Frankenstein. Мэри Шелли

Frankenstein - Мэри Шелли


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Stel­le Aus­schau hal­ten und ihn so­fort be­nach­rich­ti­gen wer­de, wenn sich ir­gen­det­was se­hen las­sen soll­te.

      Bis zum heu­ti­gen Tage habe ich Dir nun al­les über das selt­sa­me Er­eig­nis be­rich­tet. Der Frem­de scheint sich nach und nach zu kräf­ti­gen, aber er ist still und in sich ge­kehrt und ist är­ger­lich, wenn ein an­de­rer als ich sei­ne Ka­jü­te be­tritt. Aber er ist trotz­dem so freund­lich und lie­bens­wür­dig, dass die Ma­tro­sen ihn alle gern ha­ben, wenn sie auch nur sehr we­nig mit ihm in Berüh­rung kom­men. Ich aber ge­win­ne ihn all­mäh­lich lieb wie einen Bru­der und sein stän­di­ger, tiefer Gram flö­ßt mir tie­fes Mit­leid mit ihm ein. Er muss in sei­nen gu­ten Ta­gen ein präch­ti­ger Mensch ge­we­sen sein, er, der noch als Wrack so an­zie­hend und lie­bens­wert ist.

      Ich habe schon ein­mal in ei­nem mei­ner Brie­fe ge­sagt, lie­be Mar­ga­re­te, dass es mir wohl nicht ver­gönnt sein wer­de, auf dem wei­ten Ozean einen Freund zu fin­den. Aber ich habe we­nigs­tens einen Mann ken­nen­ge­lernt, der mir wirk­lich, wäre sein Geist nicht so tief ver­stört, ein Her­zens­freund hät­te wer­den kön­nen.

      Ich wer­de Dir von Zeit zu Zeit von dem Frem­den be­rich­ten, vor­aus­ge­setzt, dass es et­was zu be­rich­ten gibt.

      *

      13. Au­gust 17..

      Mei­ne Zu­nei­gung zu dem un­glück­li­chen Gas­te wächst von Tag zu Tag. Ich be­wun­de­re und be­mit­lei­de ihn zu­gleich. Wie wäre es mög­lich, ein so ed­les Ge­schöpf von Gram ver­zehrt zu se­hen, ohne selbst den tiefs­ten Schmerz mit­zu­emp­fin­den? Er ist so gut und da­bei klug, auch ist er au­ßer­or­dent­lich ge­bil­det und spricht wohl­ge­setzt und ge­wandt.

      Er hat sich jetzt von sei­ner Krank­heit ziem­lich er­holt und hält sich un­aus­ge­setzt auf Deck auf, of­fen­bar um den Schlit­ten nicht zu über­se­hen, auf den er im­mer noch war­tet. Er ist un­glück­lich, aber in all sei­nem Elend hat er doch im­mer noch In­ter­es­se für die Plä­ne der an­de­ren. Er hat viel mit mir über den Mei­ni­gen ge­spro­chen, den ich ihm rück­halt­los dar­ge­legt habe. Auf­merk­sam folg­te er al­lem, was ich im Sin­ne ei­nes glück­li­chen Aus­gan­ges mei­nes Un­ter­neh­mens vor­zu­brin­gen wuss­te, und ver­tief­te sich mit mir bis in die De­tails der Maß­nah­men, die ich ge­trof­fen. Er hat­te mir so viel Sym­pa­thie ein­ge­flö­ßt, dass ich of­fen mit ihm re­den muss­te. Ich ließ ihn in mei­ne lei­den­schaft­li­che See­le bli­cken und sag­te ihm auch, dass ich gern mein gan­zes Ver­mö­gen, mei­ne Exis­tenz, mei­ne Zu­kunft aufs Spiel set­ze, um mein Un­ter­neh­men zu ei­nem gu­ten Aus­gan­ge zu füh­ren. Le­ben oder Tod ei­nes Man­nes sei­en ja gar nichts im Ver­gleich zu dem, was der Wis­sen­schaft durch mein Un­ter­neh­men genützt wer­de. Wäh­rend ich sprach, über­zog eine dunkle Glut das Ant­litz mei­nes Zu­hö­rers. Ich be­merk­te, dass er an­fäng­lich sich be­müh­te, sei­ne Be­we­gung zu meis­tern. Er hielt die Hän­de vor das Ge­sicht, und mei­ne Stim­me beb­te und stock­te, als ich sah, dass Trä­nen zwi­schen sei­nen Fin­gern nie­der­ran­nen, als ich hör­te, wie ein we­hes Stöh­nen sich sei­ner Brust ent­rang. Ich hielt inne, da sag­te er mit ge­bro­che­ner Stim­me: »Un­glück­li­cher! Hat Sie der­sel­be Wahn­sinn er­fasst wie mich? Ha­ben auch Sie von dem Gif­te ge­trun­ken? Hö­ren Sie mich an, las­sen Sie mich mei­ne Ge­schich­te be­rich­ten und Sie wer­den den Be­cher mit dem un­heil­vol­len Trank von Ihren Lip­pen weg­sto­ßen.«

      Du kannst Dir den­ken, dass die­se Wor­te mei­ne gan­ze Neu­gier er­reg­ten. Aber das Über­maß des Schmer­zes hat­te die schwa­chen Kräf­te des Frem­den über­mannt und es be­durf­te vie­ler Stun­den der Ruhe und sanf­ter Über­re­dung, um ihn wie­der ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen.

      Nach­dem er sei­ner hef­ti­gen Ge­füh­le Meis­ter ge­wor­den war, schäm­te er sich, dass sei­ne Lei­den­schaft ihn so über­wäl­tigt hat­te. Er un­ter­drück­te mit Ge­walt sei­ne Verzweif­lung und ver­an­lass­te mich, über mich selbst zu spre­chen. Er frag­te nach mei­ner Kind­heit. Die­se war rasch er­zählt, aber den­noch gab sie ver­schie­de­ne An­knüp­fungs­punk­te. Ich sprach von mei­nem Wun­sche, einen Freund zu fin­den, von mei­ner Sehn­sucht nach ei­ner gleich ge­stimm­ten See­le, die ich nie mein ei­gen nen­nen durf­te, und gab mei­ner Über­zeu­gung Aus­druck, dass nie­mand wah­res Glück ge­nos­sen habe, der sich nicht ech­ter Freund­schaft rüh­men kön­ne.

      »Ich bin ganz Ih­rer An­sicht«, ent­geg­ne­te der Frem­de. »Wir sind nur hal­be Ge­schöp­fe, wenn uns nicht ein Wei­se­rer, Bes­se­rer – und das muss ja ein Freund sein – zur Sei­te steht, um un­se­re schwa­che, feh­ler­haf­te Na­tur zu ver­bes­sern. Ich hat­te ein­mal einen Freund, den edels­ten Men­schen, den man sich den­ken kann, und habe des­halb ein ge­wis­ses Recht mit­zu­spre­chen, wenn von Freund­schaft die Rede ist. Sie sind noch vol­ler Hoff­nung und ha­ben die Welt vor sich und des­halb kei­nen Grund zu ver­zwei­feln. Aber ich – ich habe al­les ver­lo­ren und kei­nen Mut mehr, von vorn an­zu­fan­gen.«

      Als er das sag­te, nahm sein Ge­sicht einen gram­vollen Aus­druck an, der mir bis ins Herz hin­ein weht­at. Aber er sprach nicht wei­ter und zog sich in sei­ne Ka­jü­te zu­rück.

      Trotz sei­nes Lei­des hegt er eine tie­fe, in­ni­ge Lie­be zur Na­tur. Der ster­nen­be­sä­te Him­mel, das Meer und alle Wun­der die­ser herr­li­chen Re­gio­nen schie­nen er­he­bend auf sei­ne See­le zu wir­ken. Ein sol­cher Mensch hat ei­gent­lich eine dop­pel­te Exis­tenz: Er mag lei­den und sich grä­men, aber wenn er sich in sich selbst zu­rück­zieht, dann ist er wie ein himm­li­scher Geist, den ein Hei­li­gen­schein um­gibt, den Leid und Schmerz nicht zu ver­dun­keln ver­mö­gen.

      Lächle nur über den En­thu­si­as­mus, mit dem ich von die­sem präch­ti­gen Men­schen er­zäh­le. Wenn Du ihn kenn­test, wür­dest Du nicht lä­cheln. Ich weiß, Dei­ne fei­ne Er­zie­hung und die Zu­rück­ge­zo­gen­heit Dei­nes Le­bens ha­ben Dich wäh­le­risch ge­macht; aber ge­ra­de das wür­de Dich be­son­ders ge­eig­net ma­chen, das Au­ßer­or­dent­li­che an die­sem Men­schen zu er­ken­nen und zu schät­zen. Ich habe mich schon öf­ter be­müht, mir klar zu wer­den, was es ist, das ihn so him­mel­hoch über alle an­de­ren Men­schen er­hebt. Ich glau­be, vor al­lem ist es sein mehr als na­tür­li­cher Scharf­sinn, eine nie feh­len­de Ur­teils­kraft, eine Er­kennt­nis der Ur­sa­chen al­ler Din­ge. Stel­le Dir nun noch vor, dass er die Gabe be­sitzt, sich glän­zend, da­bei klar und prä­zis aus­zu­drücken und dass sei­ne Stim­me eine au­ßer­ge­wöhn­li­che Mo­du­la­ti­ons­fä­hig­keit hat, so wirst Du be­grei­fen, dass die­ser Mann im­stan­de ist, je­mand zu be­stri­cken.

      *

      19. Au­gust 17..

      Ges­tern sag­te der Frem­de zu mir: »Sie ha­ben si­cher­lich er­kannt, Ka­pi­tän Wal­ton, dass mich großes, un­sag­ba­res Leid be­trof­fen hat. Ich hat­te schon be­schlos­sen, dass die Erin­ne­rung dar­an mit mir ins Grab stei­gen sol­le; aber Sie ha­ben mich so weit ge­bracht, dass ich mei­nem Ent­schluss un­treu ge­wor­den bin. Sie su­chen, wie ich einst, nach Wis­sen und Weis­heit und ich wün­sche Ih­nen von gan­zem Her­zen, dass die­ses Stre­ben Ih­nen nicht, wie mir, zum fürch­ter­lichs­ten Fluch wer­de. Ich weiß nicht, ob Ih­nen die Er­zäh­lung mei­ner Lei­den von Nut­zen sein wird; wenn ich aber be­den­ke, dass Sie den­sel­ben Weg ge­hen wie ich, sich den­sel­ben Ge­fah­ren aus­set­zen, die mich zu dem mach­ten, was ich jetzt bin, so kommt mir die Über­zeu­gung, dass Sie aus mei­ner Er­zäh­lung doch eine Moral zu zie­hen ver­mö­gen; eine Moral für den Fall, dass Sie Er­folg mit Ihren Be­stre­bun­gen ha­ben,


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