Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith

Der Wohlstand der Nationen - Adam Smith


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ihre volle Wirkung zu üben, oder den Wert des Silbers auf dem europäischen Markte so weit herabzusetzen als er eben fallen konnte, so lange jene Abgabe an den König von Spanien noch entrichtet wurde. Neunzig Jahre sind eine hinlängliche Zeit, um eine Ware, die kein Monopol hat, auf ihren natürlichen, d. h. den niedrigsten Preis herunterzubringen, zu welchem sie, so lange eine Abgabe darauf ruht, längere Zeit hindurch verkauft werden kann.

      Der Preis des Silbers hätte vielleicht auf dem europäischen Markte noch tiefer fallen und es hätte nötig werden können, entweder die Abgabe darauf nicht bloß auf ein Zehntel wie im Jahre 1736, sondern wie beim Golde auf ein Zwanzigstel herabzusetzen, oder den größten Teil der amerikanischen Minen, die gegenwärtig abgebaut werden, still zu legen. Wahrscheinlich ist die allmähliche Zunahme der Nachfrage nach Silber, oder die allmähliche Erweiterung des Marktes für das Produkt der amerikanischen Silberminen der Grund, der dies verhinderte und den Wert des Silbers auf dem europäischen Markte nicht nur auf seiner Höhe erhielt, sondern vielleicht sogar noch etwas höher steigerte als er um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gestanden hatte.

      Seit der Entdeckung Amerikas hat der Markt für das Produkt seiner Silberminen allmählich immer größere Ausdehnung gewonnen.

      Erstens: der europäische Markt hat sich allmählich immer mehr ausgedehnt. Seit der Entdeckung Amerikas hat der größte Teil Europas an Kultur sehr zugenommen. England, Holland, Frankreich und Deutschland, selbst Schweden, Dänemark und Russland haben im Ackerbau und den Gewerben bedeutende Fortschritte gemacht. Italien scheint wenigstens nicht zurückgegangen zu sein. Vor der Eroberung von Peru war Italien im Verfall; seitdem scheint es sich eher etwas erholt zu haben. Spanien und Portugal werden allerdings als zurückgekommen betrachtet. Indessen ist Portugal nur ein kleiner Teil von Europa, und der Verfall Spaniens ist vielleicht nicht so groß als man gewöhnlich annimmt. Am Anfange des sechzehnten Jahrhunderts war Spanien selbst im Vergleich mit Frankreich, das seit jener Zeit so bedeutend fortgeschritten ist, ein sehr armes Land. Kaiser Karl der Fünfte, der so oft durch beide Länder gereist war, machte die bekannte Bemerkung, dass in Frankreich an allen Dingen Überfluss, in Spanien an allen Dingen Mangel sei. Das zunehmende Produkt des Ackerbaus und der Gewerbe in Europa musste notwendig einen allmählichen Zugang an Silbermünzen erfordern, um es in Umlauf zu setzen; und die wachsende Zahl reicher Leute musste eine gleiche Zunahme an silbernem Gerät und anderen Schmuckgegenständen zur Folge haben.

      Zweitens: Amerika selbst ist für das Produkt seiner Silberminen ein neuer Markt, und da es im Ackerbau, in der Industrie und an Volkszahl weit schnellere Fortschritte macht als die blühendsten europäischen Länder, so muss sein Bedarf noch weit schneller zunehmen. Die englischen Kolonien sind ein durchaus neuer Markt, der teils für Münze, teils für Geräte eine stets wachsende Silberzufuhr für einen ganzen Erdteil, in dem früher nie eine Nachfrage darnach bestanden hatte, nötig macht. Auch die meisten spanischen und portugiesischen Kolonien sind ganz neue Märkte. Neu-Granada, Yucatan, Paraguay und Brasilien waren, ehe sie von den Europäern entdeckt wurden, von wilden Völkerschaften bewohnt, die weder Künste noch Ackerbau kannten. Seitdem sind diese Länder erheblich kultiviert worden. Selbst Mexiko und Peru, wenn sie auch nicht als durchaus neue Märkte betrachtet werden können, sind doch gewiss jetzt weit bedeutendere Märkte als je zuvor. Wer nach all’ den wunderbaren Geschichten, die über den glänzenden Zustand dieser Länder in früheren Zeiten geschrieben worden sind, mit einiger Nüchternheit die Geschichte ihrer Entdeckung und Eroberung liest, wird bald erkennen, dass ihre Bewohner von Gewerben, Ackerbau und Handel weit weniger wussten als heutzutage die Tartaren der Ukraine. Selbst die Peruaner, das zivilisierteste der beiden Völker bedienten sich zwar des Goldes und Silbers zum Schmuck, kannten aber keinerlei gemünztes Geld. Ihr ganzer Handel war ein Tauschhandel, und es gab deshalb auch kaum irgendeine Arbeitsteilung unter ihnen. Wer den Boden bestellte, musste sich auch sein Haus selbst bauen, seine Möbel, Kleider, Schuhe und sein Ackergerät selbst verfertigen. Die wenigen Handwerker unter ihnen sollen von dem König, den Adeligen und Priestern gehalten worden sein und waren wahrscheinlich ihre Diener oder Sklaven. alle die früheren Gewerbe Mexikos und Perus haben niemals auch nur ein einziges Fabrikat nach Europa geliefert. Die spanischen Heere fanden, obwohl sie kaum jemals über fünfhundert Mann und oft kaum halb so stark waren, es dennoch fast überall sehr schwer, sich Lebensmittel zu verschaffen. Die Hungersnot, die sie fast überall, wohin sie kamen, selbst in Gegenden, die als sehr bevölkert und wohlangebaut geschildert werden, verursacht haben sollen, beweist hinlänglich, dass das Märchen von diesem Volksreichtum und dieser hohen Kultur meist auf Dichtung beruht. Die spanischen Kolonien stehen unter einer Regierung, die in vielen Beziehungen dem Ackerbau, der Kultur und Bevölkerungszunahme weniger günstig ist als die der englischen Kolonien. Gleichwohl scheinen sie in all’ dem weit schnellere Fortschritte zu machen als irgendein europäisches Land. Auf einem fruchtbaren Boden und unter einem glücklichen Klima scheint der große Überfluss und die Wohlfeilheit von Grund und Boden, ein Umstand, der allen neuen Kolonien gemeinsam ist, ein so großer Vorteil zu sein, dass er viele Mängel der bürgerlichen Regierung wieder gut macht. Nach Frezier, der Peru 1713 besuchte, soll Lima zwischen 25,000 und 28,000 Einwohner haben; Ulloa, der sich dort zwischen 1740 und 1746 aufhielt, gibt die Einwohnerzahl auf etwa 50,000 an. Der Unterschied in ihren Schätzungen der Einwohnerzahl verschiedener anderer größerer Städte in Chili und Peru ist ziemlich eben so groß, und da kein Grund vorliegt, sie für schlecht unterrichtet zu halten, so deutet dies auf eine kaum geringere Zunahme als die in den englischen Kolonien. Amerika ist mithin für das Produkt seiner eigenen Silberminen ein neuer Markt, dessen Nachfrage weit schneller zunehmen muss als die der blühendsten europäischen Länder.

      Drittens: ein fernerer Markt für das Produkt der amerikanischen Silberminen ist Ostindien, und zwar ein Markt, der seit der Entdeckung jener Minen ununterbrochen eine immer größere Menge Silber aufnahm. Seit jener Zeit hat der direkte Handel zwischen Amerika und Ostindien, der auf den Acapulco-Schiffen getrieben wird, beständig zugenommen, und der indirekte Verkehr über Europa ist in noch weit höherem Maße gestiegen. Im sechszehnten Jahrhundert waren die Portugiesen die einzigen Europäer, die einen regelmäßigen Handel nach Ostindien trieben. In den letzten Jahren dieses Jahrhunderts begannen die Holländer dieses Monopol anzugreifen, und vertrieben jene innerhalb weniger Jahre aus ihren bedeutendsten Besitzungen in Indien. Während der größeren Hälfte des vorigen Jahrhunderts teilten sich diese beiden Nationen in den größten Teil des ostindischen Handels, wobei der holländische Handel in noch größerem Maße zunahm als der portugiesische sank. Die Engländer und Franzosen trieben schon im vorigen Jahrhundert einigen Handel mit Indien, aber erst im Laufe des jetzigen wurde er bedeutend. Der ostindische Handel der Schweden und Dänen begann im Laufe des jetzigen Jahrhunderts. Selbst die Moskowiter haben jetzt einen regelmäßigen Verkehr mit China mittelst einer Art von Karawanen, die über Land durch Sibirien und die Tartarei nach Peking ziehen. Der ostindische Handel aller dieser Nationen war, bis auf den der Franzosen, den der letzte Krieg fast ganz vernichtet hatte, in fast ununterbrochener Zunahme. Der steigende Verbrauch ostindischer Waren in Europa ist anscheinend groß genug, um allen diesen Nationen eine stets wachsende Beschäftigung zu gewähren. Tee z. B. war ein Artikel, der vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts nur wenig gebraucht wurde. Gegenwärtig beläuft sich der Wert des von der englisch-ostindischen Compagnie alle Jahre zum Gebrauch ihrer Landsleute eingeführten Tees auf mehr als anderthalb Millionen, und selbst das reicht nicht hin, da aus den Häfen Hollands, von Gothenburg in Schweden und auch von den Küsten Frankreichs, wenigstens so lange die französisch-ostindische Compagnie in Blüte war, fortwährend eine große Menge in das Land eingeschmuggelt wird. Beinahe in gleichem Verhältnis ist der Gebrauch des chinesischen Porzellans, der Gewürze von den Molukken, der bengalischen Stückgüter und unzähliger anderer Artikel gewachsen. Der Tonnengehalt aller im Ostindienhandel beschäftigten europäischen Schiffe war demgemäß im vorigen Jahrhundert wohl nie größer als allein der der Schiffe der englisch-ostindischen Compagnie vor der neuerdings erfolgten Beschränkung ihrer Schiffszahl.

      Der Wert der Metalle aber war in Ostindien, besonders in China und Hindostan als die Europäer zuerst mit diesen Ländern Handel zu treiben anfingen, weit höher als in Europa, und er ist es noch heute. In Reisländern, die gewöhnlich zwei, zuweilen drei Ernten im Jahre liefern, deren jede reichlicher ist als eine gewöhnliche Getreideernte, muss der Überschuss an Nahrungsmitteln weit größer sein als in irgendeinem Getreidelande von gleicher Ausdehnung. Solche Länder sind daher auch weit mehr bevölkert. Da hier den Reichen


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