Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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steckte. Darin befand sich unter anderem Margas Sparkassenbuch. Harst besichtigte es. Auch Stolten hatte dies getan und es wieder weggelegt. Harst prüfte die Abhebungen jetzt wie alles hier mit kritischem Geist. Dann steckte er das Buch zu sich. Sonst aber fand auch er nichts weiter, das ihm beachtenswert erschienen wäre. Er ging nun zu seiner Schwiegermutter hinüber, brachte das Gespräch unauffällig auf Margas bescheidene Geldbedürfnisse und fragte, ob sie in letzter Zeit wohl größere Ausgaben gehabt hätte. Die Präsidentin verneinte. »Im Gegenteil – eigentlich war sie seit ihrer Verlobung noch sparsamer. Sie wollte, wie sie sagte, doch wenigstens ein paar Pfennige Mitgift Dir mit einbringen, lieber Harald, da wir ja nur die Aussteuer geben konnten.«

      Harst verabschiedete sich bald und ging nach der Nebenstelle der Städtischen Sparkasse, nahm den betreffenden Beamten beiseite und fragte, ob diesem Fräulein Marga Milden vielleicht von Ansehen bekannt sei. Der Beamte nickte eifrig. »Sehr gut sogar. Die junge Dame brachte häufig kleinere Beträge. Wir alle hier von der Nebenstelle haben ihren Tod aufrichtig bedauert. Noch am Tage vor ihrer Ermordung hat sie fünfhundert Mark abgehoben.«

      »Ja – und zehn Tage vorher vierhundert Mark. – Ich bin ihr Verlobter, Assessor Harst. –Ich danke Ihnen für die Auskunft.«

      Harst fuhr weiter zum Polizeipräsidium. Stolten war nicht anwesend, aber Wachtmeister Salewski konnte ihm den Bescheid geben, daß bisher von den Marga geraubten Schmuckstücken nichts bei Händlern oder Hehlern aufgetaucht wäre. Als sie noch miteinander sprachen, trat Stolten ein. Er kam von einem »neuen Fall«. An der Jannowitzbrücke hatte man eine weibliche Leiche aufgefischt, die schon längere Zeit im Wasser gelegen haben mußte und deren Schädeldecke durch Hammerschläge zertrümmert worden war, während das Gesicht – fraglos von dem Mörder – durch Messerschnitte vollständig unkenntlich gemacht worden war. – »Abermals eine ziemlich aussichtslose Sache,« meinte Stolten mißgestimmt. »Nichts ist an der Leiche vorhanden, das eine Rekognoszierung erleichtert. Aus der Wäsche sind sogar die Monogramme herausgeschnitten worden.« Er faßte in die Brusttasche und holte ein in Zeitungspapier gehülltes flaches Päckchen heraus und warf es auf den Tisch. »Nur ein Taschentuch fand ich bei der Toten, die noch jung gewesen sein muß und deren Kleidung billigster Tand ist.«

      Harst griff nach dem Päckchen mit einem »Sie gestatten doch«, wickelte das noch feuchte Tüchlein aus und sagte dann, nachdem er es berochen hatte: »Wie lange gerade Patschuli selbst im Wasser seine Duftkraft bewahrt!«

      »Stimmt!« meinte Stolten. »Auch die Seidenbluse der Ermordeten hat den Geruch noch festgehalten.«

      Harst hatte alle Mühe, seine Erregung zu verbergen.

      »Die Tote bleibt doch noch einige Zeit im Schauhause?« fragte er nun. »Ich möchte sie mir ansehen. Seit dem Morde an meiner Braut interessieren mich alle Kapitalverbrechen.« Dann verließ er das Präsidium.

      Stolten sagte kopfschüttelnd zu Salewski: »Merkwürdig! Bisher habe ich nichts davon bemerkt, daß Harst für Morde größeres Interesse hat. Nun – mag er! Für den armen Menschen wär’s ganz gut, wenn er sich bemühte, sein Unglück zu vergessen.« –

      Harald Harst begab sich zu Doktor Heiker. Dieser begrüßte ihn sofort mit den Worten: »Ihre Vermutung trifft zu. Das Taschentuch muß von Tränen ganz durchweicht gewesen sein. Außerdem befindet sich darauf am Rande ein Fleck von roter Fettschminke.«

      Harst dankte, zahlte vierzig Mark und kehrte, das von ihm leicht angefeuchtete Tüchlein in der äußeren Jackentasche, nach dem Präsidium zurück. Stolten war noch mit dem Bericht über den neuesten Fall beschäftigt. Das bei der Wasserleiche gefunden Tuch lag neben ihm auf dem Schreibtisch. Harst fragte, ob Stolten es für zweckdienlich hielte, nochmals eine große Anzeige unter Hervorhebung der Belohnung von 20 000 Mark in die Zeitungen einzurücken. Der Kommissar meinte, schaden könnte es nichts, obwohl er die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hätte, daß der Mord an Marga Milden jemals aufgeklärt werden würde. Harst nahm das Tüchlein vom Tisch und besichtigte es, hielt es auch gegen das Licht und sagte so nebenbei:

      »Die Ermordete scheint Schminke benutzt zu haben. Ich sehe hier einen rötlichen Schimmer in der einen Ecke.«

      »Ganz recht, Herr Assessor. Es wird Schminke sein. Die Tote war ja auch wie eine Theaterprinzessin fünften Ranges gekleidet – alles Schein und Schund!«

      Harst entschuldigte sich, abermals gestört zu haben, und fuhr mit der Ringbahn bis Schmargendorf. Er hätte »sein« Tüchlein, das dem andern ja völlig glich, leicht gegen dieses bei Stolten vertauschen können. Er hatte es auch beabsichtigt, um das andere bei Doktor Heiker gleichfalls auf Spuren von Fettschminke untersuchen zu lassen, aber es war dann nicht mehr nötig gewesen. Er hatte ja selbst die rötliche Stelle in der einen Ecke bemerkt.

      Seit Wochen spielte jetzt wieder einmal ein leises Lächeln um Harald Harsts Lippen. Es war ein Lächeln voller Zufriedenheit mit dem, was er bisher erreicht hatte.

      In dem alten Hause in der Blücherstraße empfing ihn die Mutter mit der Mitteilung, der Schauspieler hätte bereits zweimal vor kurzem Harald am Telephon verlangt. »Du sollst diese Nummer hier anrufen. Ich habe sie mir aufgeschrieben, mein Junge,« fügte sie hinzu.

      Harst hatte den Komiker-Maxe, den er seiner Mutter als harmlose Zufallsbekanntschaft vorgestellt hatte, denn vor einem Taschendieb und Ausbrecher hätte selbst das mitleidige Herz Frau Augustens wohl gestreikt, sehr bald am Apparat.

      »Sie ist mit Koffer, Karton, Hutschachtel und zwei Schirmen um elf Uhr von M’s direkt nach dem Stettiner Bahnhof mit der Straßenbahn gefahren,« meldete Schraut. »Dann hat sie eine Fahrkarte nach Pasewalk gelöst und sitzt nun im Wartesaal, da ihr Zug erst zwei Uhr dreißig abgeht.«

      Harst hätte diese Nachricht nie vermutet. Also Helene Burg machte sich aus dem Staube! – Er hatte sie durch Schraut und den Jungen abwechselnd bewachen lassen, um dahinter zu kommen, mit wem sie verkehrte. Und nun reiste sie ganz plötzlich ab, nachdem er gerade kurz vorher Margas Zimmer durchsucht hatte! Ob er dabei etwa von ihr durch das Schlüsselloch beobachtet worden war? Möglich war’s schon! Er hätte das Schlüsselloch verhängen sollen. Nun – diese plötzliche Fahrt nach ihrer Heimatstadt, wo ja auch ihr Verlobter wohnte, war vielsagend genug.

      Harst erteilte Schraut nun den Bescheid, er würde ihm seinen eigenen kleinen Koffer und eine größere Geldsumme durch Karl nach dem Stettiner Bahnhof schicken. »Bleiben Sie ihr also auf den Fersen, Schraut! Und sobald Sie etwas Wichtiges festgestellt haben, sofortige Nachricht durch Ferngespräch. – Auf Wiedersehen – guten Erfolg!«

      Dann rief er die Präsidentin an. – »Liebe Mama, eure Helene wollte mir die Adresse einer guten Handschuhwäscherin geben –« – – »Schade, lieber Harald. Sie ist vor anderthalb Stunden auf eine Depesche hin, daß es ihrem Verlobten schlechter ginge, nach Pasewalk Hals über Kopf abgereist. Ich habe den Eindruck, daß sie nicht mehr zu uns zurück will, und werde mich daher leider nach Ersatz umsehen müssen.« – »Hat sie Dir die Depesche gezeigt?« – »Nein. – Und – merkwürdig! – Vorhin vertraute mir Marie an, daß sie dieses Telegramm für lediglich erfunden hielte. Du scheinst ja auch diesen Verdacht zu hegen.« – »Vielleicht, Mama. – Wiedersehen.«

      Frau Auguste Harst hatte all dies mitangehört und meinte nun ganz verwirrt:

      »Junge, hältst du etwa das Stubenmädchen für – für die Mörderin?«

      »Aber Mutter! – Ausgeschlossen! Ich sage Dir schon zur rechten Zeit, wer mir mein Lebensglück vernichtet hat und – wen ich vernichten werde!«

      Frau Harst eilte nach oben in die Küche an den geliebten Kochherd. Harald ging langsam in seine Bibliothek hinüber. Hier hing an der Wand ein Haustelephon, das nach dem Gärtnerhäuschen führte. Er bestellte den Jungen zu sich. – Karl Malke sah heute wie ein junger Geck aus. Harst schenkte ihm stets seine meist noch tadellosen Sachen, die ein gefälliger Onkel Schneidermeister dem langen, dünnen Burschen dann umarbeitete.

      Der Junge war natürlich Feuer und Flamme für sein »neuestes Metier«, wie er sich vornehm ausdrückte. Er durfte Detektiv spielen, – kein Wunder, daß ihm dies zusagte! – Zehn Minuten später verließ er eiligst das Haus, fuhr stolz im Auto


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