Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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wurde leise und sanft auf Coys Lederjacke gelegt. Der Araukaner gab sie freiwillig her. »Mir sehr heiß,« meinte er gutmütig grinsend. Diese Hitze nach den drei Bechern Wurmmittel war weiter kein Wunder. – Wir drei Männer kletterten nach oben. Joachim verlangte den Vortritt, stieg auf Coys Schultern und zog dann diesen und mich in die Stube empor. – Stube? Haus? – Ach nein, von beiden war so gut wie nichts mehr übrig. Die Stube vier Mauerreste, angefüllt mit Baumkronen – ein wüstes Chaos von Ästen, Zweigen, Steinen, Brettern, Balkenstücken. Coys Laterne beleuchtete dieses Feld der Verwüstung. Ich traute meinen Augen nicht: drei dicke Buchenstämme waren in unseren Salon hineingeweht worden! Und aus diesem undurchdringlichen Gewirr von Baumteilen erscholl klägliches Blöken, während über uns, wo auch nicht mehr die Spur von Dach vorhanden, so recht friedlich und freundlich Vater Mond und seine Flimmerschäfchen glänzten. Der Wirbelsturm war endgültig vorbei, das Firmament klar, die Luft kühl und rein.

      Coy zog wortlos sein langes Messer und bahnte sich durch kraftvolle Hiebe einen Weg zu den armen Tieren, die wir zerquetscht, halbtot vorzufinden fürchteten. Ein Irrtum. Sie lebten. Und kaum hatten wir ihnen eine Gasse freigemacht, als sie auch schon, ehe wir’s noch hindern konnten, Reißaus nahmen – hinaus ins Freie …

      Von dem Walde, der die ehemaligen Farmgebäude umgeben hatte, war fast nichts mehr übrig, und draußen in der Steppe konnten wir die Bahn, die der Riesenkegel genommen, genau verfolgen. Dieser Weg war schätzungsweise dreitausend Meter breit, war eine Tenne ohne jeden losen Stein, ohne jeden Grashalm, ohne Strauch und Baum. Alles hatte die Gewalt des Anden-Wirbels wegrasiert. Bäume waren nicht umgeknickt, sondern mit dem größten Teil des Wurzelstocks herausgedreht. Wo die Wurzeln zu fest verankert, hatte der Drehsturm die Stämme richtig losgekurbelt, so daß die Stümpfe und die zerfaserten Enden deutlich zeigten, nach welcher Seite hin der Luftwirbel gewirkt hatte.

      Joachim hatte sein Fernrohr mit sich und tat so, als ob er nach den ausgekniffenen Guanacos Ausschau hielte. Tat so …!! Ich wußte es besser, und ich fügte zu dem, was mir an ihm bisher widerspruchsvoll und rätselhaft gewesen, ein Neues hinzu: Sklave eines Weibes – noch immer Sklave trotz der häßlichen brutalen Szene hinter dem Rankenvorhang!

      Coy hatte uns verlassen und war wieder in die Reste der Villa zurückgekehrt, um unsere Waffen und unser sonstiges Hab und Gut zusammenzusuchen. Wir waren bereits darüber einig, daß wir durch die Höhle den Marsch zur Küste fortsetzen wollten.

      Ich war mit Näsler allein.

      »Gestatten Sie eine Frage …« begann ich etwas zögernd. »Sind Sie Ihrer Gattin wegen in Sorge?«

      Aber damit kam ich schlecht an bei ihm.

      »Lieber Abelsen, wenn Sie nochmals den Ausdruck Gattin gebrauchen, kündige ich Ihnen allen Ernstes die Freundschaft! Sie scheinen immer noch nicht daran zu glauben, daß dieses Weib aus mir einen Lumpen gemacht hat! Es ist so! Leider! – Und nun wollen wir Coy helfen …«

      »Einen Augenblick noch. – Und Tatjana Turido?!«

      »Freundschaft auf meiner Seite, bei ihr Schwärmerei eines halben Kindes. – Weshalb fragen Sie, Abelsen?«

      »Weil wir dem Ziele nahe sind und weil ich klar sehen möchte, ob Sie ohne jede Rücksicht Coy und mir helfen werden. Sie verstehen mich. Die Turidos sind Verbrecher. Sie haben Chubur und Chico vielleicht ermordet. Wenn ich mich nun auch keineswegs als Richter aufspielen will, so werde ich doch auf jeden Fall den Verbleib der beiden Araukaner, die mir mehr wert sind als hundert sogenannte Gentlemen im Frack, sowie das geheimnisvolle Tun und Treiben dieser Giftmischer klären.«

      Joachim hatte sein Fernrohr unter den linken Arm geklemmt, putzte umständlich mit seinem fragwürdig sauberen Taschentuch sein Monokel und blinzelte mich mit zurückgebogenem Kopf unverschämt-hochmütig an. »Wofür halten Sie mich eigentlich – he?!« Er näselte, schnarrte … »Genieren Sie sich nich – raus mit der Sprache, Herr Abelsen!«

      »Das ist keine Antwort auf meine Frage,« meinte ich gereizt, denn zuweilen konnte er selbst den Kaltschnäuzigsten in Harnisch bringen.

      »Eine andere Antwort?! – Mann, wir treiben uns nun zwölf Tage miteinander in dieser jottverlassenen Jejend umher, haben einen janzen Hut voll miteinander erlebt, – und da denken Sie, daß ich eines halbwüchsigen, wenn auch lieben Mädels wegen Überläufer werden könnte! Mann, ich bin ja genauso sehr wie Sie darauf versessen, den Turidos in den zujedeckten Topp zu kieken!! Zum Kuckuck, – jerade ich, ich, der Letzte vom »Starost«! Vergessen Sie das nicht!«

      Er klemmte das Monokel ein. Meine Hand, die ich ihm warm entgegengestreckt hatte, übersah er. Er war verletzt, drehte sich um und schritt der Hausruine zu, in der immer wieder der Lichtkegel von Coys Laterne aufblitzte.

      »Joachim!!«

      Da blieb er doch stehen …

      »Entschuldigen Sie, Joachim …«

      Er stand vor mir … In seinen braunen, mageren Zügen arbeitete es seltsam.

      »Olaf, der da oben, der Mond, – der war so manche Nacht im Internierten-Lager von Rock-Springs mein einziger Trost, mein Beichtvater … Vielleicht beichte ich auch Ihnen einmal … – Jetzt …« – und er lächelte bitter, »jetzt wollen wir dieser Gefühlseselei schleunigst ein Ende machen. Das paßt nicht hinein in diese harte Umgebung … Wir stehen hier auf einem Wege, der bei Gott kein alltäglicher! Der Wirbelsturm hat ihn glatt gefegt … Und ich fege hinweg, was noch … weich in mir, – auch das da …!!« Und er machte eine unbestimmte Handbewegung in die Ferne, über die Steppe. Diese Geste galt Frau Ellinor. –

      Dann halfen wir Coy. Es war nötig. Denn Coy hatte unsere Abwesenheit zu einer überreichlichen neuen Wurmkur benutzt. Ein Skandal war’s, wie betrunken er war! Und dabei frech, fidel, sicher auf den Beinen, nur die Hände wollten nicht recht mit.

      Joachim fauchte ihn denn auch ganz gehörig an. Coy grinste …

      »Auch saufen, Mistre … Dann nicht merken, daß Coy besoffen …«

      Wir lachten – mußten lachen …

      So packten wir die Rucksäcke, verteilten die Lasten, schafften alles nach unten, wo unser Kind noch immer den glückseligen Schlaf der Jugend schlief.

      Die Arbeit hatte den braven Coy doch wieder ein wenig ernüchtert. Und abermals zeigte er sich nun als der umsichtige, an alles denkende Sohn der Wildnis. Er schleppte Holzscheite zusammen, Grasbündel, schuftete für drei, nur um uns wieder zu versöhnen.

      Draußen graute der Morgen, als wir der Oberwelt für drei Stunden Lebewohl sagten. Allan wurde geweckt. Der Marsch begann. Coy zwanzig Schritt voraus, wir mit qualmenden Buchenfackeln hinterdrein. Ein Weg durch Schlünde der Erde, ein unbequemer, aber klar gekennzeichneter Weg: überall an Stellen, wo Nebenhöhlen abzweigten, waren Kalkstriche, Kalkpfeile an die Granitwände gemalt. – Dieses weitverzweigte System von Grotten bot im übrigen kaum etwas Neues – uns allen nicht. Ich kannte Höhlen in allen Teilen der Welt, hatte auf Madagaskar die berüchtigten Gasgrotten von Kaukier besucht. Joachim kannte die Karsthöhlen, Allan die Newada-Grotten und Coy – nun, Coy war hier ja zu Hause!

      Drei Stunden Marsch ohne jeden Zwischenfall. Einmal kurze Rast, Frühstück. Und am Ende dieser drei Stunden immer stärker der Gestank faulender Tangmassen und übler Verwesungsdunst. Wie richtig doch Coys Nase diese Düfte vorausgesagt hatte!

      Dann Tagesschimmer … Eine breite zackige Öffnung … Im Sonnenschein flimmerndes Wasser … Vögel, Möwen, stolze Albatrosse … Und Robben … Robben an den Gestaden der Bucht – in Scharen …

      Bild des Friedens …

      Desto ekler der Gestank der faulenden, braunen Pflanzenberge und des toten Wales, auf dem Hunderte von Möwen saßen und fraßen. –

      Wir hielten uns zunächst vorsichtig im Dunkel des Höhlenganges, der lediglich durch die Tanghügel vom Wasser getrennt war.

      »Ausgeschlossen, daß dies die Bucht der Turidos ist!« meinte Achim ärgerlich. »Mein lieber Coy, dein Freund Chubur hat dir miserabel Bescheid gesagt … Würden hier wohl


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