Das Wunderjahr (1566). Hendrik Conscience

Das Wunderjahr (1566) - Hendrik Conscience


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würden sie nicht säumen, uns auf der Stelle zu ermorden; jetzt aber, wo sie uns unterm Gewehr sehen, traut sich die feige Brut nicht, uns nahe zu kommen.«

      »Gott, Gott!« seufzte der Junker kopfschüttelnd, »wenn doch diese Prediger einer neuen Lehre unser unglückliches Vaterland verließen! – »Herr Schuermans,« fuhr er fort, mich freut gar sehr, zu sehen, daß Eure Wunde keine üblen Folgen hat, da Ihr schon wieder das Roß besteigen könnt.«

      »Ihr irrt, Junker, ich kann mich noch nicht ohne Hilfe hinaufschwingen. Ich versichere Euch, daß mich zuweilen große Schmerzen überfallen; doch da geb’ ich nichts darauf.« Er lachte. »Noch zwei Daumenbreit, Lodewyk, und Ihr hättet mir wahrlich auf immer den Mund geschlossen. Doch jetzt heißt’s nicht viel – so ein Läppchen Haut und Fleisch!«

      »Ihr verzeiht mir gewiß diese Wunde, Schuermans?«

      »Ja gewiß; vergebt mir nur auch meine tollen Reden.« Er faßte die Hand des Junkers, drückte sie warm in der seinigen, und sprach mit Nachdruck: »Ein Vlaming trägt nur einem Fremdling Haß und Rache nach. – Wir sind die besten Freunde von der Welt!«

      So ritten sie in mäßigend Trabe weiter. Hie und da wurde ihr Gespräch unterbrochen, wenn die Menge sie etwas von einander entfernte, doch bald wieder aufgenommen. Hin und wieder erhob ein vorwitziger Mund den Ruf: Es leben die Geusen! – und dann lief murmelnder Beifall über alle Lippen und verlor sich erst ferne in andern Straßen. – Endlich langten unsere Reiter bei dem Burgerhouter Thor an.

      »Halt an, Herr Lodewyk!« rief der Gefährte. »Steigt ab. – Hier haben wir das beste Braunbier, das in Antwerpen zu finden ist, – und er zeigte ihm ein Aushängschild, auf dem ein Thier künstlich abgemalt war mit der Aufschrift:

      »So steigt ab, Lodewyk!« —Hier ist gut seyn für die, so den Geusennapf führen – He, Hospes, – flink, und kommt einmal, helft mir ein bisschen, denn ich komme hart – vom Gaul herunter. – Ist das Mechel’sche Braune gut?«

      »Eigenlob stinkt,« antwortete der Wirth, während er Schuermans vom Pferde half, »der edle Trank, den ich Euch vorsetzen werde, soll sich selber preisen.«

      Ein Diener faßte beide Pferde, und unsere Geusen traten in den Krug. Nachdem sie einige Gläser geleert und eine Zeit lang über die Lage der Dinge geredet hatten, bemerkten sie, daß ein Mann von mittlerem Alter, dessen Haare schon grau waren, sie starr und scheu betrachtete.

      Seine Kleider waren nicht reich, aber sauber und anständig. Seine faltige Stirne und der trübe Ausdruck seiner gesunkenen Augen, deuteten hinreichend an, daß das Leben dieses frühzeitigen Greises durch Sorgen und Widerwärtigkeiten verkürzt war. Eine Thrane glänzte auf seinen braunen Wangen und das Haupt senkte sich auf seine Brust. Schuermans, dessen Herz gut war, konnte das nicht länger ansehen. Er näherte sich dem trübsinnigen Manne, drückte ihm treuherzig die Hand und fragte ihn um die Ursache seiner Traurigkeit.

      »Ihr Herren,« antwortete er wehmüthig, »Eure Worte trafen mein Herz wie so viele Dolchstiche.«

      »Wer seid Ihr denn?« frug Schuermans.

      »Mein Name ist Louis van Hoort.«

      Die beiden Geusen entblößten ehrerbietig ihr Haupt und sprachen:

      »Seid gegrüßt, kunstreicher Meister! – Ehre sei Euch, Van Hoort, unserm ruhmvollen Stadtgenossen!«

      Der traurige Künstler schien gerührt von ihrer Ehrenbezeigung und suchte, so gut er konnte, zu lächeln.

      Lodewyk näherte sich ihm und frug in ernstem Tone, was ihn so traurig stimme.

      »Ihr wißt nicht,« erwiederte jener, »mit welcher Zärtlichkeit der Künstler seine Schöpfungen liebt! – Ein Vater, der eine unausweichliche Wolke des Unglücks über seine Kinder sich erheben sieht, vergießt Thränen über seine Nachkommenschaft – und ich vergieße Thränen über das Schicksal der Bildwerke, dieser Kinder der Kunst, die unsere Stadt bereichert und herrlich vor allen Städten der Welt gemacht haben! . . . «

      Die Geusen betrachteten ihn mit Bewunderung.Seine Züge, die erst so kalt schienen, waren nun von edlem Ausdrucke belebt; helle Feuerstrahlen schossen aus seinen feuchten Augen.

      »Ich,« hob er wieder an, »habe mein Herz an der Leuchte des Genius und der Kunst versengt. – Ich habe mein Leben in beständigem Fieber zugebracht; meine Haare sind grau geworden, meine Stirne hat sich in Falten gelegt, derweil ich noch jung bin, – und das Alles, weil ich, wie Gott seinen Geschöpfen, den Wesen, die mein Pinsel geschaffen hat, Theile meiner Seele geliehen habe, um sie in’s Leben zu rufen.«

      »Allerdings mag Euere Furcht nicht ungegründet seyn. Die Bilder werden am Tage der Befreiung viel zu leiden haben,« antwortete Schuermans.

      »Ja,« versetzte der Maler, »und dann werden sie meine Gemälde aus Gottes Tempel werfen; und wie tolle Hunde, meine Hoffnung aus Unsterblichkeit in Stücke reißen; meinen Namen mit jenen einer zahllosen Reihe von Meistern, die unser Vaterland gezeugt hat, für immer aus der Welt schaffen; und die Fremdlinge werden einst mit Schmerz die nackten Tempelwände anstarren, Thränen über die zerstörten Bildwerke vergießen – und Bruchstücke derselben als Heiligthümer in ihr Land mitnehmen.«

      Der junge Lodewyk konnte den Künstler nicht genug ansehen. Noch nie hatte er in eines Menschen Auge so edles Feuer flammen sehen. Er stand in Gedanken versunken vor dem Künstler und trachtete ihn durch freundliche Worte zu beruhigen. Doch Van Hoort schien zu gewiß den Bildersturm zu ahnen, der in Kurzem herankommen müße. Er fuhr fort:

      »In unserer lieben Frauen Kirche hängt eines meiner Bilder; an diesem habe ich zwölf Monate wie außer mir gearbeitet; der Welt mit meiner Schöpfung entrückt, zwölf Monate ohne ein anderes Gefühl, als das der Kunst lebend; durch ein quälendes Fieber mein Leben um ein Jahrzehend verkürzt; ich habe, wie jener Griechische Künstler, vor dem Werke meiner Hände gekniet und gebetet.«

      Ein schwerer Seufzer erstickte feine Stimme.

      »Auch bin ich,« fuhr er fort, »für dieses Stück allein in Sorge; ich habe gefleht, daß es in Sicherheit gebracht werde; – aber sie wollten nicht drauf eingehen – ich habe s es ihnen verkauft, sagen sie. – Verkauft!« seufzte er, »jawohl, ich habe es verkauft, weil mich die Noth drängte; sonst wäre mein leidender Christus nie aus meiner Stube gekommen.«

      Schuermans und Lodewyk versicherten ihn, daß, so sie irgend etwas zur Rettung dieses Bildes beitragen könnten, sie ihm darin beizustehen nicht versäumen würden.

      »Ich habe Kraft und Muth genug,« antwortete Van Hoort, mein Gemälde zu beschützen. Ich habe Alles berechnet. Am Tage der Verwüstung werde ich, mit Feuerwaffe und Dolch, meinen Christus vertheidigen – und wann es von der Wand herabfällt, will ich mein Blut, der Kunst und meinem Gott zum Opfer, über ihm vergießen! – Nein, meine theure Schöpfung will ich nicht überleben!«

      »Ach Herr,« fiel der Wirth ihm hier in die Rede, »was kümmert Euch so, daß sie dieß Eine allenfalls in Stücke schlagen? Immerhin wie das alte Sprichwort sagt: so lang ein Haus in Antwerpen steht, wird da ein Künstler wohnen.«

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