Reece und Selese, Elden und Indra, O’Connor und Matus alle von ihnen saßen mit hinter dem Rücken gefesselten Händen da – doch sie waren am Leben. Angel war sich sicher gewesen, dass das Meer sie alle umgebracht hatte, doch als sie sie sah spürte sie eine unglaubliche Erleichterung.

      Doch sie war begleitet von einem unguten Gefühl: wenn diese großen Krieger gefangen genommen worden waren, welche Chance hatten sie dann, jemals lebend hier herauszukommen?

      KAPITEL DREI

      Erec saß mit dem Rücken gegen einen Mast an Deck seines Schiffs. Seine Hände waren auf seinen Rücken gefesselt und er betrachtete missmutig, was um ihn herum vor sich ging. Die verbliebenen Schiffe seiner Flotte standen genauso wie seines unter Bewachung und Blockade einer Flotte von gut tausend Schiffen des Empire. Es war Nacht und sie lagen im Licht der Monde vor Anker. Die Fahnen seiner Heimat wehten noch über seinen Schiffen während die schwarz-goldenes Banner des Empire über denen des Empire im Wind flatterten. Es war ein entmutigender Anblick. Er hatte kapituliert, um seine Männer vor dem sicheren Tod zu bewahren, und doch waren sie dem Empire ausgeliefert, gemeine Gefangenen ohne Aussicht auf Rettung.

      Erec konnte die Empire-Krieger sehen, die seine Schiffe besetzt hielten, etwa ein Dutzend Mann pro Schiff die arrogant aufs Meer hinausblickten. Seine eigenen Männer hockten gefesselt an Deck, sie waren deutlich in der Überzahl, doch die Wachen schienen sich nicht daran zu stören. Da alle Männer ohnehin gefesselt waren, war nicht einmal das Dutzend Wachen nötig, das sich auf jedem Schiff befand. Erecs Männer hatten auf seinen Befehl hin kapituliert, und offensichtlich gab es bei einer Blockade dieses Ausmaßes ohnehin keinen Ausweg.

      Erec wurde von Schuldgefühlen geplagt. Noch nie zuvor hatte er sich ergeben und es tat ihm unendlich weg. Er musste sich immer wieder daran erinnern, dass er jetzt Kommandant war, und nicht nur ein einfacher Krieger – und damit trug er die Verantwortung für alle seine Männer. So sehr wie sie in der Unterzahl gewesen


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