Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch - Walther Kabel


Скачать книгу
den Freund zu beschleichen.

      Hier wuchsen wieder Büsche, Kasuarinen, – hier hatte die Einöde schon ein freundlicheres Aussehen.

      Nicht einmal Achi bemerkte mein Verschwinden. Ich kroch nach Westen, ich schwenkte nach Norden ein, – – und dann erblickte ich Percys Lagerfeuer und die ruhenden Pferde und den riesigen Lederballen neben dem Feuer.

      Noch näher …

      Die Lehmpilze standen hier dichter. Ich kam bis auf zehn Schritt heran …

      Und fuhr zurück …

      Da sprachen leise zwei Menschen, ganz leise …

      Täuschte ich mich?!

      Ich schob den Kopf vor …

      Die Lederkugel war nach mir hin geöffnet, und in dieser winzigen Hütte saß Daisy Mallingrott. – Mein erstes Gefühl war das der Beschämung. Der kleine Halunke Achi hatte Percy und mich übertrumpft. Percy hatte geglaubt, Achi würde nichts merken, war also ein Blinder gewesen, – und ich desgleichen, weil ich überhaupt nichts geahnt hatte, wenigstens nicht dies!

      Und das andere Gefühl, schmerzhafter als die Beschämung, aber rasch wieder verebbend, weil unsinnig und mehr Augenblicksstimmung, war bittere Enttäuschung, vermischt mit harmloser Eifersucht. – Daisy Mallingrott, diese Wildkatze mit dem überschäumenden Temperament und mit dem ebenso wundervollen Maß an Selbstzucht, hatte in das leere Herz eines Weltflüchtigen wieder einmal törichtes Sehnen gezaubert. Mann sein – und Mann sein ohne Weib, ohne den Rausch und die Entspannung bei ahnender Liebe – ein Unding!! Zum Manne gehört das Weib. Die Natur hat es so gewollt, und wider die Natur ist jeder Kampf zwecklos. Die Monate der völligen Einsamkeit auf meiner künstlichen Insel hatte manches in mir geklärt. Ich hatte eingesehen, daß der Trieb stärker ist als der aus einer einzigen Liebesenttäuschung geborene Widerwille.

      Und das dritte, was ich empfand, als Daisy sich nun hinausbeugte, Dobber die Arme um den Hals legte und ihn lange und heiß küßte, war das reinste: Ich hatte Achi vorgeworfen, Beschleichen und Belauschen sei gemein! – Ich schob mich sofort wieder diskret rückwärts hinein in das Gestrüpp. Mein Fuß stieß dabei gegen etwas Weiches, Elastisches …

      Ein dumpfes Grunzen ertönte, genau so wie ein Ameisenigel seiner Empörung über eine unzarte Berührung Ausdruck zu geben pflegt.

      Der Igel war Freund Achi, und seine Nase war noch tagelang böse geschwollen.

      „Ein Ameisenigel …“ hörte ich noch die ahnungslose Daisy rufen.

      Zum Glück war Daisy anderweit beschäftigt, und ihre Ohren lauschten wohl mehr dem zarten, zärtlichen „My Darling“ des glücklichen Percy als den Naturlauten der Wüste.

      Der kleine Prophet erhielt zehn Meter zurück einen gründlichen Anpfiff. Mitten in meine gedämpften Vorwürfe hinein zerriß der Knall eines Schusses die bisher so feierliche Stille. Ein gellender Schrei folgte, – dann der blecherne Klang einer Pistole, – dann Austin Gorrands brutales Lachen …

      „Sieh da, – ein feines Gespann!! Miß Mallingrott, Ihr Vater wird über diesen Schwiegersohn entzückt sein …!“

      Also der vor Eifersucht tolle Austin mit seinen Freunden!!

      Zuweilen ist man unbegreiflich harthörig. Ich hätte doch schon in Walhallow Austins Andeutungen verstehen müssen …! Ich hatte im Dunkeln getappt, – er hatte längst Bescheid gewußt.

      Ich sprang auf. Ich mußte hier weiteren Gewalttätigkeiten zuvorkommen … Ich sah im Lichte des Lagerfeuers mindestens acht Menschen, zu einer wild bewegten Gruppe zusammengeballt.

      Eine schwarze Faust riß mich nieder …

      „Mussu, du Verstand verloren?! Austin auch uns gefangen nehmen! Wir keine Waffen mithaben, – wir schnell zurück zu Pferden, vielleicht schon zu spät sein …“

      Es war eine segensreiche kalte Dusche. Achi glitt mir voran durch Gestrüpp und Grasbüschel. Wir nahmen den kürzesten Weg, und als Ansporn ertönte hinter uns das Schreien und Gellen erhitzter Stimmen: Daisys abgewiesene Liebhaber feierten Sieg!!

      – – Als ich Knabe war und Karl Mays Indianererzählungen mich beglückten – heimlich mußte ich sie lesen, denn mein Vater hatte weder Sinn für Romantik noch das geringste Verständnis für die geistigen Bedürfnisse der Unreifen –, als ich in der Bodenkammer am verstaubten Fenster hockte und Spinnen und Fliegen mir Gesellschaft leisteten, habe ich nicht ahnen können, daß das bunte Leben einst dem gereiften Olaf Ähnliches bescheren würde. An Coys Seite hatte ich die Pampas mit ihrer wunderbar klaren Luft durchstreifen dürfen, wir hatten den Puma gehetzt, wir hatten mit flüchtigen Hirschen Wettrennen veranstaltet, – wir hatten die ewigen Schneehöhen der Anden erklettert, – von blutigen Kämpfen war nicht viel zu berichten, aber es waren doch die nervenkitzelnde Romantik der Steppe und der grandiosen Gebirgswelt, die melancholischen Reize [der] Kanäle und starren Inseln der Küstenstriche gewesen. Wen das Dasein beschenken will, dem gibt es einen Freund, die Freiheit der Einsamkeit und ein starkes Erleben. Alle anderen Geschenke bleiben schwächlicher Trug. Nur die Natur hebt den Menschen über sich selbst hinaus, nur aus dem innigsten Verbundensein mit der alles spendenden Urmutter schöpfen wir wahre Werte.

      Daisys genarrte Verehrer feierten Sieg. Achi und ich hatten nur die Pflicht, diesen Taumel der brüllenden Rotte zu dämpfen.

      Wir sahen unseren Lagerplatz vor uns …

      Bitterste Enttäuschung ließ uns reglos in die schützenden Gräser sinken: Vier Leute standen bei unseren Pferden, packten gerade unsere Sachen zusammen. Das Lagerfeuer beleuchtete wildfremde Gesichter.

      Achi – niemals fluchte er –, diesmal klang sein heiseres Flüstern wie eine wilde Verwünschung.

      Die Kerle zogen mit unseren Tieren und Waffen ab.

      „Mussu, sie uns suchen werden … Mussu, schnell fort von hier …!“

      Und – ich mußte nachgeben! Ich war ein Gezeichneter, die Hand des Gesetzes drohte mir mit unbequemen Fesseln und einer trostlosen Zelle! Wußte ich, ob Austin Gorrand mich nicht doch Mallingrott ausliefern würde? Schon deshalb, weil ich Percy Dobbers Freund geworden!

      Vieles schoß mir durch den Kopf … War’s Feigheit, Daisy und Percy im Stich zu lassen?! Hatte ich mir nicht so und so oft zugeschworen, nie wieder für andere mich zu opfern?! Stand Percy Dobber mir wirklich so nahe, daß ich meine Freiheit für ihn aufs Spiel setzen müßte?! Wer war Daisy, – was war sie mir?! Doch nur ein Weib wie viele andere, an denen sich mein Mannestum flüchtig erhitzt hatte!

      Achi hatte schon recht: Fliehen!! Vielleicht ergab sich später eine Gelegenheit mit Austin Gorrand irgendwie ins Reine zu kommen. Es war ja selbstverständlich, daß auch er die fernen Berge mit den so unwirklichen weißen Häupter aufsuchen würde. Niemals würde er jenen bisher so unbekannten Gebirgszug übersehen, – er mußte die Burg finden, und dort …

      Das alles blieb der Zukunft vorbehalten. Mochte dieser Tag, diese Nacht ihre eigene Enttäuschung gehabt haben: Das „Morgen“ war mir im Grunde gleichgültig. Wer nicht der Gegenwart lebt, wird nie Herr der Zukunft werden.

      Achi zupfte mich schon wieder am Ärmel …

      „Mussu, du kommen … Ich schon finden Ausweg!“

      Er war nur ein schwarzer hagerer Bursche …

      Er war ein Kind dieses seltsamen Landes, das so seltene, seltsame Tiere birgt. Er fand einen Ausweg.

      9. Kapitel

       Operettenwalzer

       Inhaltsverzeichnis

      Nicht daß er den Weg wählte, den ich vermutete. Achi, kleiner Prophet, war groß in Unternehmungslust und Tapferkeit. Es war bei ihm nicht der Wagemut der kraftstrotzenden, selbstbewußten Naturen, es war die selbstverständliche Kühnheit eines schlichten halbzivilisierten Jungen, dem


Скачать книгу