PANDORA (Shadow Warriors). Stephen England

PANDORA (Shadow Warriors) - Stephen England


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als Bauern in einem Schachspiel, welches soeben in diesen Bergen begonnen hatte. Ihr Opfer würde ihn jedoch in die Lage versetzen, die Position des Scharfschützen zu bestimmen.

      Ein Mittel zum Zweck.

      »Irgendein Zeichen von FULLBACK?«, flüsterte Harry in sein Lippenmikrofon und umklammerte seine Kalaschnikow mit schwitzigen Händen, während er hinter einem großen Gesteinsbrocken hockte.

      »Negativ, EAGLE SIX.« Das war Tex. Seine Stimme klang gepresst.

      »Du hörst dich an wie eine kaputte Schallplatte. GUNHAND«, antwortete Harry und grinste das erste Mal in dieser Nacht. Ihre Unterhaltung wurde jedoch jäh unterbrochen.

      »EAGLE SIX, ich habe feindliche Ziele.« Das war Thomas. »Nordwestlich eurer Position. Sie kommen näher.«

      Thomas legte hastig mit dem Zielfernrohr seiner SV-98 auf die Gegner an und richtete das Fadenkreuz auf die Brust des vordersten Spähers aus. Direkt auf die Körpermitte.

      Das würde reichen müssen, bis er herausgefunden hatte, wie stark sich sein Zielfernrohr bei der Landung verstellt hatte.

      Sein Finger krümmte sich langsam um den Abzug des russischen Scharfschützengewehrs und Erinnerungen stürmten auf ihn ein. Erinnerungen an vergangene Missionen. An die Männer, die er getötet hatte. Oder an das letzte Mal, als er die SV-98 benutzt hatte. In Aserbaidschan …

      Der Knall des Gewehrs hallte wie ein Peitschenschlag durch die Nacht. Die Kugel schoss durch die Nacht. Der Corporal, der die Patrouille anführte, richtete sich ruckartig auf und ein roter Fleck breitete sich in Bauchhöhe auf seinem Hemd aus.

      Dann sackte er wie eine kaputte Marionette zusammen und blieb mit ausgestreckten Armen im Dreck liegen. Seine Männer stoben auseinander und suchten Deckung, wo immer sie diese finden konnten.

      Thomas hätte vor Überraschung beinahe die Augen von seinem Zielfernrohr genommen. Er hatte damit gerechnet, dass der erste Schuss daneben gehen würde. Einer weniger.

      Die Schüsse zielten ein wenig zu tief, aber es war keine Zeit, um das zu korrigieren. Er würde die Abweichung selbst kompensieren müssen.

      Die Umrisse, die hastig nach Deckung suchten, leuchteten in seinem Nachtsicht-Zielfernrohr hellgrün auf. Mit einem scharfen Klick schob der Ladeverschluss eine neue Patrone in die Kammer der SV-98.

      Ein weiterer Abschuss, ein weiterer tödlicher Treffer, und ein weiterer Körper, der im Staub zusammenbrach. Beinahe wie auf einer Schießbude …

      

       Die Absprungzone, 02:29 Uhr

      »Die Luft ist rein, Lieutenant. Keine feindlichen Aktivitäten. Haben Sie mich verstanden?«

      Gideon legte sich die Hand über das Ohr und lauschte Chaims Bericht. »In Ordnung, habe verstanden.«

      Er drehte sich zu dem FAV um und breitete eine kleine Landkarte aus Stoff auf der Motorhaube des Fahrzeugs aus. »Wir werden in der nächsten halben Stunde zweiunddreißig Kilometer zurücklegen müssen. Yossi, du wirst das Führungsfahrzeug zu einem Aussichtspunkt bringen, und zwar … hier«, erklärte er und malte mit seinem Zeigefinger einen Kreis auf die Karte. »Chaim wird dich begleiten und alles vorbereiten, um das Lager aus dem Hinterhalt unter Beschuss nehmen zu können. Nathan und ich werden das zweite Fahrzeug nehmen und uns von der anderen Seite nähern.«

      Er hielt kurz inne und musterte seine Teammitglieder, deren Gesichter hinter dem Schein seiner Taschenlampe im Schatten lagen. »Unseren Informationen zufolge befindet sich unsere Zielperson in diesem Gebäude hier. Wir müssen schnell zuschlagen, das Gebäude sichern und dann SCHLIEMANN zum Extraktionspunkt eskortieren. Yossi, er wird mit dir kommen. Verstanden?«

      Der kleine Sergeant nickte knapp. »Alles klar, Chef.«

      »Was ist mit den anderen Archäologen?«, fragte Nathan Gur.

      Gideon starrte ihn durch die Dunkelheit an und sah den Ausdruck im Gesicht des jungen Mannes. »Wir haben nicht genug Platz in unseren Fahrzeugen«, antwortete er schroff. »Wir werden Sie zurücklassen.«

      Er faltete die Karte zusammen und steckte sie sich in eine seiner Innentaschen. »Wir rücken ab.«

      

       Die Absturzstelle, 02:33 Uhr Ortszeit

      Davood kam wieder zu Bewusstsein, als er eine Hand an seiner Schulter spürte und eine Stimme ihm zuflüsterte: »Geht es dir gut, mein Bruder?«

      Es war Hamid.

      Davood rollte sich auf den Rücken und biss sich sofort auf die Lippen, als Schmerzen durch seine Adern schossen. Tancretti war nirgendwo zu sehen. Die Explosion musste sie voneinander weggeschleudert haben, dachte er benommen. Es klingelte noch immer in seinen Ohren. Er fragte sich, wie lange er wohl bewusstlos gewesen sein mochte.

      »BIRDMASTER?«, flüsterte er und sah Hamid an, der sich über ihn gebeugt hatte. »Wo ist er?«

      Hamid richtete sich auf und sah sich um. Schließlich bemerkte er eine Gestalt, die etwa zwei Meter von ihnen entfernt im Sand lag.

      »Da«, erklärte er feierlich.

      Davood stemmte sich auf die Ellbogen und untersuchte sich vorsichtig. Er schien sich nichts gebrochen zu haben. Nur ein paar Schnitte und ein paar blaue Flecken. Hamid sah ihm wieder zu und das Nachtsichtgerät über seinen Augen ließ sein Gesicht seltsam unförmig aussehen. Beinahe wie eine dieser riesigen außerirdischen, insektenartigen Kreaturen aus den amerikanischen Filmen, die Davood sich als Kind oft angesehen hatte.

      »Brauchst du Hilfe?«, fragte er.

      »Nein. Ich muss nach dem Colonel sehen«, lautete seine Antwort und er erhob sich vorsichtig.

      »Sehr gut«, erwiderte Hamid kurz angebunden. »Ich gebe EAGLE SIX unsere Situation durch.« Dann zögerte er. »Wo ist dein Funkgerät?«

      Davoods Hand griff nach seinem Gürtel und suchte nach dem kleinen Transmitter. Dann schüttelte er den Kopf und ein reumütiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich muss es wohl bei der Explosion verloren haben.«

      Sein Gegenüber nickte kurz. »EAGLE SIX, hier ist FULLBACK. Sitrep?«

      

       Die Privatresidenz von Avi Ben Shoham, oberhalb des Sees Genezareth, 00:36 Ortszeit

      Schafe zu zählen hatte für den Chef des Mossad noch nie funktioniert – genauso wenig wie Terroristen. Er kannte jeden einzelnen von ihnen mit Namen, jeden Mann, der zum Schlag gegen Israel ausgeholt hatte und noch immer am Leben war, um damit zu prahlen. Aber sie halfen ihm nicht dabei, in den Schlaf zu finden. Er kehrte zu seinem Nachttisch zurück und schloss das Dossier von Ibrahim Quasim.

      Fall abgeschlossen. Ein weiterer Leichnam in einer palästinensischen Leichenhalle. Ein weiterer toter Terrorist.

      Seine Augen wanderten zu dem Porträt seiner Frau, welches über dem Bett hing. Das war ein lang gehegter Wunsch von ihr gewesen. Er hatte es während seiner Anstellung in der israelischen Botschaft von Paris malen lassen, denn so wollte er sie in Erinnerung behalten. Als wunderschöne Frau in der Blüte ihres Lebens.

      Und nicht so, wie sie von ihm gegangen war. Nicht so, wie sie starb, als sie bei einem Hinterhalt im Westjordanland verblutete, die Beine von einer Bombe am Straßenrand abgerissen, wo die Schüsse aus Handfeuerwaffen lärmend über ihre Köpfe hinweg donnerten, während er sich auf sie geworfen hatte und seine Leibwächter das Feuer erwiderten.

      Tränen waren ihm über das Gesicht gelaufen und mit ihrem Blut an seinen Händen hatte er ohnmächtig vor Wut die vollkommene Sinnlosigkeit des Ganzen verflucht.

      Ibrahim Quasim war so gestorben, wie er gelebt hatte. In einer Explosion, die so gnadenlos wütete wie jene, die Rachel Shoham getötet hatte.

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