Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp

Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika - Friedrich  Kapp


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wurde auch für die anfänglich nicht bei ihr Betheiligten bald sehr einträglich, denn sie hatte zugleich den Vortheil, daß sie gute Angebote aus der Heimath verschaffte. Die Subsidien der fremden und einheimischen Mächte schmeckten vortrefflich. Das Subsidienwesen stand deßhalb auch schon zu Anfang des letzten Drittels des siebenzehnten Jahrhunderts in voller Blüthe. Als Großhändler unter seinen zahlreichen fürstlichen Konkurrenten ragt an der Schwelle dieser Periode der kriegerische Bischof von Münster, Bernhard von Galen (1650–1678), hervor, ein Autokrat von nicht gewöhnlichen Gaben, aber mit äußerst beschränkten Mitteln. In dem kurzen Zeitraum von zwölf Jahren (1665–1677) vermiethete er gegen entsprechende Subsidien seine aus allen Weltgegenden zusammengetriebene 6000–8000 Mann zuerst an England, dann an Frankreich, ferner an den Kaiser, darauf an Spanien und endlich an Dänemark, blieb aber am längsten der Vasall und Kunde Frankreich's.

      Um also ihre Einkünfte zu vergrößern und ihr Ansehen unter ihres Gleichen zu erhöhen, vermietheten die Landesväter ihre Soldaten gern gegen reichliche entsprechende Bezahlung an den Meistbietenden. Was kümmerte es sie, wenn ihr ruchloses Thun Deutschland zu einem Menschenmarkte erniedrigte, wo gegen Geld und gute Worte immer Soldaten zu haben waren? Ueber solche, höchstens der Kanaille verzeihliche Vorurtheile, wie Vaterlandsliebe und das Gefühl politischer Würde war die Mehrzahl der Lenker deutschen Geschickes oder vielmehr Mißgeschickes vom dreißigjährigen Kriege an bis auf die französische Revolution erhaben.

      Wer nicht genug Truppen hatte, um einen einträglichen Handel damit zu treiben, hielt sich wenigstens ein „stehendes Heer“, das oft freilich nur aus einer Handvoll Leute bestand. Während es im achtzehnten Jahrhundert kein oder im besten Falle ein erbärmliches Reichsheer gab, weil seine Aufstellung lediglich vom guten Willen der einzelnen Reichsfürsten abhing, hatte jeder kleine Reichsgraf oder Reichsfürst, das vom „grand Louis“ gegebene Beispiel ängstlich nachahmend, seine Trabanten, Hatschiere, Schweizer-Garden, Musketiere, Gardes du Corps und Gensdarmen, und wenn auch nicht alle diese Waffengattungen in Wirklichkeit existirten, so erzeugten doch die für dieselben Soldaten vorhandenen verschiedenen Uniformen den Schein der Wirklichkeit. So hielt — um hier aus den tausend Lächerlichkeiten nur ein paar herauszugreifen — der Landgraf von Hessen ein Dutzend Haiducken, mehrere lange Kammerhusaren und Leibjäger. Diese Leute steckten während des Exerzierens in der Montur des ersten Bataillons Garde und formirten das erste Glied der Leibkompagnie während des Vormittags, des Nachmittags aber erschienen sie wieder in der Hoflivree, warteten an der Tafel auf oder standen auf der Kutsche. Der Herzog Karl Eugen von Würtemberg hatte noch 1782 zwei Kavallerieregimenter, das Grenadierregiment zu Pferde, v. Phull, von dessen 150 Mann keiner beritten war, während vom Husarenregiment v. Bouwinghausen, das 250 Mann stark war, 50 beritten waren. Ein anderer kleiner Fürst — kaum wird man die Sache glauben, und doch ist sie wahr — hielt 50 Mann Leibgrenadiere, welche, um größer zu erscheinen, alle hohe Absätze tragen mußten und eine Zeit lang nur zwei Grenadier-Bärenmützen hatten, welche die beiden Schildwachen an dem Portal des Schlosses immer den sie Ablösenden überlieferten und gegen die Zuckerhüte (Blechkappen) austauschen mußten. Noch Einer gab seiner Garde drei verschiedene Monturen: als Grenadiere, Kuirassiere und Jäger, in welchen sie abwechselnd erscheinen mußten. Ein Dritter hielt einige Regimenter unberittener Dragoner, welche dann und wann die Kavallerie-Evolutionen zu Fuß machen mußten und wobei ihnen während des Chocks erlaubt war, gleich den Pferden zu wiehern.

      Die größeren Fürsten brachten es aber bald dahin, daß es von Rußland bis Spanien, von den Niederlanden bis zur Türkei kaum einen Feldzug und eine Schlacht mehr gab, in welcher deutsche Hülfstruppen und Soldaten sich durch ihre Roheit und Beutegier, ihren Ungestüm und ihre Unverwüstlichkeit nicht hervorthaten. In der Regel wurden die Heere des achtzehnten Jahrhunderts durch Werbung zusammengebracht und ergänzt; nur Friedrich Wilhelm I. von Preußen hatte durch die Eintheilung seines Landes in abgegränzte Kantone, aus welchen seine Regimenter ihre Rekruten bezogen, eine gewisse territoriale Grundlage für seine Armee geschaffen. Den Hauptkern derselben bildete aber auch hier das angeworbene Volk. Die Werbeoffiziere trieben sich vorzugsweise in den geistlichen Fürstenthümern, den freien Städten, an den Gränzen verschiedener Staaten und in den kleineren Territorien herum. Wie wenig übrigens ein solcher Beruf als unehrenvoll galt, mag der folgende Auszug aus einem Brief zeigen, welchen der als Preußischer Major bei Kunersdorf rühmlich gefallene Dichter des Frühlings, Ewald v. Kleist, am 12. Juli 1752 an seinen Freund Gleim schrieb. „Wenn Sie, heißt es dort, im Zerbstischen, Sächsischen und Braunschweigischen oder anderen Orten, wo sie oft hinkommen, etwa große Leute antreffen sollten, die freiwillig und vor Handgeld Dienste nehmen wollen, so engagiren Sie sie doch vor mich; ich will sie gut halten und sie sollen gar nicht unglücklich durch mich werden, nur den Abschied kann ich ihnen nicht geben; doch wenn ihre Kapitulationsjahre um sind, sollen sie auf's Neue Handgeld haben, nebst einer neuen Kapitulation. Ersuchen Sie doch zum Spaß Ihre braunschweigischen Freunde auch, daß sie vor mich werben, wiewohl mir dieses nicht ganz Spaß ist. Der Zufall kann einem zuweilen einen Goliath zuführen, der Lust zum Dienen hat, und dem noch ein Gefallen damit geschieht, wenn man ihm Dienste schafft. Ich will zur Vergeltung für Sie und Ihre Freunde bei Gelegenheit Mädchen werben, in welcher Werbung ich glaube Praktik zu haben.“

      Da die Bande, welche die geworbenen Soldaten an ihre Kriegsherren knüpften, vorzugsweise von der List und Gewalt geknüpft waren, also stets locker blieben, so entschied lediglich der persönliche Vortheil für ihr Bleiben und Gehen. Aus diesem Grunde tritt gewöhnlich die ganze Besatzung einer Festung oder ein großer Theil derselben, nachdem sie kapitulirt, in die Reihen der Sieger. Die Befehlshaber aufgelöster Heere trieben förmliche Spekulation mit kriegerischen Haufen und suchten durch allerlei Kunstgriffe die höchst möglichen Preise für ihre Waare zu erhalten. In der Regel bildeten darum auch die stehenden Heere des achtzehnten Jahrhunderts die Sammelpunkte des verworfensten Gesindels, das man sich nur denken kann. Es fehlte ihnen jedes nationale Element, jeder moralische Halt, und es galt als das größte Unglück für einen nur halbwegs anständigen Menschen, dem „Kalbfell folgen“ zu müssen. Die Behandlung des Soldaten war roh, die Bestrafung barbarisch, jedes Ehrgefühl wurde methodisch in ihm erstickt. Der Gemeine wurde vom Offizier, wie heute noch in England und den Vereinigten Staaten, verachtet, mißhandelt und durch eine unübersteigliche Kluft getrennt. Die Offiziersstellen wurden fast ausschließlich vom Adel bekleidet, wenn man die heruntergekommenen, verarmten und dadurch von den herrschenden Dynasten abhängig gewordenen Junker überhaupt Adel nennen darf. Er fand in dem Heere Ansehen, Ehre und Geld und konnte die verlorengegangenen Herrenrechte an den armen Soldaten im höchsten Maße ausüben. Natürlich war bei einem solchen Stoffe an individuelle Bethätigung des einzelnen Soldaten nicht zu denken. Dieses dünkelhafte System, welches nur durch Ehre und Ruhm für die Befehlenden, aber durch Zwang und Furcht für die Befohlenen zusammengehalten wurde, fand auch äußerlich in der Lineartaktik seinen Ausdruck und galt namentlich, seit es sich in der schöpferischen Hand eines Genies, wie Friedrich des Großen bewährt hatte, als das höchste Ideal eines Heerwesens, bis es zuerst in der amerikanischen Revolution den unordentlichen Massen schlecht ausgerüsteter und noch schlechter eingeübter Bürger und Bauern unterlag und schließlich bei Jena einen schmählichen Bankerott erlitt.

      Das letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts, oder vielmehr die Zeit vom Hubertusburger Frieden bis zur ebengenannten Schlacht bei Jena entwickelte dieses grausame und geistlose Kamaschenthum — denn etwas anderes war die damalige Heeresorganisation nicht — zu seiner höchsten Blüthe, und gerade die Werbungen für die nach Amerika bestimmten Truppen offenbarten schroffer als je zuvor oder später die Nichtswürdigkeit des Systems mit allen seinen Auswüchsen und Härten. Es würde heut zu Tage kaum noch möglich sein, sich einen nur annähernden Begriff von der Erhaltung und Vervollständigung der damaligen stehenden Heere zu machen, wenn es nicht eine bändereiche Literatur über die Rekrutenwerbung und die damit zusammenhängenden Dienstzweige gäbe.

      Es ist zum Verständniß der uns beschäftigenden Epoche unerläßlich, wenigstens einen flüchtigen Blick in diesen nichtswürdigen gedruckten Schund zu werfen, der trotz seiner reichen Beiträge zur Erkenntniß der damaligen Zeit dem Kulturhistoriker, wie es scheint, kaum dem Namen nach bekannt geworden ist. Das Schinderhannesthum, auf Seiten der herrschenden Mächte in System und Ordnung gebracht, starrt uns aus diesen vergilbten Scharteken entgegen, die namentlich seit Mitte des vorigen Jahrhunderts zu jeder Ostermesse dutzendweise


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