Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel
ruhig verlaufen. Die kalte Schönheit der mondbeschienenen Berge paßte in meine Stimmung hinein. Wera Zubanoff war aus meinem Herzen getilgt. Ich hatte mich zu mir selbst zurückgefunden. Ich wollte frei bleiben. Die breite Straße des Alltags war nichts mehr für mich. Das Abenteuer lockte, und aus der Vorfreude wuchsen mir die Kräfte, den Trieb auszuschalten und nur Mann zu sein, Mann von einst, als die Araukaner mich El Gento nannten. Was ich für Liebe gehalten, war doch nur Trieb des Augenblicks gewesen. Das wahrhaft Beständige in mir war die Unrast derer, die abseits vom Alltag ihre Pfade suchen.
Wrangel hob den Kopf von den Vorderpfoten, stellte die kleinen Ohren aushorchend nach vorn, und aus seinem breiten Brustkasten kam ein warnendes Murren.
Ich äugte durch die Spalten des Steinwalles, den wir vor dem Höhleneingang aufgeschichtet hatten.
Die Schlucht entlang kam leichten federnden Schrittes die stolze Gestalt der Lady Jane Cordy.
5. Kapitel
Der Mann mit der Badewanne
Sie kam allein, ohne Waffen, jedenfalls ohne ihre Büchse und ohne den Ledergurt mit den Pistolen. Nur ihr Mondschatten begleitete sie. Wie ich sie so stolz und aufrecht nahen sah, fühlte ich abermals eine stille Sympathie für diese rätselhafte Frau, über die auch Tübbicke recht wenig hatte berichten können. Was er in Kairo über sie in den Zeitungen gefunden hatte, müßte alles mehr Vermutung sein. — Missionarin, — — Königin der Bischarin?! Das erstere war möglich, das zweite war Sensationsmache.
Sie kam ruhig heran, sie mußte unseren Aufenthaltsort kennen, sie blieb unten vor der Höhle stehen, zu der ein paar schmale treppenartige Terrassen emporführten. »Mr. Abelsen …« rief sie halblaut. Mein breitkrempiger Strohhut war unverkennbar.
»Sie wünschen?« Ich hütete mich, den Kopf zu heben. In den Strohhut mochte man mir von drüben ein Loch schießen, mein Schädel war vorläufig noch zu wertvoll. — Ich traute ihr nicht.
»Ich möchte Sie allein sprechen,« sagte sie ebenso gedämpft und setzte den einen Fuß auf die unterste Terrasse.
»Bitte …Meine Gefährten schlafen weiter hinten. Nur der Hund ist bei mir.
»Geben Sie mir mein Notizbuch zurück …« Ihre Stimme klang befehlend.
»Sehr gern … Ich hielt es für ein Zigarettenetui, und ich wollte mir ein Andenken an Ihre Undankbarkeit aneignen.«
Sie spürte den beißenden Spotte.
»So spricht man nicht mit einer Dame, Mr. Abelsen …!«
»Aber mit einer Feindin, Mylady! — Salonphrasen wären hier wenig am Platze.«
Sie lachte bitter. »Ich lebe seit fünf Jahren unter den Bischarin, und die haben keine Salons. — Natürlich wußten Sie, daß es ein Notizbuch [ist.] Sie hofften darin irgend etwas zu finden …«
»Papier — a! Ich schreibe gern.«
»Schämen Sie sich!! Ein Mann wie Sie sollte alle Winkelzüge verachten.«
»Danke. Nehmen Sie sich bitte dasselbe vor, und wir werden vielleicht Freunde werden.«
Sie mochte sich getroffen fühlen, denn sie schwieg eine Weile.
Ich warf ihr das Notizbuch in flachem Bogen vor die Füße. »Verzeihen Sie diese Art der Rückgabe, aber Ihre Bischarin lauern doch zweifellos in der Nähe.«
»Ja, Ihre Höhle ist eingekreist, und Sie werden hier ausgehungert werden, falls Sie nicht …«
» … Wollen Sie die Wildwestszenen fortsetzen, Mylady?! Wir sind hier in nächster Nähe einer Weltstadt, denn siebzig oder achtzig Kilometer haben nichts zu bedeuten. Falls ich meinen Hund auf sie hetze, wirft er Sie nieder, — und das Bild von heute nachmittag würde sich wiederholen.
»Das Bild würde anders wirken, Mr. Abelsen. Vier Kilometer nach Westen lagert ägyptische Gebirgsartillerie, die sich wohl auf einem Uebungsmarsch befindet. Der Steckbrief gegen Sie läuft noch. Ich warne Sie. Ich kenne keine Rücksichten.«
Sie sprach kalt und unerbittlich. Vielleicht log sie.
» …Was fanden Sie in dem Notizbuch?!« fügte sie drohend hinzu. »Lügen Sie nicht!!«
Sie hatte das silberne Etui ausgehoben und aufgeklappt.
»Ich fand …« ich mußte antworten und lügen — »die Tagesritte bis zu den Weideplätzen der Bischarin. Ich würde an Ihrer Stelle die Bahn oder einen Dampfer benutzen, Mylady, falls Sie wieder dorthin zurückkehren wollen. Oder wollen Sie den edlen Wettstreit zwischen uns beiden, Ihren Gatten zu finden, fortsetzen?! Ich werde ihn finden … Tübbicke ist ohne Makel, ohne Steckbrief, und er wird die Stelle am Nil schon entdecken, wo Ihr Gatte vielleicht ein Schiff bereithielt, um die schöne Wera in ein Flitterwochennest zu verschleppen …« — Das war roh. Das war Absicht. Das war aber auch die einzige Möglichkeit, jeden Verdacht Lady Janes zu zerstreuen, ich könnte den in dem Etui versteckten Zettel gefunden und meine Schlüsse daraus gezogen haben.
Meine schamlosen Andeutungen entlockten ihr nichts als eine stolz-wegwerfende Kopfbewegung. Sie zauderte noch Sekunde, dann drehte sie sich um und wollte davongehen.
»Lady Cordy …!!« — Was hatte sie nun vor.
Sie wandte den Kopf halb zurück.
»Jede Gefängniszelle müßte sich Ihrer schämen!sagte sie ungeheuer verächtlich. »Ich will Sie nie mehr sehen, ich habe Sie leider überschätzt!Sie verschwand im Mondschatten der Schluchtwand, ihre Gestalt zerschmolz in der dort lauernden Finsternis— und ich konnte mit mir zufrieden sein. Ich hatte gewußt, daß von ihr nichts zu erfahren sein würde, ich hatte sie getäuscht: Wir würden uns wiedersehen, denn sie war ja zweifellos hinter ihrem Gatten her — weshalb?!
… Und ich dachte an frühere Erlebnisse, dachte an des Schicksals unberechenbare Launen, das hier wieder einmal Menschen und unberechenbares Geschehen durcheinandergewirbelt hatte …
Bestand nicht eine entfernte Aehnlichkeit zwischen Lady Janes undurchsichtigem Vorhaben und Wera Zubanoffs abenteuerlicher Fahrt bis zur Küste Sachalins?! Auch Wera hatte gesucht, liebenden Herzens gesucht, — und der Abschluß war eine grausame Enttäuschung gewesen. Zwei Frauen, und doch wie grundverschieden in ihrem Wesen und Sichgeben, wie ähnlich in dem einen: Erstarrt zu zäher Energie, zielbewußt, hart, wenn es darauf ankam. Aber Wera trotz allem immer noch »Weibchen«, — Jane Cordy vermännlicht, außerhalb der Gefühlswelt der Frau stehend, wohl hineingedrängt in ein seltsames Dasein fern aller Kultur! Wie bitter hatte es geklungen, als sie die fünf Jahre unter den Bischarin erwähnt hatte!! Freiwillig war sie nicht in die nubische Wüste gezogen — niemals! Und — — fünf Jahre, in denen dann, wie Tübbicke es wußte, nur ganz selten über sie ungewisse Kunde in die Oeffentlichkeit gedrungen war. —
Ich schaute auf meinen linken Unterarm. Das Zifferblatt der Armbanduhr, eine matte Scheibe mit Leuchtstrichen, zeigte den Anbruch der zweiten Morgenstunde.
Ich beobachtete die gegenüberliegende Schluchtwand. Sie stieg erst steil an, ging dann in eine breite Geröllhalde über. Daß dort hinter den Steinen Bischarin lauerten, daß vielleicht gar über unserer Höhle ein paar dieser glänzenden Reiter und Speerwerfer steckten, — das war gewiß.
Würden sie nun abziehen?!
Ich nahm mein Fernglas. Aeußerlich war damit nicht mehr viel Staat zu machen. Es war zerschrammt, zerbeult, aber es war einmal eines der besten gewesen, die ich vom versunkenen »Paradies der Enterbten« mitgenommen hatte.
Ich stellte es ein. Die Geröllhalde lag im klaren Mondlicht da. Zwischen den Felstrümmern bewegte sich ein Tier … Es war ein Klippdachs, eins der scheuesten Geschöpfe dieser steinigen Einöde. Er lief eilfertig hin und her, nach einer Weile erschien ein zweiter, das Weibchen, mit drei rattengroßen Sprößlingen. Die ganze Familie zog die Halde empor,