Der Traum Der Sterblichen . Морган Райс
betrachtete die massiven geschlossenen Türen, die komplizierten Muster und Symbole, die eingraviert waren und Geschichten von alten Schlachten in den Ländern des Empire erzählten. Diese Tore waren im ganzen Empire bekannt, man erzählte sich von ihnen, dass es hundert Jahre gedauert hat, sie zu gravieren, und dass sie vier Meter dick waren. Sie waren ein Zeichen der Stärke, das alle Länder des Empire repräsentierte.
Volusia, die kaum zwanzig Meter davor stand, starrte sie staunend an und bewunderte, was sie repräsentierten. Sie waren nicht nur ein Symbol der Stärke und der Stabilität, sondern ein Meisterwerk, ein uraltes Kunstwerk. Sie sehnte sich danach, diese goldenen Tore zu berühren, ihre Hände über die Gravuren gleiten zu lassen.
Doch sie wusste, dass jetzt nicht die Zeit dazu war. Während sie sie betrachte, stieg ein ungutes Gefühl in ihr auf. Etwas stimmte nicht. Sie waren unbewacht, und es war viel zu ruhig.
Volusia blickte auf, und sah, wie auf den Zinnen langsam tausende von Empire-Kriegern Stellung bezogen und Speere oder Bögen im Anschlag hielten.
Ein General stand mitten unter ihnen und blickte zu Volusia herab.
„Du bist dumm, so nah heranzukommen“, polterte er, „Du stehst in Reichweite unserer Bögen und Speere. Mit einem Fingerzeig kann ich dich töten lassen. Doch ich will dir Gnade gewähren“ fügte er hinzu. „Sag deiner Armee, dass sie ihre Waffen niederlegen sollen, und ich werde euch alle am Leben lassen.“
Volusia blickte zum General auf, dessen Gesicht im grellen Sonnenlicht nicht erkennbar war, dieser einsame Kommandant, der übrig war, um die Stadt zu verteidigen. Sie ließ den Blick über die Zinnen schweifen, musterte die Männer, die ihre Augen und ihre Waffen auf sie gerichtet hatten. Sie wusste, dass er meinte, was er sagte.
„Ich werde dir eine Gelegenheit geben deine Waffen niederzulegen“, rief sie zurück, „bevor ich all deine Männer töte und diese Stadt in Schutt und Asche lege.“
Er kicherte, dann sah sie, wie seine Männer ihre Visiere hinunterklappten und sich auf den Kampf vorbereiteten.
Plötzlich hörte Volusia, wie tausend Pfeile abgeschossen und tausend Speere geworfen wurden, und als sie den Blick nach oben richtete, sah sie, wie sich der Himmel mit Geschossen verdunkelte, die auf sie herabregneten.
Volusia stand furchtlos und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken da. Sie wusste, dass keine dieser Waffen ihr etwas anhaben konnten. Schließlich war sie eine Göttin.
Neben ihr hob der Vok eine Hand und eine grüne Kuppel aus Licht erhob sich wie ein Schild über Volusia.
Wenige Augenblicke später prallen die Pfeile und Speere harmlos davon ab, und landeten auf einem großen Haufen am Boden.
„Ich gebe euch noch eine letzte Chance, eure Waffen niederzulegen!“, rief sie.
Der Empire-Kommandant stand mit strenger Miene, offensichtlich frustriert und überlegte, welche Optionen er hatte, doch er wich nicht zurück. Stattdessen bedeutete er seinen Männern, sich für eine weitere Salve vorzubereiten.
Volusia nickte Vokin zu, und er winkte seine Männer vor. Dutzende Voks traten vor und hoben ihre Hände hoch über ihre Köpfe. Einen Augenblick später rasten dutzende grüner Bälle aus Feuer und Licht auf die Mauern der Hauptstadt zu.
Volusia sah erwartungsvoll zu, rechnete damit, dass die Mauern einstürzten, damit, dass die Männer vor ihre Füße stürzen würden, und damit, dass die Hauptstadt ihr gehörte. Sie konnte es nicht erwarten, endlich auf dem Thron zu sitzen.
Doch zu ihrem Erstaunen und ihrer großen Verärgerung prallten die Lichtkugeln einfach von den Mauern ab und lösten sich in einem grellen Blitz auf. Sie konnte es nicht verstehen. Sie waren wirkungslos.
Volusia sah Vokin an, der genauso sprachlos zu sein schien wie sie es war.
Der Empire-Kommandant hoch oben kicherte auf sie herab.
„Du bist nicht die einzige, der Zauberei zur Verfügung steht“, sagte er. „Diese Mauern können nicht mit Magie eingerissen werden – sie haben sich über Jahrtausende bewährt, haben Barbaren abgewehrt, ganze Armeen, die weitaus grösser als deine waren. Von Zauberei können sie nicht zu Fall gebracht werden, höchstens von Menschenhand.“
Er grinste breit.
„Du siehst also“, fügte er hinzu, „dass du denselben Fehler begangen hast, wie schon so viele Eroberer vor dir. Du hast dich auf Zauberei verlassen, um die Hauptstadt anzugreifen – und nun wirst du dafür zahlen.
Oben auf den Zinnen erklangen die Hörner, und Volusia sah sich erschrocken um und sah, wie eine riesige Armee am Horizont auftauchte, viel grösser als die, die sie hinter sich hatte. Sie hatten offensichtlich hinter der Stadt in der Wüste gewartet. Sie war nicht nur in eine weitere Schlacht marschiert, sondern in einen Krieg.
Ein weiteres Horn erklang, und die massiven goldenen Türen vor ihr begannen sich zu öffnen. Sie schwangen auf, begleitet vom Kampfschrie von vielen Tausend Empire-Kriegern, die aus der Stadt auf sie zugestürmt kamen.
Gleichzeitig setzte sich auch die riesige Armee am Horizont in Bewegung, spaltete sich, und griff sie von rechts und links neben der Stadt an.
Volusia blieb stehen, hob eine Faust in die Luft und senkte sie wieder.
Ihre Armee hinter ihr stieß lautes Kampfgeschrei aus und stürmte auf die Männer des Empire zu.
Volusia wusste, dass diese Schlacht das Schicksal der Hauptstadt entscheiden würde – nein, sogar das Schicksal des Empire. Ihre Zauberer hatten sie enttäuscht – doch ihre Soldaten würden sie nicht im Stich lassen. Schließlich konnte sie grausamer sein als jeder Mann, und dafür brauchte sie keine Zauberei.
Sie sah die Krieger, die auf sie zustürmten. Sie blieb regungslos stehen und freute sich auf die Chance, zu töten oder getötet zu werden.
KAPITEL SECHS
Gwendolyn öffnete ihre Augen als sie einen Ruck und einen Stoß an ihrem Kopf spürte. Desorientiert sah sie sich um. Sie sah, dass sie auf der Seite lag, auf einer harten hölzernen Plattform, und die Welt bewegte sich um sie herum. Sie hörte ein Winseln, spürte etwas an ihrer Wange und sah Krohn, der neben ihr zusammengerollt lag und sie leckte. Ihr Herz machte einen Sprung.
Kroh sah kränklich aus, ausgehungert, erschöpft, doch er war am Leben. Das war alles, was zählte. Auch er hatte überlebt.
Gwendolyn leckte sich die Lippen und bemerkte, dass sie nicht mehr ganz so trocken waren, wie zuvor. Sie konnte sie nun sogar benetzen, was sie vorher nicht einmal tun konnte, da ihre Zunge zu sehr geschwollen war. Sie spürte, wie kühles Wasser in ihren Mund geträufelt wurde, blickte auf und sah, wie einer der Wüstennomaden einen Wasserbeutel über sie hielt. Sie trank gierig daraus, bis er ihn wieder wegzog. Als er seine Hand wegzog, hielt Gwendolyn ihn am Arm fest und zog ihn zu Krohn. Zuerst schien der Nomade irritiert zu sein, doch als er begriff, was sie wollte, beugte er sich vor und ließ Krohn trinken. Gwendolyn war erleichtert, als sie sah, wie Krohn gierig aus seiner Hand trank.
Gwen spürte einen erneuten Ruck und einen Stoß als die Plattform schaukelte, und sie sah sich um, konnte jedoch vor sich nichts sehen als blauen Himmel und Wolken, die vorbeizogen. Sie spürte, wie sie auf der Plattform mit jedem Ruck weiter hochgezogen wurde. Sie verstand weder wo sie war, noch was vor sich ging. Sie war zu schwach, um sich aufzusetzen, doch sie konnte ihren Hals genug strecken, um zu sehen, dass sie sich auf einer hölzernen Plattform befand, die mit Seilen hochgezogen wurde. Irgendjemand hoch oben zog an den Seilen, und mit jedem Ruck bewegte sich die Plattform ein wenig höher. Sie wurde entlang der steilen, endlosen Klippen hochgezogen, die sie gesehen hatte, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. Die Klippen waren gekrönt von Zinnen auf denen Ritter in glänzenden Rüstungen Wache hielten.
Als sie den Hals reckte, um nach unten zu sehen, wurde ihr schwindelig. Ihre Plattform hing schon hoch oben über dem Wüstenboden und stieg ständig weiter. Sie blickte wieder nach oben und sah etwa dreißig Meter über sich die Zinnen die mit jedem Rucken am Seil näher kamen.
Gwendolyn drehte sich auf die andere Seite und sah sich auf der Plattform um. Sie war erleichtert zu sehen, dass ihre Freunde noch da waren: Kendrick, Sandara,