Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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von Perbram längst vorüber, aber der erregte Meinungsaustausch, den er unter den Klubmitgliedern hervorgerufen hatte, dauerte noch immer an, besonders bei einer Gruppe von Herren, die sich im Lesezimmer zusammengefunden hatten. – Soeben sagte Kommerzienrat Kammler zu dem heute als Gast heute anwesenden Kommissar Stolten:

      »Wir beide verstehen uns! – Ganz richtig: Diese Detektivspielerei von Leuten, die nicht die vielseitige Ausbildung unserer Kriminalbeamten genossen haben, ist lächerlich, kann nie in schwierigen Fällen Erfolge zeitigen. – Übrigens besinne ich mich jetzt: ich habe heute nachmittag den Assessor Harst getroffen, der ohne Frage doch ein sehr intelligenter Mensch ist. Aber auch er vertrat heute die Ansicht, auch ein Liebhaberdetektiv könnte, wenn er nur den nötigen Scharfsinn besäße, mehr ausrichten als der ganze große Apparat der Kriminalpolizei. Er scheint sogar Lust zu haben, eine Bemerkung von mir als Anlaß zu einer Wette zu nehmen des Inhalts, daß, wenn überhaupt der Mord an seiner Braut aufgeklärt werden sollte, dies nur durch einen Liebhaberdetektiv geschehen würde.«

      »Dies ist auch geschehen!« sagte Harald Harst langsam und begrüßte die Herren mit einer gemessenen Verbeugung. Er war unbemerkt eingetreten, hatte Kammlers letzte Sätze mitangehört, zog sich nun, ohne sich um die überraschten, teilweise auch etwas verlegenen Gesichter zu kümmern, einen Klubsessel herbei und sagte dann zu Perbram:

      »Es tut mir leid, daß ich Ihren Vortrag versäumen mußte, lieber Perbram. Der Detektiv hat mich aber bis jetzt in Anspruch genommen, der nun endlich das Rätsel des Mordes an meiner Braut gelöst und auch – was Sie interessieren dürfte, Herr Stolten – einen zweiten Mord gleichzeitig aufgeklärt hat, nämlich den an der unbekannten, unkenntlich gemachten weiblichen Person.«

      Eine Weile tiefe Stille. Aller Augen waren auf Harst gerichtet. Diese Mitteilungen kamen zu unerwartet, wirkten tatsächlich wie eine Bombe. Dann rief Kammler:

      »Ich glaube im Namen aller zu sprechen, mein lieber Harst, wenn ich erkläre, daß wir mit freudiger Genugtuung diese Nachricht aufnehmen. Es muß für Sie ein Trost sein, nunmehr zu wissen, daß das Verbrechen an Fräulein Milden gerächt werden wird. – Wer ist denn nun der Täter, und wie heißt jener Detektiv, der hier einmal ausnahmsweise erfolgreicher gewesen ist als unsere tüchtigsten Beamten?«

      Harst lehnte sich leicht in seinen Sessel zurück. »Ausnahmsweise, Herr Kommerzienrat?«, meinte er. »Sie sind ein hartnäckiger Gegner aller kriminalistischen Talente ohne Beamteneigenschaft. Doch – davon später. – Ich bin gern bereit, den Herren das Ergebnis und die Hauptmomente der Nachforschungen übersichtlich zu entwickeln, die der – Liebhaberdetektiv, von einem Taschentuch ausgehend, angestellt hat. Er hat sich dabei zweier Helfer bedient, die ich hier der Kürze halber Max und Karl nennen will. Ich werde alles Nebensächliche weglassen, da die Herren selbst imstande sind, sich das Nötige zu ergänzen.

      Der Mord an meiner Braut hängt ganz eng mit dem zweiten zusammen. Beide haben dieselbe Vorgeschichte. – Margas Pensionsfreundin Claire Ruckser gerät auf Abwege, fällt einem gewissenlosen Schurken in die Hände, der ihr Vermögen durchbringt, dem sie aber doch mit blinder, unverständlicher Liebe ergeben bleibt. Dieser Paul Menkwitz, Monokel-Paul, wird wegen Taschendiebstahls und Einbruchs in eine Privatwohnung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er schwört dem, der ihn hat verhaften lassen, und der dann auch Vertreter der Anklage ist, und das war ich, noch im Gerichtssaal in sinnloser Wut Rache. – Vor vier Wochen war seine Strafzeit vorüber. Er vereinigte sich wieder mit jener Claire, die inzwischen als Filmstatistin sich mehr schlecht als recht durchgeschlagen hat. Er weiß von ihrer früheren Freundschaft mit Marga und zwingt sie nun, wobei er einen doppelten Zweck verfolgt, sich meiner Braut zu nähern und sie anzubetteln. Marga hebt von ihrem Sparbuch 400 Mark ab und händigt sie der Pensionsschwester auf der Straße aus. Ihre Eltern verbieten ihr jeden weiteren Verkehr mit der so tief Gesunkenen aufs strengste. Eine Weile läßt Claire meine Braut unbelästigt. Dann verschafft sie sich heimlich Zutritt zu deren Zimmer, als Mildens und die Köchin Marie abwesend sind. Nur das Stubenmädchen Helene weiß von diesem Besuch, verspricht Marga aber, zu schweigen. Claire fleht in wilder Verzweiflung über ihre trostlose Lage meine Braut abermals um Geld an und bittet diese, ihr die Summe in derselben Laube auszuhändigen, in der Marga dann am nächsten Tage von Paul Menkwitz ermordet wird, der sehr wohl wußte, daß der Verlust meiner Braut mich schwerer treffen würde als alles andere. Der Mord war also ein Racheakt von Menkwitz, dem Claire hierbei ahnungslos Helferdienst leistete, denn er hatte ihr geraten, Marga in jene Laube zu bestellen. Um nun Claire, die doch sofort geahnt hätte, wer allein der Mörder meiner Braut sein könnte, für immer stumm zu machen, beseitigt er sie in der Nacht vor Margas Tode, warf die verstümmelte Leiche ins Wasser, vergaß dabei aber eines: aus der Tasche des Kleiderrockes des armen Weibes ein Taschentuch zu entfernen!

      Er vergaß ein Taschentuch! Und genau das gleiche Tüchlein hatte Claire damals in Margas Zimmer vergessen. Der Detektiv findet es, findet auch das Sparbuch. Er fragt Helene über die Herkunft dieses billigen, patschuliduftenden Taschentuches aus. Sie schweigt verlegen, will nichts verraten, reist dann unter einem Vorwand zu ihren Eltern, wohin der Helfer Max ihr folgt. – So kommt der Stein durch das Tüchlein ins Rollen. – Der Detektiv erfährt von dem anderen Morde, auch von dem bei der Leiche gefundenen Taschentuch. Beide gleichen sich vollständig. Da ahnt er, daß diese Tote vielleicht die gewesen, die das andere Tüchlein in Margas Zimmer zurückließ. Er forscht Frau Milden aus, hört den Namen Claire Ruckser, hört von einem Abenteurer, mit dem sie ihr Geld verjubelt hat. Vorher schon ist er auf Menkwitz aufmerksam geworden. Dieser verkauft bei einem Juwelier ein goldenes Handtäschchen, dessen Bügel er absichtlich zerbrochen und aus dem er das Stück mit dem eingravierten Namen der Besitzerin entfernt hat. Ich habe trotzdem dieses Täschchen an einigen Fehlern in den Goldmaschen wiedererkannt. So lenkte sich der Verdacht auf Menkwitz. Der Detektiv vermutet in ihm den, der jene Claire arm und ehrlos gemacht hat. Hierüber will er sich Gewißheit verschaffen. Er und sein Helfer Karl besuchen die Stätten, in denen das Laster und das Verbrechen, Leichtsinn und Genußsucht sich ein Stelldichein geben. Er wird dann von dem Bruder des Mörders, einem Kellner, in dieser Nacht in eine Falle gelockt, in ein Auto, das Paul Menkwitz unter dem Vorgeben, er wäre Detektiv und hinter einem Verbrecher her, von dem Chauffeur zur Verfügung gestellt wird. Die Brüder suchen ihr Opfer durch Würgen bewußtlos zu machen. Der Detektiv täuscht eine Ohnmacht vor. Sie wollen ihn fesseln, nachher irgendwie bei Seite schaffen. Plötzlich springt er auf, stößt die Überraschten zurück, schwingt sich aus dem Wagen, wird fast von einem anderen daherrasenden Auto überfahren, das auf Veranlassung des Helfers Karl dem ersten gefolgt ist und in dem sich zwei Kriminalbeamte befinden, die die Brüder Menkwitz festnehmen und nach der nächsten Polizeiwache bringen, wo der Detektiv den Doppelmörder zu einem Geständnis zwingt. Der Detektiv fährt nach Hause, findet hier den Helfer Max vor, der in Pasewalk das Stubenmädchen schnell dazu überredet hat, unterstützt von deren Eltern, die volle Wahrheit zu sagen. – Der Detektiv zieht sich um und – besucht den Universum-Klub. Der Detektiv – bin ich selbst, meine Herren!«

      »Ich habe dies sehr bald gewußt!« ruft Stolten. »Ich gratuliere von Herzen. Sie haben Ihre Sache vorzüglich gemacht!«

      Harst wendet sich an Kammler. »Sind Sie nun bekehrt, Herr Kommerzienrat? Oder – nehmen Sie in diesem Falle nur einen zufälligen Erfolg eines der von Ihnen so schlecht beurteilten Privatdetektive an?«

      Kammler wiegt den Kopf hin und her. »Ehrlich gestanden, lieber Harst, mich würde nur eine Reihe von Erfolgen überzeugen,« meint er ausweichend.

      Harst erhebt sich. »Meine Herren,« beginnt er mit jener kühlen Selbstverständlichkeit, die jeder an ihm kennt und zu der jetzt noch eine müde Gleichgültigkeit hinzugetreten ist. »Sie wissen, welch unersetzlichen Verlust ich erlitten habe. Ich werde nie darüber hinwegkommen. Ich war nahe daran, lebensüberdrüssig und trübsinnig zu werden. Da riß mich diese Detektivarbeitet wieder hoch. Sie machte mich mein leeres Dasein vergessen. Jetzt, wo sie erledigt ist, fühle ich bereits wieder jene unsagbare Interessenlosigkeit gegenüber all und jedem, die mich vielleicht zum – Selbstmord treiben könnte. Mein Beruf als Jurist kann mir hier nicht die nötige Ablenkung bieten. Er ist zu sehr eingeengt, zu wenig abwechslungsreich. Ich werde ihn aufgeben. Aber – ich will mir gleichzeitig einen anderen Pflichtenkreis schaffen. Dabei können Sie mir helfen. Kommerzienrat Kammler deutete eine Wette mir gegenüber an. Diesen


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